Von alters her erfreuen sich die Choden - an der bayrisch-böhmischen Grenze zu Hause besonderer Rechte, weil sie diese Grenze schützen. Sie sind frei, nur dem König untertan, brauchen keine Frondienste zu leisten und haben ihre eigene Gerichtsbarkeit. Nach ihrer Fahne, die ein Hundekopf ziert, werden sie allgemein die Hundsköpfe genannt. Doch am Ende des 17. Jahrhunderts ändert sich das, denn diese Freiheit ist dem allgewaltigen Grundherrn Lamminger seit langem ein Dorn im Auge. Mit kleinen Sticheleien beginnt er die Choden zu drangsalieren, die Hundsköpfe wehren sich, die Kämpfe weiten sich aus, und während der Anführer der Choden beim Kaiser ihrer aller Rechte einfordert, aber verhaftet wird, brich zu Hause der offene Aufstand aus, der niedergeschlagen wird. Der Anführer der Choden wird zum Tode verurteilt. Unterm Galgen prophezeit er Lamminger dessen baldiges Ende.
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Leseprobe
In alten Zeiten besaß das tschechische Königreich einen natürlichen und starken Schutzwall in den tiefen Wäldern, die sich von den Kämmen der Grenzberge über viele Meilen ins Innere des Landes erstreckten. Es waren Bollwerke, vor allem dazu bestimmt, die durch den dichten Wald führenden Übergänge zu schützen und gleichzeitig die irdischen Pforten, die zum Schutz der Grenzübergänge errichteten Festungen und Schanzen, zu behüten. Allmählich, vor allem im 13. Jahrhundert, als immer mehr fremde Ansiedler in dieses Land drängten, hörten sogar unsere Könige auf, die Grenzwälder als Schutzwälle des Landes zu schonen, und ließen die Fremdlinge einen Forst nach dem andern abholzen. Am längsten blieb der Grenzwald an der Westseite, nach Bayern zu, an den Hängen und am Fuß des herrlichen Böhmerwalds, erhalten. Einen Teil davon sowie die wichtigsten Wege, die von Domazlice nach Deutschland führten, beschützten seit Menschengedenken die Choden, ein markiges, abgehärtetes Volk stattlicher und rechtschaffener Menschen. Ihre Dörfer, einst dicht an den Rändern der königlichen Wälder erbaut, liegen in Tälern oder auf Höhen, immer aber so, dass sie in Richtung zur Grenze Hügel oder Berge vor sich haben, denen sie sich wie natürlichen Bastionen gegen den Feind anschmiegen. Sie sind über ein etwa sechs Meilen langes Gebiet entlang der Grenze an Übergängen und den wichtigsten Grenzpfaden verstreut. So liegen von Domazlice südöstlich die Dörfer Chodskä Lhota und Pocinovice, nordwestlich davon, zwischen den Straßen nach Vseruby und Furth, liegen Klicov, Mräkov, Tlumacov und Sträz und am weitesten nordwestlich von hier, nahe der Straße nach Waldmünchen, die Dörfer Üjezd, Drazenov, Postrekov, Chodov und der jetzige Marktflecken Klenci. Wann sich die Choden, diese tschechischen Grenzhüter, hier ansiedelten, ist nicht genau bekannt. Nur so viel ist sicher, dass sie ihren Dienst standhaft versahen, dass sie zu Zeiten feindlicher Einfälle die Wege und Pfade verteidigten und dass sie in allen Kämpfen und Schlachten, die in ihrem Gebiet und in seiner Umgebung stattfanden, wacker ihren Mann standen. Ebenso ist bekannt, dass sie dem Fürsten Bretislav tapfer halfen, bei Brüdek die Deutschen zu schlagen, und es steht außer Zweifel, dass sie sich auch in den übrigen Kämpfen, namentlich während der ruhmreichen Hussitenzeit, nicht schonten. In Friedenszeiten liefen1 sie auf Streifgängen entlang der Grenze und sorgten dafür, dass die deutschen Nachbarn unsere Grenzen respektierten, im böhmischen Wald nicht unberechtigt Bäume schlugen, dort nicht jagten und sich keines sonstigen Frevels schuldig machten. Dabei, so wird in alten Chroniken berichtet, hatten die Choden manch blutige Auseinandersetzung mit bayrischen Wilddieben und vor allem mit den von Furth her einfallenden Räubern zu bestehen. Auf diesen Streifzügen und Wachtgängen waren ihnen ihre großen und starken Hunde zuverlässige Begleiter, und als Waffe hatten sie ihren Tschakan2 und später ein kurzes oder langes Gewehr. Ihre Waffen durften sie auch in Zeiten tragen, da dies laut Ratsbeschluss allen übrigen Bewohnern des Königreichs verboten war. Wann immer der tschechische König ihr Gebiet durchreiste, hießen ihn die Choden in Waffen und unter ihrem Banner, das einen Hundskopf als Wappentier trug, willkommen, bewirteten ihn nach alter Sitte mit einem Fässchen Honig und gaben ihm über die Berge bis zur Grenze das Ehrengeleit. Für ihre schweren und gefahrvollen Dienste genossen die Choden besondere Vergünstigungen und Rechte. Seit Menschengedenken waren sie ein freies Volk, keiner Obrigkeit, nur dem König allein untertan. In ihrem Gebiet durfte kein Adliger Land ankaufen oder sich niederlassen. Fronarbeiten und sonstige Untertanendienste, welche die bäuerliche Bevölkerung schwer belasteten, leisteten die Choden nicht. Die von ihnen bewachten Wälder durften sie nach ihrem Willen nutzen und in alten Zeiten dort auch ungehindert jagen und ihre Kräfte an Bären und Wölfen stählen, von denen es im 17. Jahrhundert im Böhmerwald noch genügend gab. Sie zahlten im ganzen Königreich weder Zoll noch Wegegelder. In ihrem Gebiet konnten sie jegliches Handwerk ausüben, ungehindert umsiedeln sowie einheiraten und hatten freies Versammlungsrecht. Ihr eigenes Gericht, das Chodenrecht, tagte jeden vierten Sonntag auf ihrer Burg, dem Schloss von Domazlice. Es setzte sich aus dem von der königlichen Regierung ernannten Chodenrichter, den Schöffen und den Dorfrichtern aus den Chodendörfern zusammen. Auf dem Chodenschloss hatten die höchsten Amtspersonen der Choden ihren Sitz: der Domazlicer Burggraf oder Bezirkshauptmann, der Chodenrichter und ein vereidigter Schreiber. In diesem Schloss bewahrten sie ihr Banner, das Petschaft und die Privilegien auf, die ihnen die Könige Johann von Luxemburg, Karl IV., Wenzel IV., Georg von Podebrady und andere verliehen hatten. Dort versammelten sie sich, wenn es erforderlich war, auch unter Waffen, und in Kriegszeiten brachten sie hier ihre Frauen, ihre Kinder und die wichtigste Habe in Sicherheit. Zum letzten Mal verrichteten die Choden ihren Dienst im Schicksalsjahr 1620, indem sie an besonders gefährdeten Punkten entlang der bayrischen Grenze Sperren und Verhaue errichteten. Damals befahl ihnen Friedrich, der Winterkönig, auf das strengste, entsprechend ihrer Verpflichtung und wegen der Ordnung in jedem ihrer Dörfer nicht nur bei Tage, sondern vor allem in der Nacht Wache zu halten und diese Orte gegen unverhoffte feindliche Einfälle zu verteidigen, ununterbrochen bis zu einer bestimmten Zeit dort zu verbleiben, nicht vor einer angemessenen Zeit am Tag oder auch des Nachts wegzugehen sowie sich ein geziemendes Kampfbanner zu schaffen, das eine Person tragen könne und auf das alle ihren Eid leisten. Und damit bei diesem Wachdienst eine feste Ordnung eingehalten wird, soll immer einen Tag der Richter und den andern\Tag der Schreiber bei ihnen bleiben. Damals tönte zum letzten Mal das Rufen der Chodenwachen durch den winterlichen Forst des Böhmerwalds, damals wehte zum letzten Mal das weiße, schwarzgesäumte Banner mit dem Hundekopf über den Häuptern der tschechischen Grenzhüter. Dann kam die Schlacht am Weißen Berg. Das Elend erreichte mit wildem Wüten auch die abgelegenen Berggegenden des freien Chodenlands. Am vierzigsten Tag nach der Hinrichtung auf dem Altstädter Ring wurden die freien Choden durch ein Dekret Karls von Lichtenstein, Statthalter des Kaisers, für 7500 Gulden dem Reichshofrat Wolf Wilhelm Lamminger, Freiherrn von Albenr…
Autorentext
Alois Jirásek (* 23. August 1851 in Hronov; + 12. März 1930 in Prag) war ein tschechischer Schriftsteller und Historiker. In seinen Werken konzentrierte er sich hauptsächlich auf historische Romane und trug so zur Bildung des tschechischen Geschichtsbewusstseins bei. Als einer der ersten tschechischen Schriftsteller unterschrieb er im Jahre 1917 das Manifest für die Gründung eines selbständigen tschechischen Staates. Er war Mitglied Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Im Jahr 1921 war Jirásek ein Kandidat für den Literatur-Nobelpreis.[
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In alten Zeiten besaß das tschechische Königreich einen natürlichen und starken Schutzwall in den tiefen Wäldern, die sich von den Kämmen der Grenzberge über viele Meilen ins Innere des Landes erstreckten. Es waren Bollwerke, vor allem dazu bestimmt, die durch den dichten Wald führenden Übergänge zu schützen und gleichzeitig die irdischen Pforten, die zum Schutz der Grenzübergänge errichteten Festungen und Schanzen, zu behüten. Allmählich, vor allem im 13. Jahrhundert, als immer mehr fremde Ansiedler in dieses Land drängten, hörten sogar unsere Könige auf, die Grenzwälder als Schutzwälle des Landes zu schonen, und ließen die Fremdlinge einen Forst nach dem andern abholzen. Am längsten blieb der Grenzwald an der Westseite, nach Bayern zu, an den Hängen und am Fuß des herrlichen Böhmerwalds, erhalten. Einen Teil davon sowie die wichtigsten Wege, die von Domazlice nach Deutschland führten, beschützten seit Menschengedenken die Choden, ein markiges, abgehärtetes Volk stattlicher und rechtschaffener Menschen. Ihre Dörfer, einst dicht an den Rändern der königlichen Wälder erbaut, liegen in Tälern oder auf Höhen, immer aber so, dass sie in Richtung zur Grenze Hügel oder Berge vor sich haben, denen sie sich wie natürlichen Bastionen gegen den Feind anschmiegen. Sie sind über ein etwa sechs Meilen langes Gebiet entlang der Grenze an Übergängen und den wichtigsten Grenzpfaden verstreut. So liegen von Domazlice südöstlich die Dörfer Chodskä Lhota und Pocinovice, nordwestlich davon, zwischen den Straßen nach Vseruby und Furth, liegen Klicov, Mräkov, Tlumacov und Sträz und am weitesten nordwestlich von hier, nahe der Straße nach Waldmünchen, die Dörfer Üjezd, Drazenov, Postrekov, Chodov und der jetzige Marktflecken Klenci. Wann sich die Choden, diese tschechischen Grenzhüter, hier ansiedelten, ist nicht genau bekannt. Nur so viel ist sicher, dass sie ihren Dienst standhaft versahen, dass sie zu Zeiten feindlicher Einfälle die Wege und Pfade verteidigten und dass sie in allen Kämpfen und Schlachten, die in ihrem Gebiet und in seiner Umgebung stattfanden, wacker ihren Mann standen. Ebenso ist bekannt, dass sie dem Fürsten Bretislav tapfer halfen, bei Brüdek die Deutschen zu schlagen, und es steht außer Zweifel, dass sie sich auch in den übrigen Kämpfen, namentlich während der ruhmreichen Hussitenzeit, nicht schonten. In Friedenszeiten liefen1 sie auf Streifgängen entlang der Grenze und sorgten dafür, dass die deutschen Nachbarn unsere Grenzen respektierten, im böhmischen Wald nicht unberechtigt Bäume schlugen, dort nicht jagten und sich keines sonstigen Frevels schuldig machten. Dabei, so wird in alten Chroniken berichtet, hatten die Choden manch blutige Auseinandersetzung mit bayrischen Wilddieben und vor allem mit den von Furth her einfallenden Räubern zu bestehen. Auf diesen Streifzügen und Wachtgängen waren ihnen ihre großen und starken Hunde zuverlässige Begleiter, und als Waffe hatten sie ihren Tschakan2 und später ein kurzes oder langes Gewehr. Ihre Waffen durften sie auch in Zeiten tragen, da dies laut Ratsbeschluss allen übrigen Bewohnern des Königreichs verboten war. Wann immer der tschechische König ihr Gebiet durchreiste, hießen ihn die Choden in Waffen und unter ihrem Banner, das einen Hundskopf als Wappentier trug, willkommen, bewirteten ihn nach alter Sitte mit einem Fässchen Honig und gaben ihm über die Berge bis zur Grenze das Ehrengeleit. Für ihre schweren und gefahrvollen Dienste genossen die Choden besondere Vergünstigungen und Rechte. Seit Menschengedenken waren sie ein freies Volk, keiner Obrigkeit, nur dem König allein untertan. In ihrem Gebiet durfte kein Adliger Land ankaufen oder sich niederlassen. Fronarbeiten und sonstige Untertanendienste, welche die bäuerliche Bevölkerung schwer belasteten, leisteten die Choden nicht. Die von ihnen bewachten Wälder durften sie nach ihrem Willen nutzen und in alten Zeiten dort auch ungehindert jagen und ihre Kräfte an Bären und Wölfen stählen, von denen es im 17. Jahrhundert im Böhmerwald noch genügend gab. Sie zahlten im ganzen Königreich weder Zoll noch Wegegelder. In ihrem Gebiet konnten sie jegliches Handwerk ausüben, ungehindert umsiedeln sowie einheiraten und hatten freies Versammlungsrecht. Ihr eigenes Gericht, das Chodenrecht, tagte jeden vierten Sonntag auf ihrer Burg, dem Schloss von Domazlice. Es setzte sich aus dem von der königlichen Regierung ernannten Chodenrichter, den Schöffen und den Dorfrichtern aus den Chodendörfern zusammen. Auf dem Chodenschloss hatten die höchsten Amtspersonen der Choden ihren Sitz: der Domazlicer Burggraf oder Bezirkshauptmann, der Chodenrichter und ein vereidigter Schreiber. In diesem Schloss bewahrten sie ihr Banner, das Petschaft und die Privilegien auf, die ihnen die Könige Johann von Luxemburg, Karl IV., Wenzel IV., Georg von Podebrady und andere verliehen hatten. Dort versammelten sie sich, wenn es erforderlich war, auch unter Waffen, und in Kriegszeiten brachten sie hier ihre Frauen, ihre Kinder und die wichtigste Habe in Sicherheit. Zum letzten Mal verrichteten die Choden ihren Dienst im Schicksalsjahr 1620, indem sie an besonders gefährdeten Punkten entlang der bayrischen Grenze Sperren und Verhaue errichteten. Damals befahl ihnen Friedrich, der Winterkönig, auf das strengste, entsprechend ihrer Verpflichtung und wegen der Ordnung in jedem ihrer Dörfer nicht nur bei Tage, sondern vor allem in der Nacht Wache zu halten und diese Orte gegen unverhoffte feindliche Einfälle zu verteidigen, ununterbrochen bis zu einer bestimmten Zeit dort zu verbleiben, nicht vor einer angemessenen Zeit am Tag oder auch des Nachts wegzugehen sowie sich ein geziemendes Kampfbanner zu schaffen, das eine Person tragen könne und auf das alle ihren Eid leisten. Und damit bei diesem Wachdienst eine feste Ordnung eingehalten wird, soll immer einen Tag der Richter und den andern\Tag der Schreiber bei ihnen bleiben. Damals tönte zum letzten Mal das Rufen der Chodenwachen durch den winterlichen Forst des Böhmerwalds, damals wehte zum letzten Mal das weiße, schwarzgesäumte Banner mit dem Hundekopf über den Häuptern der tschechischen Grenzhüter. Dann kam die Schlacht am Weißen Berg. Das Elend erreichte mit wildem Wüten auch die abgelegenen Berggegenden des freien Chodenlands. Am vierzigsten Tag nach der Hinrichtung auf dem Altstädter Ring wurden die freien Choden durch ein Dekret Karls von Lichtenstein, Statthalter des Kaisers, für 7500 Gulden dem Reichshofrat Wolf Wilhelm Lamminger, Freiherrn von Albenr…
Titel
Die Hundsköpfe
Untertitel
ein historischer Roman aus Böhmen
Autor
EAN
9783961272839
Format
E-Book (pdf)
Altersempfehlung
ab 14 Jahre
Hersteller
Genre
Veröffentlichung
30.04.2022
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.59 MB
Anzahl Seiten
100
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv
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