Charlotte Hardings Leben hat dramatische Wendungen genommen: Zuerst wurde ihr Mann ermordet, dann stellte sich heraus, dass ihr neugeborener Sohn blind ist. Doch Charlotte ist fest entschlossen, für sich und ihren Sohn eine neue Zukunft aufzubauen. Mit Fleiß und harter Arbeit schafft sie es, sich als Schneiderin zu etablieren. Sogar ein zarter Hoffnungsschimmer des Glücks fällt in ihr Leben, als sie dem charmanten Barrett Landry begegnet. Doch das Gefühl der Sicherheit ist trügerisch: Die dunklen Schatten der Vergangenheit drohen Charlotte bald einzuholen

Autorentext

Amanda Cabot lebt mit ihrem Mann in Wyoming, USA, und machte zunächst als Informatikerin Karriere, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft fürs Schreiben widmete. Ihre Romane waren bereits für zahlreiche Preise nominiert.



Leseprobe
Kapitel 1 Cheyenne, Wyoming-Territorium, Oktober 1886 Es war nur der Wind. Charlotte schlang die Arme um sich und versuchte sich davon zu überzeugen, dass es keinen Grund gab, wie Espenlaub zu zittern. Das Knarren, das sie aufgeweckt hatte, kam vom Gebäude, das unter dem stürmischen Wind bebte. Das war alles. Niemand war eingebrochen. Niemand hatte sie gefunden. Sie und David waren sicher. Aber die beruhigenden Gedanken führten zu nichts. Das taten sie nie. Mit einem Seufzer machte Charlotte sich an der Lampe zu schaffen. Als die gedämpfte, gelbliche Flamme die Dunkelheit vertrieb, schlüpfte sie in ihre Hausschuhe und tappte durch den Raum. Vermutlich war es dumm von ihr. Sie konnte doch sehen, dass der Eindringling nicht mehr als ein Hirngespinst war, das Produkt ihrer Ängste. Ihr Schlafzimmer war von David einmal abgesehen leer. Liebster David. Die Liebe ihres Lebens. Charlotte stand neben seinem Gitterbett und sah auf die roten Haare hinab, die so sehr den Haaren seines Vaters ähnelten. Abgesehen von seinen Augen, die denselben Braunton hatten wie ihre eigenen, war ihr Sohn das Ebenbild seines Vaters. Das Zittern, das sie hatte unterdrücken können, kehrte zurück, als sie von Gedanken an Davids Vater überfallen wurde und von den Ängsten, die diese Gedanken immer begleiteten. Sie holte einmal tief Luft, um sich zu beruhigen, und schüttelte den Kopf. Sie musste aufhören, sich so viele Sorgen zu machen. Es war schon fast ein Jahr her, dass sie nach Cheyenne gezogen war, und niemand war gekommen, um nach ihr und David zu suchen. Sie hatte alles getan, was in ihrer Macht stand, um sicherzustellen, dass niemand von ihrem früheren Leben in Fort Laramie als Ehefrau von Oberleutnant Jeffrey Crowley erfuhr. Was sie am meisten fürchtete, würde nicht passieren. Der Baron würde sie nicht finden. Obwohl die Lampe, die sie über das Gitterbett hielt, David nicht stören konnte, regte er sich. Vielleicht hatte das Geräusch ihrer Atmung oder der Duft ihres Eau de Toilette ihn geweckt. Mama, murmelte er und streckte seine Arme aus. Charlotte lächelte und stellte die Lampe auf den Boden. Sie wusste, was ihr Sohn wollte. Langsam strich sie seine Arme entlang, dann ließ sie ihn nach ihren Händen greifen. Ja, David, Mama ist wach, aber du musst weiterschlafen. Sie summte leise, als sie ihm einen Kuss auf die Stirn drückte. Schlaf jetzt. Als seine Atmung wieder tief und regelmäßig ging, verblasste Charlottes Lächeln. Heute war der erste Geburtstag ihres Sohnes. Obwohl sie nur dieses wundervolle Ereignis feiern wollte, konnte sie nicht vergessen, dass heute ebenfalls der Jahrestag von Jeffreys Tod war. Heute vor einem Jahr hatte sich ihr Leben für immer verändert. Die verwöhnte, verhätschelte Charlotte Crowley existierte nicht mehr. Sie war von Charlotte Harding ersetzt worden, einer Frau, die gelernt hatte, dass das Leben zwar schwieriger sein konnte, als sie es für möglich gehalten hatte, aber auch viele unglaublich schöne Augenblicke enthielt. Obwohl dieses Jahr völlig anders verlaufen war, als sie es sich jemals erträumt hatte, bedauerte Charlotte nicht, was es gebracht hatte. Sie hatte neue Freunde gefunden und sich ein neues Leben in einer neuen Stadt aufgebaut. Sie hatte gelernt, dass sie unabhängig sein konnte. Und das Beste von allem: Sie hatte ihren Sohn beschützt. Das war die Lügen wert. Gentlemen, ich rufe diese Versammlung zur Ordnung. Barrett Landry schlug mit der Faust auf den Tisch. Seine Gäste blickten erstaunt auf. Eine Versammlung? Warren Duncan zündete seine Zigarre an und nahm einen tiefen Zug. Ich dachte, es wäre nur eine Gelegenheit, das hervorragende Essen von Mrs Melnor zu genießen. Warren, im Vergleich zu Barretts anderem Gast der ältere, war ein vornehm aussehender Mann mit stahlgrauem Haar, hellblauen Augen und einer Nase, die jeden Habicht mit Stolz erfüllt hätte. Obwohl er abgesehen von seinem Abschluss an einer nicht näher benannten juristischen Fakultät nur wenig über seinen Hintergrund verriet, veranlasste seine kultivierte Sprache Barrett zu der Annahme, dass er ursprünglich aus dem Osten stammte, vielleicht sogar aus Boston. Aber Barrett war nicht neugierig. Wenn es etwas gab, das er seit seiner Ankunft in Cheyenne gelernt hatte, dann war es die Erkenntnis, dass die Vergangenheit eines Mannes am besten in der Vergangenheit aufgehoben war. Er hatte ganz sicher nicht das Bedürfnis, zu viele Einzelheiten seines eigenen Lebens preiszugeben. Richard Eberhardt lehnte sich vor, wobei seine wachen braunen Augen funkelten. Bedeutet diese Ankündigung, dass du zur Vernunft gekommen bist und entschieden hast, unseren Rat anzunehmen? Ja, du hast recht. Barrett lächelte seinem Freund zu. Richard war beinahe ein Jahrzehnt älter als Barrett, der mittlerweile dreißig Jahre alt war. Mit seiner hageren, groß gewachsenen Gestalt war Richard kein Mann, den man als gut aussehend bezeichnen würde. Und doch vermittelte sein selbstsicherer Gang dem Betrachter, dass man ihn nicht übersehen sollte. Die Kombination aus seinem scharfen Verstand und der Fähigkeit, alles zu Gold zu machen, was er berührte, hatte Richard in einen der reichsten Kaufleute der Stadt verwandelt. Die Fahrt nach Rawlins war der letzte Schritt, sagte Barrett zu seinen Ratgebern. Die Parteiversammlung hatte Richards und Warrens Behauptungen bestätigt: Die politischen Machthaber suchten tatsächlich nach Nachfolgern und räumten Barrett dabei gute Aussichten ein. Wenn alles so verlief, wie er sich erhoffte, würden sogar die Bewohner von Northwick und Pennsylvania zugeben müssen, dass Barrett Landry ein wichtiger Mann war. Und so, Gentlemen Barrett hielt inne, als ein leises Klopfen die Ankunft des Butlers signalisierte. Erst als Mr Bradley das Tablett mit dem Kaffee und den Zimtrollen auf den niedrigen Tisch gestellt und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, fuhr Barrett mit seiner Ankündigung fort. Ihr seht einen Mann vor sich, der darauf hofft, diesen ausgezeichneten Bezirk in Zukunft mitzuregieren. Halleluja! Warren hob seine Zigarre zum Gruß. Das schreit nach einer Runde Brandy. Das Verhalten von Barretts Anwalt war wie immer vorhersehbar. Beim Anblick des Kaffees gab er einen melodramatischen Seufzer von sich, bevor er erneut an seiner Zigarre zog. Richard, der weniger Interesse an starken Spirituosen hatte, goss sich eine Tasse Kaffee ein. Die drei Männer saßen in dem Raum, den der Architekt das Frühstückszimmer genannt hatte, vielleicht weil es im hinteren Bereich des Hauses lag und nach Osten zeigte. Heute Morgen war der Sonnenschein so stark, dass Barrett die schweren Samtvorhänge halb zugezogen hatte. Dadurch war der Raum immer noch lichtdurchflutet, aber nicht mehr gleißend hell. Brandy? Barrett rührte einen Teelöffel Zucker in seinen Kaffee. Du weißt, dass du keine starken Drinks in meinem Haus finden wirst. Und bevor du nach der Feldflasche greifst, von der ich weiß, dass du sie immer bei dir hast, solltest du daran denken, dass wir unseren Verstand brauchen, wenn wir eine Strategie ausarbeiten wollen. Richard lehnte sich in den gepolsterten Ledersessel zurück, wobei er einen Teller auf seinen Knien balancierte. Was für eine Strategie? Es…
Titel
Ein verheißungsvoller Frühling
EAN
9783868278446
ISBN
978-3-86827-844-6
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
01.02.2015
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.78 MB
Anzahl Seiten
368
Jahr
2015
Untertitel
Deutsch
Auflage
1., Auflage
Lesemotiv