Zu Korruptionskritik ist gegenwärtig national und international viel zu hören, nur wenige Beiträge allerdings entstammen der Theologie. Das hat auch mit begrifflichen Unklarheiten zu tun. Von geschäftlichen »Gefälligkeiten« und Abgeordnetenbestechung in Antike und Moderne über das mittelalterliche Ablasswesen und den noch lange üblichen Ämterkauf bis hin zur Verwendung des Korruptionsbegriffs als Instrument im politischen Kampf reicht das Spektrum. Begegnen will man der Korruption vor allem durch die Verabschiedung scharfer Gesetze. So unterstützenswert solche Maßnahmen sind, ihre weitgehende Wirkungslosigkeit bekräftigt die theologische Einsicht, dass Korruption mit der grundsätzlichen »Sündhaftigkeit« des Menschen zu tun hat. Daher muss es neben der Unterstützung juristischer und wirtschaftlicher Vorgehensweisen im Kampf gegen die Korruption auch Aufgabe christlicher Kirchen sein aufzuweisen, wie sehr Korruption als »Habgier« die Grundlagen unserer Gesellschaft zu zerstören droht und wie aus der Perspektive des christlichen Menschenbildes solches Verhalten überwunden werden kann. [The Fight against Corruption. Theological Approaches and Requests in History and Present] Currently there is to hear so much about the fighting against corruption nationally and internationally, but only a few posts come from the theology. This also has to do with conceptual ambiguities. The spectrum extends from business »favors« and MPs bribery in antiquity and modernity, about medieval indulgences, and the long until the present usual purchase of offices, up to using the term 'corruption' as a tool in political struggles. Often one wants to counter corruption in particular through the adoption of harsh laws. So worth supporting such measures, their widespread ineffectiveness affirms the theological insight that corruption has to do with the basic »sinfulness« of man. Therefore, it must be also the task of Christian churches in addition to supporting juridical and economic practices in the fight against corruption to exhibit first, how much corruption threatens to destroy the foundations of our society in the framework of the popular image of man embossed by rationality, but also by greed, and then, how this thinking and behavior can be overcome from the perspective of the Christian human being.

Andreas Pawlas, Dr. theol., Jahrgang 1946, studierte Wirtschaftswissenschaften und Theologie in Hamburg und Bethel. Er war als Pastor tätig, als Militärdekan an der Führungsakademie der Bundeswehr/Hamburg sowie als Leiter diakonischer Einrichtungen in Barmstedt. Seit 2001 ist er Gastprofessor an der Theologischen Fakultät in Tartu/Estland und hat Lehraufträge in Kiel und Hamburg.

Autorentext
Andreas Pawlas, Dr. theol., Jahrgang 1946, studierte Wirtschaftswissenschaften und Theologie in Hamburg und Bethel. Er war als Pastor tätig, als Militärdekan an der Führungsakademie der Bundeswehr/Hamburg sowie als Leiter diakonischer Einrichtungen in Barmstedt. Seit 2001 ist er Gastprofessor an der Theologischen Fakultät in Tartu/Estland und hat Lehraufträge in Kiel und Hamburg.

Leseprobe
II DAS PHÄNOMEN DER KORRUPTION NACH POPULÄREN ZEUGEN DER GEGENWART

Lange Zeit war es unvorstellbar, deutsche oder überhaupt westliche Lebenskultur mit Korruption in Verbindung zu bringen. Immerhin hatte Theodor Eschenburg 1959 die Wahrnehmung, dass man in Deutschland »mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang durch eine ehrliche öffentliche Verwaltung 'verwöhnt' worden sei«. Namentlich, dass die protestantische Ethik die Beamten davon abgehalten habe, korrupte Praktiken anzuwenden, weshalb andere Klassen es nicht einmal gewagt hätten zu bestechen. So habe der Abstand des öffentlichen Dienstes zu anderen Gruppen der Gesellschaft diesen vor Korruption geschützt. Allerdings fügte Eschenburg auch hinzu, dass sich dies mit der Gründung der Bundesrepublik geändert habe. Sodann wird etwa nicht das vielbeschriebene Phänomen des »Kölner Klüngel«35 breit entfaltet. Vielmehr fährt Eschenburg fort, dass man jetzt nicht nur wirtschaftliche Korruption, sondern auch politische habe.36 Damit beginnt er einen von vielen Autoren fortgesetzten Reigen von Klagen über Korruption, nicht nur in weit entfernten Ländern, sondern unmittelbar in Deutschland selbst,37die in der verächtlichen Bezeichnung »korrupte Republik« kulminieren.38

1 VIEL BEKLAGTE KORRUPTIONSFÄLLE IN DEUTSCHLAND

Schaut man in Hinsicht auf Korruptionsskandale in die jüngere Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, so werden von den einschlägig Versierten genügend Beispiele aufgezählt und beklagt: beginnend 1949 mit der »Hauptstadt-Affäre«, fortgesetzt 1958/59 mit der »Leihwagen-Affäre«, 1958 - 1966 mit der HS-30-Affäre, der Affäre um die »Neue Heimat«44, der Flick-Affäre und dem »Kölschen Klüngel«, der Affäre um die Fuchs-Panzer und Airbus-Flugzeuge, die Provisionszahlungen des französischen Mineralölkonzerns Elf Aquitaine beim Kauf von Leuna-Werken und Minol-Tankstellennetz usw.45 Ergänzt wird diese bundesweite Liste gerne um die Namen Siemens46, VW47, AOK48, Trieniken49, Kohl50 und Schröder/Gazprom51 sowie um einige regionale Skandale, wie den um den Berliner TÜV52, die Dresdener Ausländerbehörde53 oder das Frankfurter Straßenbauamt54.

A) DIE FLICK-AFFÄRE

Nach allem, was sich in der Flick-Affäre aufdecken ließ, halten verschiedene sich mit der Korruption befassende Autoren diese für das bis dahin »unangefochtene zentrale Lehrstück in Sachen 'politische Kultur' in der Bundesrepublik«55. In der Affäre scheint deutlich zu werden, wie nachdrücklich und über welch langen Zeitraum ein großes Industrieunternehmen auf verschiedenen Feldern deutscher Politik versucht hatte, durch den Einsatz finanzieller Mittel Einfluss zu gewinnen. Dabei ging es nicht nur darum, für die Friedrich Flick KG und deren Tochtergesellschaften, wie Krauss-Maffei, Feldmühle AG, Maxhütte, Dynamit Nobel, sowie noch ca. 100 weiteren Beteiligungsgesellschaften im In- und Ausland, unmittelbare firmenpolitische Interessen wahrzunehmen, sondern auch »allgemein-industriepolitische Ziele« zu erreichen. Der Konzern setzte 1983 insgesamt ca. 10 Milliarden DM um und beschäftigte ca. 45.000 Mitarbeiter.56

»Vor allem große Wirtschaftsunternehmen in Deutschland haben es stets als ihre Aufgabe angesehen, im gesellschaftlichen und politischen Bereich durch finanzielle Zuwendungen zu helfen. Das gilt im besonderen Maße für den Flick-Konzern.«63

Hierfür sei im Untersuchungszeitraum im Flick-Konzern der persönlich haftende Gesell

Titel
Kampf der Korruption
Untertitel
Theologische Ansätze und Anfragen in Geschichte und Gegenwart
EAN
9783374048632
ISBN
978-3-374-04863-2
Format
E-Book (epub)
Veröffentlichung
28.02.2017
Digitaler Kopierschutz
frei
Anzahl Seiten
394
Jahr
2017
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet