Autorentext
Bettina Schuler, geboren 1975, lebt und arbeitet in Berlin. Sie hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Geschichte und Germanistik in Köln und Paris studiert. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin hat sie vor einigen Jahren eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht. Seit einem Jahr gibt sie Yogakurse in einem Flüchtlingsheim in Berlin, wo sie Familie Idrees kennengelernt hat.
Klappentext
Gibt es eigentlich Bio-Essen in der Schulkantine? Wer betreut die nächste Klassenfahrt? Und wo kommen die ganzen verdammten Läuse her? Wenn Ihnen diese Fragen bekannt vorkommen, dann waren Sie wahrscheinlich schon mal auf einem Elternabend. In Schlachtfeld Elternabendhaben nun endlich Eltern und Lehrer aus ganz Deutschland ihre besten Elternabend-Geschichten zusammengetragen. Kurzweilig und unterhaltsam erzählen sie von überbesorgten Helikoptermüttern, überforderten Lehrern und ahnungslosen Vätern - eben dem ganz normalen Elternabend-Wahnsinn. »Wenn kleine Soldaten nicht mehr weiterwissen, dann werden große Generäle gerufen, um den Fortlauf des Krieges zu besprechen. Das nennt man dann Elternabend. Für Eltern und Lehrer ist dieses Buch ein Muss.« Kai Twilfer, Bestsellerautor von Schantall, tu ma die Omma winken!
Leseprobe
RABENMUTTER
"Ist dir eigentlich schon aufgefallen, wie Paul den Füller hält?", rief mir meine Schwägerin aus der Küche zu.
Ich war im Bad und wickelte meine Tochter. Jedenfalls versuchte ich das. Sie strampelte so wild, dass man den Eindruck bekam, sie hätte sechs Beine. Mindestens. Als ich endlich fertig war, wurde mir mit einem Schlag klar, wo der Ausdruck "schiefgewickelt" herkam.
"Wie bitte?", keuchte ich atemlos, schnappte mir das sechsbeinige Strampeltier und ging in die Küche zurück.
"Na, den Füller." Sie saß neben Paul am Küchentisch und zeigte auf die Hand meines Sohnes. "Er hält ihn total falsch."
Paul warf mir einen flehenden Blick zu. Ich sah seine füllerhaltende Hand an und dann das Heft, in das er seine Hausaufgabe schrieb. Im ersten Moment fand ich eigentlich, dass das alles ganz gut aussah. Okay, ein Sternchen für Schönschrift bekäme er vielleicht nicht, aber leserlich sahen die drei Zeilen, die er geschrieben hatte, schon aus.
"Ich würde sowieso viel lieber mit Kugelschreiber schreiben", maulte Paul.
Meine Schwägerin schüttelte energisch den Kopf. "In der Grundschule wird mit Füller geschrieben. Punkt. Das kündige ich immer gleich beim ersten Elternabend der ersten Klassen an. Eure Lehrer doch auch, oder?" Bei der Frage wandte sie ihren Blick von Paul zu mir.
Meine Schwägerin ist Grundschullehrerin. Zum Glück nicht an Pauls Schule. Ich hatte keine Ahnung, wie das dort mit dem Füller gehandhabt wurde. Der erste Elternabend war ja immerhin schon vier Jahre her.
"Bestimmt", sagte ich vorsichtshalber.
Mein Sohn schlug sein Heft zu und wollte aufstehen, als meine Schwägerin ihn am Arm festhielt.
"Halt. Du hast einen Fehler gemacht. Wie schreibt man ›Anorakkapuze?‹"
Paul klappte sein Heft wieder auf. "So wohl nicht", murmelte er.
Entschlossen strich sie das Wort durch, drückte meinem Sohn den Füller in die Hand und bog ihm die Finger zurecht.
"Da gehören zwei K hin. Anorak endet mit einem K und Kapuze fängt mit einem an."
Während Paul das Wort korrigierte, sah mich meine Schwägerin vorwurfsvoll an. "Machst du denn keine Hausaufgaben mit ihm?"
"Ähem", stammelte ich, "eigentlich nicht. Nur wenn er mich darum bittet. Also, wenn er etwas nicht versteht, oder so", fügte ich etwas lahm hinzu.
"Als Lehrerin rate ich meinen Eltern immer wieder, ihre Kinder bei den Hausaufgaben zu begleiten. Eine ordentliche Unterstützung ..."
Glücklicherweise krabbelte meine Tochter genau in diesem Moment gegen das Tischbein und fing an zu heulen. Meine Schwägerin verstummte. Paul schmiss den Füller in sein Mäppchen und verzog sich mit erleichterter Miene in sein Zimmer.
Als meine Tochter mit dem Weinen aufgehört hatte, führte meine Schwägerin ihren belehrenden Vortrag augenblicklich fort: "Erst beim letzten Elternabend musste ich meine Eltern zum wiederholten Male daran erinnern, dass ..."
Diesmal rettete mich das Telefon.
"Hallo", tönte eine hohe Stimme aus dem Apparat, "hier spricht Hannah. Ist Paul da? Ich wollte fragen, was wir heute aufhaben. Ich bin nämlich krank", schniefte sie zur Erklärung dazu.
"Paul", rief ich die Treppe hoch, "Telefon!"
"Ich bin auf Klo", brüllte er die Treppe herunter.
"Paul kann gerade nicht", sagte ich in den Hörer, "ich gucke mal, ob ich sein Hausaufgabenheft finde."
Pauls Ranzen stand noch am Tisch. Da