Kentucky 1964. Es ist ein bunter Haufen, der da im beschaulichen Hollyhill zusammenwohnt. Vater David ist der Herausgeber der örtlichen Zeitung, träumt aber von einer Anstellung als Pastor. Seine 13-jährige Tochter Jocie wünscht sich nichts sehnlicher als einen Hund und dass ihre Schwester, die sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen hat, in den Schoß der Familie zurückkehrt. Die exzentrische Tante Love wird mit ihren 78 Jahren zunehmend vergesslicher, wirft permanent mit Bibelversen um sich und hütet ein dunkles Geheimnis. Als Jocies Gebete erhört werden und ihnen nicht nur ein Hund zuläuft, sondern auch ihre Schwester Tabitha plötzlich vor der Tür steht, überschlagen sich die Ereignisse.
Autorentext
Ann Gabhart hat bereits mit zehn Jahren ihre Liebe zum Schreiben entdeckt. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt auf einer Farm in Kentucky. »Der Duft von Flieder« ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erscheint.
Leseprobe
1 An manchen Tagen wusste David Brooke nicht, ob er für das, was er hatte, dankbar sein oder es lieber verdrängen sollte. Er war früh aus der Zeitungsredaktion nach Hause gekommen, da sich der Juni in diesem Frühsommer 1964 wie eine Henne aufplusterte und im Staub niederließ, als wollte er es langsam angehen lassen. Die Schulen von Hollyhill waren bis September verwaist, also gab es keinen von irgendwelchen Elternbeiräten veranstalteten Tag der offenen Tür oder Veranstaltungen in Jugendklubs, über die man hätte berichten können. Die größte Story, die David für die Ausgabe dieser Woche hatte auftun können, war die Zwillingsgeburt von Holstein-Kälbern im Stall von Ben Carlton. Er hatte bereits Fotos von Bens kleiner Tochter Cindy gemacht, wie sie die schwarzbunten Kälber mit der Flasche fütterte, und Wes gebeten, das Bild auf die Titelseite zu setzen. Der Anblick von Tierbabys und einem Mädchen mit Sommersprossen dürften diese Woche ein paar Dutzend zusätzliche Zeitungen über die Ladentheke wandern lassen. Manchmal wäre es schön gewesen, oder zumindest interessant, ein paar echte Nachrichten zu haben, mit denen er die Seite des Hollyhill Banner füllen könnte, aber in der Regel bedeuteten richtige Nachrichten, dass etwas Schlimmes geschehen war. Insofern konnte langweilig und friedlich durchaus ein Vorteil sein. Außerdem hatte er dadurch, dass er nicht den ganzen Samstag in der Redaktion verbringen musste, mehr Zeit, an seiner Predigt für den Sonntag zu arbeiten. Und morgen brauchte er eine gute Predigt, wenn er wollte, dass die Gemeinde von Mt. Pleasant ihn als Interimspastor berief. Immerhin war das Predigen seine erste Berufung. Die Zeitung war nur ein Nebenjob, um Fleisch auf den Tisch zu bringen. Das Gemüse bereitete ihm zu dieser Jahreszeit kein Kopfzerbrechen, da alle ganz wild darauf waren, ihm Bohnen, Zucchini und Kohl zu schenken, was Jocie gar nicht lustig fand. Warum können sie nicht zu viele Erdbeeren oder Himbeeren haben?, hatte sie gestern Abend gefragt, als sie wieder einmal vor einer Schüssel Kohleintopf saß. Seid dankbar für alles, hatte Tante Love zu Jocie gesagt. Es gibt Kinder, die nicht genug zu essen haben. David hatte die Luft angehalten und auf die Explosion gewartet, aber Jocie hatte nur gemurmelt: Für Erdbeeren könnte ich genauso dankbar sein. Jocie war dreizehn, also in Davids Augen kaum den Babyschuhen entwachsen, aus Jocies Sicht jedoch so gut wie erwachsen. Tante Love war achtundsiebzig und stand Jocies Meinung nach schon mit einem Bein im Grab. Die meiste Zeit stritten sich die beiden oder lebten in einem von David verhandelten Waffenstillstand unter einem Dach. Dass Tante Love in letzter Zeit immer öfter Dinge durcheinanderbrachte, machte die Sache nicht einfacher. Allerdings bereitete es ihr nie Probleme, passende Bibelverse aufzutischen, um Jocie an die Kandare zu nehmen. Jocies Benehmen hatte sich dadurch nicht wesentlich verändert, aber ihre Bibelkenntnis war deutlich besser geworden, da sie zu beweisen versuchte, dass Tante Love sich manche der Verse einfach ausdachte. Bis jetzt hatte sie Tante Love allerdings noch bei nichts Schlimmerem ertappt als bei Reinlichkeit kommt gleich nach Gottesfurcht, und Tante Love sagte, sie hätte nie behauptet, das stände in der Bibel, auch wenn viele Leute fänden, es sollte drinstehen. Aber jetzt erklangen Rufe bitte, lieber Gott, lass es kein Heulen sein! , die selbst das Geräusch des Ventilators und das im Luftzug raschelnde Papier auf dem Schreibtisch in der Ecke seines Schlafzimmers übertönten. Wie es schien, war der Waffenstillstand aufgehoben und Krieg ausgebrochen. David las noch einen Vers in seiner Bibel, nur für den Fall, dass er etwas Nützliches darin fand, bevor er seinen Schreibtischstuhl zurückschob. Wohl dem Menschen, der Weisheit erlangt, und dem Menschen, der Einsicht gewinnt! Selbst König Salomo hätte nicht bewirken können, dass Jocie und Tante Love Frieden schlossen. Als David am Fuß der Treppe ankam, war der Krieg bereits eskaliert. Tante Love zitierte Bibelverse am laufenden Band. Ihre Katze Sugar kreischte. Jocie brüllte und übertönte damit sogar das tiefe, laute Gebell, das jenseits der Fliegengittertür hinter David erklang und an den Wänden widerhallte. Davids Stimmung rutschte noch tiefer in den Keller. Sie hatten keinen Hund. Jocie hatte ein Bitte, Herr, schick mir einen Hund eingeworfen, als sie vor dem Abendessen das Dankgebet gesprochen hatte, aber David hatte gehofft, der Herr würde nur das Danke für unser Essen beachten und den Teil mit dem Hund geflissentlich überhören. Nicht, weil er etwas dagegen hatte, dass ein Hund im Haus war. Er mochte Hunde, aber er sah immer noch Jocies Gesicht vor sich, nachdem ihr letzter Hund vor ein Auto gelaufen war. Jocie hatte damals viel zu lange nicht mehr gegessen, nicht mehr geredet und nicht mehr gelächelt. David wusste allerdings, dass es nicht nur Stumpys Tod war, der sie so tief getroffen hatte. Als der Hund starb, war es gerade einmal einen Monat her gewesen, dass Adrienne mitten in der Nacht mit Tabitha verschwunden war. Wie lange war das jetzt her? Es erstaunte ihn immer wieder, dass er tatsächlich überlegen musste. Er müsste doch auf den Tag, die Stunde, ja die Minute genau wissen, wann seine Frau Hollyhill und ihn verlassen hatte. Es hätte ihn nicht überraschen dürfen. Sie hatte ihn oft genug gewarnt. Aber er war trotzdem überrascht gewesen. Schlimmer als überrascht. Er war schockiert gewesen. Am Boden zerstört. Verloren. Verletzt. All das und noch mehr. Manche Dinge konnte man mit Worten einfach nicht beschreiben. Diese Dinge trafen mitten ins Herz und zogen einem den Boden unter den Füßen fort. Und das Allerschlimmste war, dass sie Tabitha mitgenommen hatte. Seine kleine Tochter, die nachts noch mit einem Teddy im Arm schlief und ihn tagsüber anflehte, Lippenstift tragen zu dürfen. Er wusste noch immer nicht, warum Adrienne sie mitgenommen hatte. Um ihm einen letzten Stich zu versetzen vielleicht. Womöglich hatte sie darin eine wirksame Methode erkannt, um dafür zu sorgen, dass die Wunde, mit der sie ihre Familie zerstörte, keine Chance hatte zu heilen. Ein Mann mochte darüber hinwegkommen, dass er seine Frau verloren hatte, aber nicht über den Verlust seiner Tochter. Wie lange also war das her? Tabitha war damals dreizehn gewesen, so alt wie Jocie jetzt. Sieben Jahre. Tabitha würde nächsten Monat zwanzig werden. David fragte sich, ob sie wohl eine Torte zum Geburtstag bekam. Tabitha hatte immer so gerne die Kerzen auf dem Kuchen ausgepustet und sich etwas gewünscht. Sie hatte immer gesagt: Warum nur einen Wunsch? Warum nicht so viele Wünsche, wie Kerzen auf dem Kuchen stecken? Er hätte sie suchen sollen, um dafür zu sorgen, dass sie ihren Kuchen bekam. David verdrängte die Erinnerungen und trat auf die Veranda hi-naus. Was in aller Welt geht hier vor sich? 2 Jocie hatte den Hund in Johnson Woods gefunden. Der Wald hatte Jocies Großeltern gehört, bevor ihr Großvater gestorben war, und Jocie fand, dass sie deshalb das Recht hatte, …
Autorentext
Ann Gabhart hat bereits mit zehn Jahren ihre Liebe zum Schreiben entdeckt. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt auf einer Farm in Kentucky. »Der Duft von Flieder« ist ihr erster Roman, der auf Deutsch erscheint.
Leseprobe
1 An manchen Tagen wusste David Brooke nicht, ob er für das, was er hatte, dankbar sein oder es lieber verdrängen sollte. Er war früh aus der Zeitungsredaktion nach Hause gekommen, da sich der Juni in diesem Frühsommer 1964 wie eine Henne aufplusterte und im Staub niederließ, als wollte er es langsam angehen lassen. Die Schulen von Hollyhill waren bis September verwaist, also gab es keinen von irgendwelchen Elternbeiräten veranstalteten Tag der offenen Tür oder Veranstaltungen in Jugendklubs, über die man hätte berichten können. Die größte Story, die David für die Ausgabe dieser Woche hatte auftun können, war die Zwillingsgeburt von Holstein-Kälbern im Stall von Ben Carlton. Er hatte bereits Fotos von Bens kleiner Tochter Cindy gemacht, wie sie die schwarzbunten Kälber mit der Flasche fütterte, und Wes gebeten, das Bild auf die Titelseite zu setzen. Der Anblick von Tierbabys und einem Mädchen mit Sommersprossen dürften diese Woche ein paar Dutzend zusätzliche Zeitungen über die Ladentheke wandern lassen. Manchmal wäre es schön gewesen, oder zumindest interessant, ein paar echte Nachrichten zu haben, mit denen er die Seite des Hollyhill Banner füllen könnte, aber in der Regel bedeuteten richtige Nachrichten, dass etwas Schlimmes geschehen war. Insofern konnte langweilig und friedlich durchaus ein Vorteil sein. Außerdem hatte er dadurch, dass er nicht den ganzen Samstag in der Redaktion verbringen musste, mehr Zeit, an seiner Predigt für den Sonntag zu arbeiten. Und morgen brauchte er eine gute Predigt, wenn er wollte, dass die Gemeinde von Mt. Pleasant ihn als Interimspastor berief. Immerhin war das Predigen seine erste Berufung. Die Zeitung war nur ein Nebenjob, um Fleisch auf den Tisch zu bringen. Das Gemüse bereitete ihm zu dieser Jahreszeit kein Kopfzerbrechen, da alle ganz wild darauf waren, ihm Bohnen, Zucchini und Kohl zu schenken, was Jocie gar nicht lustig fand. Warum können sie nicht zu viele Erdbeeren oder Himbeeren haben?, hatte sie gestern Abend gefragt, als sie wieder einmal vor einer Schüssel Kohleintopf saß. Seid dankbar für alles, hatte Tante Love zu Jocie gesagt. Es gibt Kinder, die nicht genug zu essen haben. David hatte die Luft angehalten und auf die Explosion gewartet, aber Jocie hatte nur gemurmelt: Für Erdbeeren könnte ich genauso dankbar sein. Jocie war dreizehn, also in Davids Augen kaum den Babyschuhen entwachsen, aus Jocies Sicht jedoch so gut wie erwachsen. Tante Love war achtundsiebzig und stand Jocies Meinung nach schon mit einem Bein im Grab. Die meiste Zeit stritten sich die beiden oder lebten in einem von David verhandelten Waffenstillstand unter einem Dach. Dass Tante Love in letzter Zeit immer öfter Dinge durcheinanderbrachte, machte die Sache nicht einfacher. Allerdings bereitete es ihr nie Probleme, passende Bibelverse aufzutischen, um Jocie an die Kandare zu nehmen. Jocies Benehmen hatte sich dadurch nicht wesentlich verändert, aber ihre Bibelkenntnis war deutlich besser geworden, da sie zu beweisen versuchte, dass Tante Love sich manche der Verse einfach ausdachte. Bis jetzt hatte sie Tante Love allerdings noch bei nichts Schlimmerem ertappt als bei Reinlichkeit kommt gleich nach Gottesfurcht, und Tante Love sagte, sie hätte nie behauptet, das stände in der Bibel, auch wenn viele Leute fänden, es sollte drinstehen. Aber jetzt erklangen Rufe bitte, lieber Gott, lass es kein Heulen sein! , die selbst das Geräusch des Ventilators und das im Luftzug raschelnde Papier auf dem Schreibtisch in der Ecke seines Schlafzimmers übertönten. Wie es schien, war der Waffenstillstand aufgehoben und Krieg ausgebrochen. David las noch einen Vers in seiner Bibel, nur für den Fall, dass er etwas Nützliches darin fand, bevor er seinen Schreibtischstuhl zurückschob. Wohl dem Menschen, der Weisheit erlangt, und dem Menschen, der Einsicht gewinnt! Selbst König Salomo hätte nicht bewirken können, dass Jocie und Tante Love Frieden schlossen. Als David am Fuß der Treppe ankam, war der Krieg bereits eskaliert. Tante Love zitierte Bibelverse am laufenden Band. Ihre Katze Sugar kreischte. Jocie brüllte und übertönte damit sogar das tiefe, laute Gebell, das jenseits der Fliegengittertür hinter David erklang und an den Wänden widerhallte. Davids Stimmung rutschte noch tiefer in den Keller. Sie hatten keinen Hund. Jocie hatte ein Bitte, Herr, schick mir einen Hund eingeworfen, als sie vor dem Abendessen das Dankgebet gesprochen hatte, aber David hatte gehofft, der Herr würde nur das Danke für unser Essen beachten und den Teil mit dem Hund geflissentlich überhören. Nicht, weil er etwas dagegen hatte, dass ein Hund im Haus war. Er mochte Hunde, aber er sah immer noch Jocies Gesicht vor sich, nachdem ihr letzter Hund vor ein Auto gelaufen war. Jocie hatte damals viel zu lange nicht mehr gegessen, nicht mehr geredet und nicht mehr gelächelt. David wusste allerdings, dass es nicht nur Stumpys Tod war, der sie so tief getroffen hatte. Als der Hund starb, war es gerade einmal einen Monat her gewesen, dass Adrienne mitten in der Nacht mit Tabitha verschwunden war. Wie lange war das jetzt her? Es erstaunte ihn immer wieder, dass er tatsächlich überlegen musste. Er müsste doch auf den Tag, die Stunde, ja die Minute genau wissen, wann seine Frau Hollyhill und ihn verlassen hatte. Es hätte ihn nicht überraschen dürfen. Sie hatte ihn oft genug gewarnt. Aber er war trotzdem überrascht gewesen. Schlimmer als überrascht. Er war schockiert gewesen. Am Boden zerstört. Verloren. Verletzt. All das und noch mehr. Manche Dinge konnte man mit Worten einfach nicht beschreiben. Diese Dinge trafen mitten ins Herz und zogen einem den Boden unter den Füßen fort. Und das Allerschlimmste war, dass sie Tabitha mitgenommen hatte. Seine kleine Tochter, die nachts noch mit einem Teddy im Arm schlief und ihn tagsüber anflehte, Lippenstift tragen zu dürfen. Er wusste noch immer nicht, warum Adrienne sie mitgenommen hatte. Um ihm einen letzten Stich zu versetzen vielleicht. Womöglich hatte sie darin eine wirksame Methode erkannt, um dafür zu sorgen, dass die Wunde, mit der sie ihre Familie zerstörte, keine Chance hatte zu heilen. Ein Mann mochte darüber hinwegkommen, dass er seine Frau verloren hatte, aber nicht über den Verlust seiner Tochter. Wie lange also war das her? Tabitha war damals dreizehn gewesen, so alt wie Jocie jetzt. Sieben Jahre. Tabitha würde nächsten Monat zwanzig werden. David fragte sich, ob sie wohl eine Torte zum Geburtstag bekam. Tabitha hatte immer so gerne die Kerzen auf dem Kuchen ausgepustet und sich etwas gewünscht. Sie hatte immer gesagt: Warum nur einen Wunsch? Warum nicht so viele Wünsche, wie Kerzen auf dem Kuchen stecken? Er hätte sie suchen sollen, um dafür zu sorgen, dass sie ihren Kuchen bekam. David verdrängte die Erinnerungen und trat auf die Veranda hi-naus. Was in aller Welt geht hier vor sich? 2 Jocie hatte den Hund in Johnson Woods gefunden. Der Wald hatte Jocies Großeltern gehört, bevor ihr Großvater gestorben war, und Jocie fand, dass sie deshalb das Recht hatte, …
Titel
Der Duft von Flieder
Autor
Übersetzer
EAN
9783868277890
ISBN
978-3-86827-789-0
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Genre
Veröffentlichung
01.09.2016
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.75 MB
Anzahl Seiten
336
Jahr
2016
Untertitel
Deutsch
Auflage
1., Auflage
Lesemotiv
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