Kentucky 1964: Im beschaulichen Hollyhill weht nach dem Tornado ein anderer Wind. Wes ist schwer verletzt, Jocie hat mit Schuldgefühlen zu kämpfen und David weiß vor lauter Herausforderungen nicht mehr, wo ihm der Kopf steht. Ausgerechnet jetzt wird ihm endlich klar, was er für Leigh empfindet. Doch ihm bleibt einfach keine Zeit, ihr den Hof zu machen. Noch mehr zu tun gibt es für Pastor David, als eine schwarze Familie in die Gegend zieht. Dass die Hearndons eine eigene Farm bewirtschaften und als Zeichen der Hoffnung Apfelbäume anpflanzen wollen, erhitzt die Gemüter. Sind die Menschen in Hollyhill etwa nicht so tolerant, wie David immer dachte?

Autorentext
Ann H. Gabhart hat bereits mit zehn Jahren ihre Liebe zum Schreiben entdeckt. Sie ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt auf einer Farm in Kentucky.

Leseprobe
1 Die Mittagssirene von Hollyhill weckte David Brooke. Er konnte nicht fassen, dass er an seinem Schreibtisch eingenickt war jedenfalls nicht, bevor er sich sein Editorial über die Stadtratssitzung am Montagabend noch einmal durchgelesen hatte, das in der nächsten Ausgabe des Banner erscheinen sollte. Drei Absätze Schlummernachrichten. David überflog seine Notizen und schaltete dann seinen kleinen Kassettenrekorder ein, um sich noch einmal anzuhören, was bei der Sitzung besprochen worden war. Bürgermeister Palmors Stimme dröhnte ihm vom Band entgegen. Er drängte die Ratsversammlung dazu, Gelder für neue Weihnachtsdekorationen an den Laternenpfählen der Main Street zu bewilligen. Stadtrat Jim Jamison unterbrach ihn und merkte an, der alte Schmuck sei doch völlig in Ordnung. Der Bürgermeister konterte mit: Ich wette, du weißt nicht einmal, wie der alte Weihnachtsschmuck aussieht, Jim. Das Band lief weiter, aber außer dem kratzenden Geräusch der Kassette war nichts zu hören. Jim hatte Zeit geschunden und sich den Schweiß von der Stirn gewischt, bevor er sagte: Es ist viel zu heiß, um über Weihnachtsschmuck nachzudenken. Du liebe Güte, es ist August. Wir sollten lieber darüber sprechen, dass Zebrastreifen aufgemalt werden müssen, bevor die Schule anfängt. Jetzt, wo die Schulen die Rassentrennung aufheben, könnten Zebrastreifen besonders wichtig sein. Warum das denn, Jim? Meinst du, unsere schwarzen Jungen und Mädchen wissen nicht, wo sie über die Straße gehen sollen? Die Verärgerung in der Stimme des Bürgermeisters war nicht zu überhören. David schaltete das Kassettengerät aus und las die Bemerkung, die er mitten in seine Notizen von der Sitzung geschrieben und mit dicken Strichen eingerahmt hatte. Editorial über Neuanfänge schreiben. Friedliche Neuanfänge. Die Nachricht, dass der Schulrat von Hollyhill dafür gestimmt hatte, die Rassentrennung in den Schulen aufzuheben, war vor einigen Wochen die Titelgeschichte des Banner gewesen. Im Juli hatte der Kongress das Bürgerrechtsgesetz beschlossen, deshalb war es höchste Zeit, dass Hollyhill ebenfalls in das moderne Zeitalter eintrat. Doch David vermutete, dass die Schließung der Volksschule im West End, in dem so gut wie alle schwarzen Familien in Holly County lebten, mehr damit zu tun hatte, dass das alte Schulgebäude ein neues Dach gebraucht hätte, und weniger mit dem Bürgerrechtsgesetz. Niemand in Hollyhill erwartete irgendwelche Probleme. Der Superintendent, Aaron Boyd, hatte David erklärt, die Rassentrennung in den Schulen sei nur deshalb noch nicht früher aufgehoben worden, weil die schwarze Bevölkerung ihre Schule im West End und Mrs Rowlett nicht hatte aufgeben wollen. Sie unterrichtete dort die fünfte bis achte Klasse und es hieß, sie sei die beste Lehrerin im ganzen County. In diesem Herbst würde sie in der High School von Hollyhill Latein unterrichten. David griff nach dem Block, der für den Fall, dass ihm Ideen für Berichte und Artikel kamen, immer neben dem Telefon lag, und schrieb darauf: Francine Rowlett interviewen. Dann schaltete er seufzend den Kassettenrekorder wieder ein, um sich die weitere Diskussion anzuhören. Jim antwortete dem Bürgermeister. Er schrie ihn zwar nicht direkt an, aber viel fehlte nicht. Ich finde nur, dass die Sicherheit unserer Kinder Priorität haben sollte. Aller unserer Kinder! Und Zebrastreifen können dabei helfen. Jetzt ergriff Harry Williams das Wort. Wir müssten die Bestimmungen des Bundesstaates kennen. Bestimmt gibt es Vorschriften, wo die Übergänge sein sollten und wie breit sie sein müssen. Harrys Sohn war Anwalt in Grundy, sodass er es als seine Pflicht betrachtete, auf jedes potenzielle rechtliche Problem hinzuweisen. Bürgermeister Palmors Stimme wurde etwas lauter, als er sagte, sie sprächen schließlich von städtischen Straßen, also spiele es keine Rolle, was die Gesetzgebung des Bundesstaates besage. Hier schaltete David das Abspielgerät erneut aus. Anschließend hatte sowieso niemand mehr etwas Hörenswertes gesagt und es war nichts weiter entschieden worden. Irgendwann hatte Ramona Sims, die das Protokoll führte, hinter vorgehaltener Hand gegähnt, auf ihre Uhr geblickt und anschließend verkündet, sie müsse ihren Sohn vom Baseballtraining abholen. Sie hatte ihren Kugelschreiber klicken lassen, ihr Notizbuch zugeklappt und die Sitzung beendet. Also versuchte David ein Editorial darüber zu schreiben, dass die Mitglieder des Stadtrats und der Bürgermeister gemeinsam zum Wohle der Stadt arbeiten sollten. Aber nachdem er sich seinen Text noch einmal durchgelesen hatte, beschloss er, dass es interessanter sein würde, der Farbe der besagten Zebrastreifen beim Trocknen zuzusehen, falls der Stadtrat sich jemals einigen würde, wo sie nun aufgemalt werden sollten. Vielleicht sollte er sein Editorial über die richtige Anbringung von Zebrastreifen schreiben. Seinen Text über friedliche Neuanfänge wollte er sich bis zu dem Mittwoch aufheben, an dem die Schule wieder begann. Dabei würde er seine Worte sorgfältig wählen müssen. Er wollte nicht die Art Zeitungsherausgeber sein, die den Stift schwang, um einen Streit vom Zaun zu brechen, nur damit sie neue Schlagzeilen hatten. In Hollyhill hatte es nie Rassenprobleme gegeben. Erst letzte Woche hatte Bürgermeister Palmor zu David gesagt, Hollyhill könne sich glücklich schätzen, solche guten Neger zu haben, die keine Sitzblockaden und Demonstrationen veranstalten, nur um Schwierigkeiten zu machen. David war nicht näher auf das Thema eingegangen. Stattdessen hatte er das Gespräch darauf gelenkt, ob die Hitzewelle wohl bald enden würde oder nicht. Wenn er jetzt daran zurückdachte, kam er sich wie ein Feigling vor. Er hätte den Bürgermeister daran erinnern sollen, dass vor Gott alle Menschen gleich waren. Schon vor Jahrhunderten hatte Paulus den Galatern geschrieben: Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. So etwas sollte David auch den Menschen von Hollyhill schreiben. Dass allen Menschen in ihrem Land gewisse unveräußerliche Rechte zugesichert wurden. Aber stattdessen füllte er die Seite mit Worten, die nichts bewirken würden, außer seine Leser einzuschläfern. David knüllte das Blatt Papier zusammen und warf es in Richtung Papierkorb. Es fiel daneben. David starrte auf das neue, leere Blatt auf seinem Notizblock und spürte, dass seine Augen wieder schwer wurden. Wenigstens war es nicht seine Predigt für Sonntag, über der er ständig einschlief, obwohl ihm diesbezüglich auch noch eine zündende Idee fehlte. Er fühlte sich so abgestanden, wie der Redbone River ausgesehen hatte, als sie gestern Abend auf dem Weg zur Gebetsstunde daran vorbeigekommen waren und Tante Love erklärt hatte, die Hunds-tage hätten offiziell begonnen. Es war nicht einfach, Woche für Woche neue Ideen für Editorials oder Predigten zu finden. Natürlich vertraute er Gott, was die Ideen für die Predigten betraf, aber David musste seinen Teil beisteuern, indem er betete und in der Heiligen Schrift forschte. Er konnte nicht erwarten, dass er am kommenden Sonntag auf die Kanzel von Mt. Pleasant st…
Titel
Ein Garten der Hoffnung
Übersetzer
EAN
9783868277692
ISBN
978-3-86827-769-2
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
01.03.2017
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.79 MB
Anzahl Seiten
383
Jahr
2017
Untertitel
Deutsch
Auflage
1., Auflage
Lesemotiv