Von New-York-Times-Bestsellerautorin Ann Patchett - ein Roman über die Kraft der Liebe und der Musik Leise klirrende Champagnergläser, raschelnde Chiffonabendkleider - dann, am Ende der Arie, tosender Beifall, ein leidenschaftlicher Kuß - und plötzlich Schüsse, Schreie, Dunkelheit. Die elegante Villa des Vizepräsidenten gab den perfekten Rahmen für diese exklusive Geburtstagsfeier zu Ehren des japanischen Wirtschaftsmagnaten ab, bei der sogar die begnadete Operndiva Roxane Coss auftrat. Dann aber, als die Terroristen das prachtvolle Gebäude stürmen und die Geburtstagsgäste plötzlich Geiseln sind, hat alles ein jähes Ende. Oder ist es - für Täter wie für Opfer - ein Neuanfang? Monate später jedenfalls, als die Verhandlungen mit der Regierung immer noch andauern, hat sich die lebensbedrohliche Situation in eine beinahe paradiesische verwandelt: Und vierzig Menschen, die sich vorher nicht kannten, erleben täglich durch die Kraft der Musik die kostbarsten Augenblicke ihres Lebens.

Ann Patchett, 1963 in Los Angeles geboren, lebt als Schriftstellerin und Kritikerin in Nashville, Tennessee. Ihr Roman 'Bel Canto', übersetzt in dreißig Sprachen, wurde mit dem PEN/Faulkner Award und dem Orange Prize ausgezeichnet und war auch in Deutschland ein großer Erfolg. 'Familienangelegenheiten' stieg in den USA auf Platz 8 der New-York-Times-Bestsellerliste ein.

Autorentext

Ann Patchett, 1963 in Los Angeles geboren, lebt als Schriftstellerin und Kritikerin in Nashville, Tennessee. Ihr Roman "Bel Canto", übersetzt in dreißig Sprachen, wurde mit dem PEN/Faulkner Award und dem Orange Prize ausgezeichnet und war auch in Deutschland ein großer Erfolg. "Familienangelegenheiten" stieg in den USA auf Platz 8 der New-York-Times-Bestsellerliste ein.



Leseprobe

Als das Licht ausging, gab ihr der Pianist einen Kuß. Vielleicht hat er sich ihr zugewandt, unmittelbar bevor es dunkel wurde, vielleicht hat er die Arme gehoben. Irgendeine Bewegung, irgendeine Geste muß er wohl gemacht haben, denn alle, die dort im Wohnzimmer waren, erinnerten sich später an einen Kuß. Nicht, daß sie ihn gesehen hätten, das war schlichtweg unmöglich. Die Dunkelheit, die über sie hereinbrach, war erschreckend total. Doch nicht nur waren sich alle sicher, daß er sie geküßt hatte, sie behaupteten auch noch, zu wissen, wie: stürmisch und voller Leidenschaft, ein Kuß, der sie völlig überrumpelt habe. Alle Augen waren auf sie gerichtet, als das Licht ausging. Sie applaudierten noch, waren aufgesprungen und klatschten mit erhobenen Ellbogen frenetisch in die Hände. Nicht ein einziger zeigte Zeichen der Ermüdung. Die Italiener und die Franzosen schrien: »Brava! Brava!«, und die Japaner wandten sich von ihnen ab. Hätte er sie wohl so geküßt, wenn es hell gewesen wäre? Beherrschte sie sein Denken so sehr, daß er die Hand ausstreckte, sobald das Licht ausging - schaltete er so schnell? Oder wurde sie von allen im Raum begehrt, jedem Mann und jeder Frau, so daß es sich um eine kollektive Einbildung handelte? Sie waren so hingerissen von der Schönheit ihrer Stimme, daß sie ihren Mund mit ihrem eigenen bedecken, daran trinken wollten. Vielleicht war Musik übertragbar, konnte verschlungen, besessen werden. Was bedeutete es wohl, den Mund zu küssen, der solche Töne in sich barg?

Manche von ihnen liebten sie schon seit langem. Sie hatten daheim jede Aufnahme von ihr. Sie führten ein Notizbuch, in dem sie jeden Ort eintrugen, an dem sie sie gesehen hatten, in welcher Oper, mit welcher Besetzung, unter welchem Dirigenten. Andere, die an dem Abend da waren, hatten ihren Namen nie gehört - Leute, die, wenn man sie gefragt hätte, gesagt hätten, die Oper sei für sie ein sinnloses Gejaule und lieber säßen sie drei Stunden auf dem Zahnarztstuhl. Das waren diejenigen, die jetzt unverhohlen weinten, die, die sich so furchtbar getäuscht hatten.

Keinem von ihnen machte die Dunkelheit angst. Ja sie nahmen sie kaum wahr. Sie hörten nicht auf zu applaudieren. Die Ausländer unter ihnen dachten, daß so etwas hier wohl normal sei. Das Licht geht mal an, und mal geht es aus. Diejenigen, die aus dem Gastland kamen, wußten, daß dem so war. Außerdem war der Zeitpunkt nicht ohne dramatische Wirkung und schien genau zu passen, so als wollten die Lampen sagen: Ihr braucht nichts zu sehen. Sperrt die Ohren auf. Niemand stutzte und fragte sich, warum im selben Moment oder direkt davor auch die Kerzen auf den Tischen erloschen. Der angenehme Geruch eben ausgeblasener Kerzen hing in der Luft, ein süß duftender, nicht im geringsten bedrohlicher Rauch. Ein Geruch, der einem sagte, daß es schon spät war, Zeit zum Schlafengehen.

Sie klatschten weiter. Sie nahmen an, daß sich die beiden weiter küßten.

Der lyrische Sopran Roxane Coss war der einzige Grund, warum Herr Hosokawa in dieses Land gekommen war. Und Herr Hosokawa war der Grund, warum alle anderen zu dieser Feier erschienen waren. Es war kein Land, das man um seiner selbst willen besucht. Der Grund, warum sich das Gastland (ein armes Land) für die Geburtstagsfeier eines Ausländers derart verausgabte, den man nahezu hatte bestechen müssen, damit er kam, war, daß es sich bei diesem Ausländer um den Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden von Nansei handelte, der größten Elektronikfirma Japans. Das Gastland wünschte sich nichts sehnlicher, als Herrn Hosokawas Gunst zu erlangen, auf daß er ihnen in einem der unzählichen Punkte half, in denen sie Hilfe brauchten. Das konnte durch Ausbildung von Fachkräften oder durch Handel geschehen. Vielleicht könnte man (und dies war ein so kühner Traum, daß er fast unaussprechlich war) hier sogar eine Fabrik bauen, wobei alle Beteiligten von der billigen Arbeitskraft profitieren würden. Eine solche Industrie k

Titel
Bel Canto
Untertitel
Roman
Übersetzer
EAN
9783492983006
ISBN
978-3-492-98300-6
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
04.10.2016
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
0.46 MB
Anzahl Seiten
377
Jahr
2016
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet