Criminal law in modern societies is in the midst of upheaval. New tasks, such as providing comprehensive security measures, handling procedures speedily, and offering solidarity to victims, mean that crime and guilt aspects have taken a back seat. Criminal law has been loosened up to become a flexible instrument of social control - resulting in a "jack-of-all-trades law for mastering uncertainties".

Das Strafrecht ist einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Für die Strafrechtswissenschaft geht es darum, diesen Wandel angemessen abzubilden. Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag dazu leisten. Zu markieren sind insofern das Kraftfeld, in das Kriminalpolitik, Dogmatik und Rechtsprechung eingebettet sind, die wechselseitigen Einflüsse und unübersehbaren Spannungen. Zu markieren sind aber auch die Folgen dieses Wandels. Wenn hier von einem Kraftfeld gesprochen wird, so ist aber auch das neue Verhältnis angesprochen, in dem Staat, Gesellschaft und Strafrecht zueinander stehen. Gekennzeichnet ist dieses Verhältnis dadurch, dass die Gesellschaft weitreichende Rechts- und Sicherheitsgarantien einfordert, denen der Staat durch ein ebenso umfassendes Gewährleistungsregime zu entsprechen versucht. Staatlicher Rechtsgüterschutz beschränkt sich dabei nicht mehr auf "imperative oder punitive Steuerungstechniken". Vielmehr finden sich zunehmend informelle oder kooperative Formen der Rechtsgestaltung, die im "Schatten der Hierarchie" angesiedelt sind. Man denke nur an den großen Bereich der Governance und Compliance. Der Staat wird so zum "Doppelstaat", zum Interventions- und Kooperationsstaat. Diese Entwicklung hat massive Konsequenzen für das Strafrecht. Denn in dem Maße, in dem der Staat in dieser Doppelrolle agiert, verändert sich auch das strafrechtliche Aufgabenprofil. Innerhalb des materiellen und des Prozessrechts - erinnert sei an die Terrorbekämpfung, das neue "Opferstrafrecht" oder an die Verständigungsregelung - kommt es zu normativen "Umwidmungen", die sich systemimmanent nicht oder nur schwer auf einen Nenner bringen lassen. Der strikte Tatschuldbezug (der Zurechnung) wird durch eine dynamische Konfliktbewältigung "aufgelockert". Pointiert: Neben die Tat tritt der Konflikt. Das Strafrecht wandelt sich so aber zu einem "Unsicherheitsbeherrschungsstrafrecht". Ob damit die Autonomie- und Schutzansprüche der handelnden Akteure garantiert werden können, wird die Strafrechtswissenschaft herausarbeiten müssen.

Autorentext
Geboren 1969; Studium der Rechtswissenschaft, anschließend der Philosophie und Komparatistik; 2007 Promotion (Dr. jur.); 2014 Habilitation; 2015-21 Universitätslehrer an der Universität Bonn; seit 2021 Universitätslehrer an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Titel
Die Ordnung des Strafrechts
Untertitel
Zum Funktionswandel von Normen, Zurechnung und Verfahren
EAN
9783161552335
Format
E-Book (pdf)
Hersteller
Digitaler Kopierschutz
Adobe-DRM
Dateigrösse
5.56 MB
Anzahl Seiten
852
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