Sonja braucht endlich Klarheit. Was passierte wirklich, als ihr Mann vor drei Jahren mit einem Wasserflugzeug in Kanada abstürzte? Was verschweigt ihr die Polizei? Und warum ist auch ihre beste Freundin seitdem verschwunden? So kommt es ihr ganz recht, dass sie im Auftrag ihres Museums nach British Columbia reisen muss: Auf den Spuren der Dichterin Else Seel und zugleich getrieben von Trauer und Eifersucht begibt sich Sonja auf eine gefährliche Abenteuerreise durch das Land.

Bernadette Calonego wurde in Stans (Schweiz) geboren und arbeitet als freie Journalistin unter anderem für Brigitte, Vogue, GEO, Emma und die Süddeutsche Zeitung. Sie lebt an der Westküste Kanadas. 'Unter dunklen Wassern' ist ihr zweiter Roman.

Autorentext
Bernadette Calonego wurde in Stans (Schweiz) geboren und arbeitet als freie Journalistin unter anderem für Brigitte, Vogue, GEO, Emma und die Süddeutsche Zeitung. Sie lebt an der Westküste Kanadas. "Unter dunklen Wassern" ist ihr zweiter Roman.

Leseprobe
6

»Wie grausam.« Toni war richtig zornig geworden, damals, auf dem Martinshügel. »Wie grausam, Eltern glauben zu lassen, ihr totes Kind sei für ewige Zeiten zur Hölle verdammt, nur weil es nicht getauft wurde.«

Trotz der Sonnenbräune konnte sie die Röte sehen, die in sein scharf geschnittenes Gesicht getreten war.

In jenem Moment begann sie zu ahnen, dass er nicht nur ein eindimensionaler Sportsmensch war. Nicht nur ein Adrenalinjunkie, süchtig nach dem Kitzel, den extreme Sportarten produzierten. Was wusste sie denn schon damals von ihm. Nur, was ihr die Organisatoren des Streitgesprächs im Wallis mitgeteilt hatten. Dass Toni Vonlanden Mitbesitzer einer Alpinschule war, ein Meister des Freeclimbing, er hatte offenbar auch mehrere Gipfel im Himalaja bestiegen, oder es zumindest versucht. Einer dieser Verrückten, dieser Lebensmüden, hatte sie damals gedacht.

»Den Leuten Angst einzujagen, darum geht es doch immer. Sie in Angst und Schrecken leben zu lassen. Damit kann man sie schön manipulieren.«

Angst fand Toni, das sollte sie bald herausfinden, ein ganz und gar überflüssiges Gefühl. »Es gibt doch überhaupt keinen Grund zur Angst.« Diesen Satz hatte sie später immer wieder von ihm gehört. Sie selbst hielt es für legitim, sich manchmal zu fürchten. Und es gab einiges, das sie aus Furcht unterließ. Nicht nur zu ihrem Schaden. Aber für Toni war Angst lächerlich, reine Zeitverschwendung, etwas, das man mit der flachen Hand vom Tisch wischte. Deshalb verschwieg sie ihm in den folgenden Jahren, wenn er zu einem seiner gefährlichen Abenteuer aufbrach, dass sie Angst um ihn hatte.

Auch Else Seel hatte das getan. Oft war Georg wochenlang unterwegs, beim Fallenstellen im Gebirge, mitten im schrecklichen kanadischen Winter, oder auf der Suche nach Gold und Silber. Nie wusste sie, ob er lebend zu ihrer Blockhütte zurückkehren würde. Einmal kam er schwer verbrannt bei ihr an. Eine Benzinlampe hatte den Unterstand, in dem er im Gebirge schlief, in Brand gesetzt. Im Verschlag befand sich Sprengstoff für die Goldminen, die er zu finden hoffte. Er konnte sich gerade noch aus der Hütte retten, bevor sie in die Luft flog. Else schrie, als sie ihn aus dem Boot steigen sah. Es gab keinen Arzt, deshalb pflegte sie ihren schwerverletzten Mann, so gut sie konnte. Er überlebte, doch am Hals blieben große Narben zurück.

Blieben große Narben zurück.

Diane breitete die Landkarte auf dem Esstisch aus. »British Columbia, fast eine Million Quadratkilometer groß und nicht mal fünf Millionen Menschen.« Sie klang ein wenig stolz. Sonja hatte in ihrem Reiseführer gelesen, dass die westlichste kanadische Provinz so groß war wie Deutschland, Frankreich und die Schweiz zusammen. Diane strich mit dem Finger über grüne und braune Flächen.

»Es gibt weite Gebiete, in die noch nie jemand je einen Fuß gesetzt hat. Ist das nicht faszinierend?«

Sonja verdrehte die Augen. »Es ist einschüchternd.«

Sie wollte nicht dorthin gehen, wo noch nie jemand gewesen war. Sie wollte nicht Neuland erobern wie die Pioniere in Kanada. Dieser Georg Seel mochte ein solcher Typ gewesen sein. Was sagte der gute Mann zu seiner frischgebackenen Ehefrau, als Else vor der Blockhütte am Ootsa-See Wäsche aufhängte? »Hier hängt zum ersten Mal Wäsche, solange die Erde steht.«

Als ob die Erde auf diese Wäsche gewartet hätte.

Diane legte die Hand auf Sonjas Arm, wie es ihre Art war.

»Es wird schon alles gut gehen, du wirst sehen. Die Kanadier sind freundliche Menschen und hilfsbereit. Es wird dir Spaß machen.«

Sonja bemerkte den glitzernden Anhänger an Dianes Halskette. Ein transparenter Stein funkelte im Morgenlicht. Es konnte kein echter Diamant sein, der hätte ein Vermögen gekostet, aber sie wagte nicht zu fragen. Inge hatte ihr erzählt, dass Diane mit Edelsteinen zu tun hatte - Schmuckdesignerin oder so was.

Ihr Blick wanderte zur Karte zurück. Wie sollte s

Titel
Unter dunklen Wassern
Untertitel
Krimi
EAN
9783492981767
ISBN
978-3-492-98176-7
Format
E-Book (epub)
Herausgeber
Veröffentlichung
10.11.2014
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
1.63 MB
Anzahl Seiten
384
Jahr
2014
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet