Bernd-Lutz Lange, geboren 1944 in Ebersbach/ Sachsen, wuchs in Zwickau auf. Nach einer Gärtnerlehre studierte er an der Fachschule für Buchhändler in Leipzig. Er ist Gründungsmitglied des Kabaretts 'academixer' und seit Jahrzehnten feste Größe auf Deutschlands Kleinkunstbühnen. Neben Kurt Masur gehört er zu den 'Leipziger Sechs', die sich am 9. Oktober 1989 für einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen einsetzten. Im Oktober 2014 wurde er für sein Engagement für demokratische Verhältnisse in der DDR mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Lange lebt seit 1965 in Leipzig und ist Autor zahlreicher Bücher, darunter 'Mauer, Jeans und Prager Frühling' sowie 'Das Leben ist ein Purzelbaum'. Zuletzt erschien von ihm zusammen mit Tom Pauls 'Nischd wie hin. Unsere sächsischen Lieblingsorte'.
Vorwort
Leipzig: Nischd wie hin!
Autorentext
Bernd-Lutz Lange, geboren 1944 in Ebersbach/ Sachsen, wuchs in Zwickau auf. Nach einer Gärtnerlehre studierte er an der Fachschule für Buchhändler in Leipzig. Er ist Gründungsmitglied des Kabaretts "academixer" und seit Jahrzehnten feste Größe auf Deutschlands Kleinkunstbühnen. Neben Kurt Masur gehört er zu den "Leipziger Sechs", die sich am 9. Oktober 1989 für einen friedlichen Verlauf der Demonstrationen einsetzten. Im Oktober 2014 wurde er für sein Engagement für demokratische Verhältnisse in der DDR mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Lange lebt seit 1965 in Leipzig und ist Autor zahlreicher Bücher, darunter "Mauer, Jeans und Prager Frühling" sowie "Das Leben ist ein Purzelbaum". Zuletzt erschien von ihm zusammen mit Tom Pauls "Nischd wie hin. Unsere sächsischen Lieblingsorte".
Leseprobe
Ankunft
Ortsfremde möchte ich mit dem Spruch eines bedeutenden Menschen an meine Heimatstadt heranführen. Nein, er stammt nicht aus dem kompletten Zitatenschatz des mit Leipzig verbundenen Johann Wolfgang von Goethe, sondern ist eine Sentenz vom ebenfalls genialen Gotthold Ephraim Lessing: »Ich komme nach Leipzig, an einen Ort, wo man die ganze Welt im Kleinen sehen kann.«
Wer hätte das erwartet? Lessing spielt natürlich auf unsere Messen an. Die haben die Bewohner der Stadt über Jahrhunderte geprägt, denn sie sahen dadurch immer mehr von der Welt als der Rest Sachsens. Leipziger sind weltoffen, der Kontakt mit Menschen aus anderen Erdteilen, der Austausch mit ihnen verhinderte den Absturz ins Provinzlertum.
Und sie hatten seit jeher Visionen. Wer zum ersten Mal in den Leipziger Hauptbahnhof einrollt, wird das bestätigen. Da haben die Altvordern den folgenden Generationen etwas ganz Besonderes hinterlassen. Es ist flächenmäßig der größte Kopfbahnhof Europas. Seit fast hundert Jahren fahren die Züge hier ein und aus. Reisende aus aller Herren Länder erreichen auf diesem Wege die Stadt. Und was die Eisenbahner an turbulenten Messetagen vollbringen, grenzt schon an Zauberei.
Der Reisende öffnet die Tür und hört: »Meine Damen und Herren « Solche Begrüßungen gab es zu DDR-Zeiten hier nicht. Da stiegen keine Damen und Herren aus den Zügen, da hieß es: »Werte Reisende« oder wenn die Verspätung gar zu groß war höchstens mal »Sehr verehrte Reisende «
Die nächsten Anschlüsse werden durchgesagt. Nach Zwickau, Dresden, Halle, Erfurt. Wir befinden uns in Mitteldeutschland.
Eine ältere Dame quält sich aus dem Waggon, eine junge Frau umarmt selig ihren Freund. Mühelos ziehen die Reisenden ihre Koffer über den Bahnsteig. Wie lange hat die Menschheit auf diese praktische Erfindung warten müssen!
Im Vorbeigehen fallen mir Werbetexte auf: »Du hast viele Seiten. Welche lebst du heute?« Heute führe ich Sie über den Hauptbahnhof und durch die Stadt, freue mich mit Ihnen auf Leipzig.
Mein Blick schweift nach oben, und ich bewundere die imponierende Leichtigkeit der Eisenkonstruktionen in den Längsbahnsteighallen. Am Übergang zum Querbahnsteig blitzt eine Glasverkleidung, die eine Begrenzung dieses Raumes schafft. Auf den Scheiben werben die beiden übereinandergestapelten M mit dem Spruch: »Messen nach Maß.«
Auf dem benachbarten Bahnsteig erkenne ich an gleicher Stelle »Leipziger Volkszeitung«. Das Blatt warb eine Zeit lang mit dem Slogan: »Die liest man hier.« Der Spruch war aber letztlich recht simpel, da es außer einem Boulevardblatt keine zweite Tageszeitung in der Stadt gibt. Manche Leute meinten deshalb, es müsse eher heißen: »Die muss man hier lesen.«
Ist das Ende des Bahnsteigs erreicht, blickt der Reisende in die riesige Querbahnsteighalle. Die Sonne scheint durch die Oberlichter des kolossalen Baus; Millionen Stäubchen wirbeln durch den Raum.
Zur Einweihung 1915 war unser Hauptbahnhof einer der größten der Welt. Die Dresdner Professoren William Lossow und Max Hans Kühne konnten sich mit ihrem Entwurf »Licht und Luft« gegen 76 beteiligte Architekten durchsetzen.
Die beiden haben diese Kathedrale des Verkehrs entworfen, ohne Neid zu empfinden, dass die Landeshauptstadt nicht über so einen prächtigen Verkehrsbau verfügte. Sie haben bei ihren Planungen schon weit in die Zukunft gedacht. Desgleichen ist heute nicht mehr so in Mode.
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Ba
Inhalt
Kleine Vorrede Ankunft Wir gehen in die Stadt Leipziger Mentalitäten Der Dialekt Häuser im Wandel Boomtown Die Messestadt Das Kaffeehaus Was blieb von der Buchstadt? Die Musikstadt Das Denkmal Wiege der Arbeiterbewegung Von originell bis verrückt Trainingsstrecke zur "Entschleunigung" Das grüne Leipzig Leipzig am Wasser Abfahrt Dank Quellennachweis