Es geht in dem Buch über den klassisch abendländischen Gesang im Spiegel des japanischen ZEN, aber auch darum, dass 'Investmentbanking einfacher ist als die Ausführung einer musikalischen Pause bei Beethoven'. Und in dem Zusammenhang ist das Buch nicht nur für Musikinteressierte, sondern für alle Leser, die die Entstehung unserer aktuellen Finanz- und Kulturkrise (damit ist die gesellschaftliche Kultur gemeint und nicht die Kunst-Szene!) begreifen möchten! 'Wir können nicht die Welt verbessern, wir können nur uns selbst bessern, aktiv! Caminante, no hay camino, hace el camino al andar. Einen Weg beschreiten; dieser wird zum WEG, indem man ihn geht! Und so gibt es kein Ziel, der WEG wird zum Ziel, aber die Wirkung wird eine andere sein. Einklang!' 'Gute Bücher über Gesang, vor allem jene, die eine GESAMTHEITLICHE SICHT DES SINGENS beschreiben, sind leider noch selten. Und gerade solche Bücher suche und brauche ich für meine Arbeit als Dozentin für Fachdidaktik Gesang an der Hochschule für Musik. Ihre Ausführungen finde ich äusserst interessant!' (Zitat einer Dozentin)

Leseprobe
D ie Grundlage allen Lebens ist der Atem!

Der Nenner aller grossen Kunst heisst 'Beherrschung des Atems'!

Nach einer der ersten Unterrichtsstunden mit der Meisterin hatte ich Folgendes resümiert: Beim 'Belcanto des Wortes' {3} versucht man, wie der Ausdruck es bereits sagt, durch das Wort zum Gesangston zu finden. Oft wird aber - umgekehrt - der Stimmklang für einen 'Einheitsvokal' gesucht, mit dem nachher, beim Singen 'gesprochen' wird. Was letztendlich besser sei, mag auch dem Geschmack des Schülers überlassen sein. Frau Professor jedoch war überzeugt, dass es falsch sei, einen 'Vokalausgleich' zu suchen, ohne zuvor den Schüler in den Formvorschriften der Vokale unterwiesen zu haben. Denn, wie könne ein Anfänger mit Klangvorstellungen arbeiten, ohne zu wissen, wo der Klang überhaupt hin soll? "Die Stimme soll beim Singen wie beim Sprechen gleich angewandt werden", betonte die Meisterin immer wieder, "von grundlegender Wichtigkeit aber ist eine ausgezeichnete Atemtechnik."

Man atme ein! Die Luft wird zuerst nach hinten in die Flanken geatmet, indem sich die Bauchdecke - ungefähr zwei Finger breit unterhalb des Bauchnabels, wo auch die geistige Mitte des Körpers sich befindet - durch eine Bewegung nach innen neigt, um wieder, nachdem die hinteren Lungenflügel gefüllt sind, entspannt nach vorne zu kommen. So füllt man auch den vorderen Teil der Lungen. Es soll darauf geachtet werden, immer bei der Tiefatmung zu bleiben! Gleichzeitig zum Atemvorgang muss der Rachen in 'Gähnstellung' für den folgenden Vokal vorbereitet werden, respektive der weiche Gaumen gehoben werden. Der Mund soll durch den Gedanken an die erste Konsonant-Vokal-Folge vorgeformt werden. Nur so gelingt der Ansatz auf Anhieb sauber. Der ganze Ablauf muss zuvor mit dem 'geistigen Auge' gesehen werden, um auch während des eigentlichen Vorgangs stets kontrolliert zu bleiben. Beim Ausatmen, respektive dem Gesangsvorgang an sich, geschieht wieder dasselbe: Die Bauchdecke neigt sich nach innen, die Luft kann kontrolliert ausströmen. Alles soll gleichzeitig entspannt wie 'breit' gehalten werden, damit die durch die weite des Brustkorbs herbeigeführte Freiheit des Zwerchfells gewährleistet bleibt. Erst allmählich wird auch die Luft aus den Flanken vollständig verbraucht.

Das Ausatmen verbinden wir mit einem gesprochenen "eSSSSSSSS". Selbstverständlich handelt es sich um den Zischlaut "S", der sprechenderweise zum "eSSSSSSSS" wird. Somit haben wir notwendigerweise eine natürliche Verbindung aus Vokal und Konsonant. Das Mass der Dinge ist schon in diesem frühen Stadium der hohe 'Tonsitz'. Man soll sich also vorstellen, diese Konsonant-Vokal-Folge sehr hoch zu sprechen, ohne dass damit die eigentliche Tonhöhe gemeint ist, sondern ein imaginärer Punkt oberhalb der Stirn. Damit wird der Schüler gleich zu Anfang in Richtung Mitbeteiligung der Kopfresonanz geführt. Wenn wir zum Beispiel unseren Grossmüttern zugehört hatten, stellten wir fest, dass jene mit viel mehr Kopfresonanz sprachen, als wir dies heute zu tun pflegen. Heute wird ein solches Sprechen jedoch als altmodisch und affektiert abgetan. Für das Erlernen des Gesangs wäre so zu sprechen jedoch ein unüberschätzbarer Vorteil. Eine unbeteiligte oder zumindest wenig beteiligte Kopfresonanz ist beim Singen eine mögliche Ursache eines Intonationsproblems. Für die Tiefe gilt erst recht: Die Obertöne machen eine Stimme tragfähig! Mit dem Ergebnis dieser relativ einfachen Übung ist die Meisterin lange nicht zufrieden. Selbst ein zischendes Ausströmen der Luft will monatelang geübt sein, und so wenden auch wir nicht nur eine Lektion dafür auf.

Sicher werden wir das Geheimnis, welches Atem heisst, im Verlauf des Buches immer tiefer durchdringen. Folglich: "Im selben Augenblick, da die unteren Bereiche des Atmungsorganes (Zwerchfell - Rücken - Flanken - Bauchwand) sich anschicken, den Atem in Bewegung zu setzen, is
Titel
Zen in der Kunst des Singens
Untertitel
Mit den Augen hören, mit den Ohren sehen. Mit einem Vorwort von Bariton Klaus Mertens
EAN
9783905473162
ISBN
978-3-905473-16-2
Format
E-Book (epub)
Herausgeber
Veröffentlichung
24.11.2015
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.13 MB
Anzahl Seiten
157
Jahr
2015
Untertitel
Deutsch
Lesemotiv