Inhalt:
Die Heilige und ihr Narr (Agnes Günther)
Das Geschenk der Weisen (O.Henry)
Der kleine Lord (Frances Hodgson Burnett)
Heidi (Johanna Spyri)
Weihnacht! (Karl May)
Selma Lagerlöf:
Christuslegenden
Die Heilige Nacht
Ein Weihnachtsgast
Die Mausefalle
Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen
Die Familie Pfäffling (Agnes Sapper)
Nußknacker und Mausekönig (E.T.A Hoffman)
Bergkristall (Adalbert Stifter)
Der Weihnachtsfund (Hermann Kurz)
Vor dem Sturm (Theodor Fontane)
Else von der Tanne (Wilhelm Raabe)
Pinocchio (Carlo Collodi)
Charles Dickens:
Der Weihnachtsabend
Das Heimchen am Herde
Der Kampf des Lebens
Die Silvester-Glocken
Der Behexte und der Pakt mit dem Geiste
Die Geschichte des Schuljungen
Doktor Marigold
Mrs. Lirripers Fremdenpension
Die Geschichte des armen Verwandten
Klein-Dorrit
Oliver Twist
Eine Erzählung für Kinder (Leo Tolstoi)
Da stand das Kind am Wege (Theodor Storm)
Marthe und ihre Uhr (Theodor Storm)
Das Sternenkind (Oscar Wilde)
Der selbstsüchtige Riese (Oscar Wilde)
Weihnacht (Karl Kraus)
Pariser Weihnachten (Kurt Tucholsky)
Die heilige Weihnachtszeit (Peter Rosegger)
Als ich Christtagsfreude holen ging
Erste Weihnachten in der Waldheimat
Weihnacht in Winkelsteg
Hans Christian Andersen:
Die Schneekönigin
Das Kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen
Der Tannenbaum
Der standhafte Zinnsoldat
Der allererste Weihnachtsbaum
Christkindl-Ahnung im Advent (Ludwig Thoma)
Luise Büchner:
Die Frau Holle
Knecht Nikolaus
Die Geschichte vom Christkind und vom Nikolaus
Die Geschichte vom Christkind-Vogel
Die Geschichte vom Kräutchen Eigensinn
Die Geschichte vom Tannenbäumchen
Die Geschichte vom Weihnachtsmarkt
Brüder Grimm:
Sternthaler
Frau Holle
Sneewittchen
Die Wichtelmänner
...
Leseprobe
Zweites Kapitel.
Das Ehrenwort Inhaltsverzeichnis
Vor dem langen Kaliban in seiner Wolljuppe, der eben mit der Schneeschippe einen Weg bahnt schnurgerade vom Tor zur Ruine, steht ein schokoladebrauner Lakai mit einem Billett und schnarrt: »Sogleich abgeben.« Der Kaliban nimmt das Billett in seine hornenen Riesenhande und geht zu der Türe und damit sofort ins Innerste des Thorsteiner Schlosses. Der Haus- und Schloßherr hantiert an seiner Staffelei mit farbigen Kreiden auf einem großen grauen Tonbogen. Auf seiner Stirne entsteht eine senkrechte Falte, als er den Brief liest. Es ist eine in die liebenswürdigsten Worte gekleidete Einladung zu der heutigen Weihnachtsbescherung... »Meine Kleine scheint Ihr Kommen sehr zu erhoffen.« Der lange Thorsteiner dreht die Karte in grimmiger Verlegenheit in den Händen. »Donnerwetter.... mein alter grünschwarzer Rock da drüben!« Seine Hand fährt in seinen kurzen braunen Lockenschopf. »P. S. Wir werden nach der Bescherung ganz unter uns sein ...« Und zwischen den Zeilen sehen ihn bittende Augen an. »Da ist nichts zu wollen,« murmelt er, »... trotz dem Schwarzgrünen.« Und mit seinen langen Schritten eilt er hinaus in den Hof, wo der Schokoladebraune, mit der dieser Menschenrasse eigentümlichen Mischung von Verachtung und Herablassung, sich mit dem Kaliban zu verständigen sucht. Vor der hohen Gestalt des Grafen schnellt er aber sofort in seine korrekte Haltung zurück.
»Melden Sie Seiner Durchlaucht, daß ich kommen werde.«
Denn der Thorsteiner gibt sich nicht unnötig mit Papier und Tinte ab. Kaum ist der Schokoladene verschwunden, so ruft er mit Donnerstimme:
»Märt, die Kiste 4 + 6.« Was den musikalischen Brunnen zu einem beifälligen Gemurmel veranlaßt. Denn Kaliban ist schwerhörig.
Früher, als sein Übel sich noch nicht so fühlbar machte, war er Bursche gewesen bei des Grafen Vater, dann war er Bauernknecht geworden, und obgleich ihn seine Herren wegen seiner Riesenkräfte und seiner treuen Arbeit wohl schätzten, hatte seine zunehmende Schwerhörigkeit es ihm immer schwerer gemacht, mit seinen Mitknechten auszukommen. Er wurde gehänselt, oder kam sich so vor, - ein kleines rotköpfiges Minele wollte nur Spott mit seiner scheuen Liebe treiben, und so wäre er, den seine Riesenkräfte und sein schnell auflodernder Zorn fast zu einem gefährlichen Menschen machten, schier in eine schlimme Sache hineingekommen.
Eines Abends, als er in der halbdunkeln Scheune saß, neben dem letzten noch nicht abgeladenen Heuwagen, und zu seinem immer mehr umsponnenen Ohr die gedämpften Stimmen der Knechte und Mägde drangen, wie sie schäkerten und lachten, und er die hohe Stimme des roten Minele und die krähende des schönen Beckenkarl und dazu seinen Namen zu verstehen glaubte, da hatte sich sein einsamer dumpfer Schmerz plötzlich in einen aufsteigenden heißen Zorn verwandelt.
An dem Abend war er nicht zum Nachtmahl erschienen, und die Nacht hatte ihm einen furchtbaren Traum gebracht. Die Hecke mit den alten Eichenknüppeln, einen Menschen auf dem Gesicht in einer roten Lache liegend, daneben steht seine alte Mutter mit der schwarzen Florhaube, das große silberbeschlagene Gesangbuch im Arm, ganz so, wie sie ihm sein Erinnerungsguckkasten am liebsten zeigt, und hebt entsetzt ihre Hände auf.
Am andern Morgen hatte er seinen Dienst gekündigt mit so wilden Gebärden, daß der Bauer den unheimlichen Menschen trotz der dringenden Arbeit hatte ziehen lassen. Er war dann in seine Heimat gegangen, obgleich er das alte Mütterlein nur an dem Hügel mit dem schwarzen Holzkreuz darauf besuchen konnte, und hatte getaglöhnert. Ein finsterer und unzugänglicher Geselle, dem die Kinder scheu aus dem Wege liefen.
Da war er eines Tages im Holzschlag dem Sohn seines früheren Herrn begegnet, der mit seiner Staffelei vor einer Waldwiese saß. Der hatte ihn sofort erkannt und ihn freundlich angeredet. Die Stimme erweckte die schönsten Erinnerungen