La dolce vita, aber streng nach Zeitplan! So geht Urlaub für Deutsche. Christian Ritter, umtriebiger Humorist aus Berlin, hat seine Landsleute rund um die Welt beim Urlauben beobachtet und festgestellt: Sie können's einfach nicht. Wenn kurz nach Mitternacht der Wecker klingelt, weil die besten Plätze am Pool belegt werden wollen, wenn die Urlaubsbräune generalstabsmäßig erarbeitet wird und wenn der karibische Katamaranausflug zu Helene Fischer schunkelt, heißt es: Die Deutschen sind da! Zum Clash der Kulturen kommt es unweigerlich, sobald Improvisation, Fremdsprachen-Kenntnisse oder schlicht: Lässigkeit, gefordert sind. Dann hilft nur noch Humor seitens des Betrachters. Mit satirischer Pointiertheit und viel Selbstironie erzählt Christian Ritter seine hochkomischen Urlaubsgeschichten aus aller Welt. Als Teil eines deutsch-italienischen Haushalts macht er sich nur allzu gern selbst zur Zielscheibe des Spotts. Denn wer nicht selbst ein wenig zu deutsch ist, werfe die erste Kartoffel!

Christian Ritter (Jahrgang 1983) lebt als freischaffender Autor in Berlin und ist außerdem viel unterwegs, als ständiger Vorleser seiner eigenen Geschichten im deutschsprachigen Raum, gelegentlich auch einfach privat auf der ganzen Welt. Er veranstaltet und moderiert Poetry Slams sowie andere Literaturveranstaltungen und ist Teil der Berliner Lesebühne »Zentralkomitee Deluxe«. Ritter war bayerischer Meister und deutschsprachiger Vizemeister im Poetry Slam, hat zwei Romane (zuletzt »Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers« im Heyne-Verlag) und mit diesem Buch nun sieben Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht und bestückt außerdem seinen Podcast »Rittergeschichten« regelmäßig mit neuen Texten.

Autorentext

Christian Ritter (Jahrgang 1983) lebt als freischaffender Autor in Berlin und ist außerdem viel unterwegs, als ständiger Vorleser seiner eigenen Geschichten im deutschsprachigen Raum, gelegentlich auch einfach privat auf der ganzen Welt. Er veranstaltet und moderiert Poetry Slams sowie andere Literaturveranstaltungen und ist Teil der Berliner Lesebühne »Zentralkomitee Deluxe«. Ritter war bayerischer Meister und deutschsprachiger Vizemeister im Poetry Slam, hat zwei Romane (zuletzt »Die sanfte Entführung des Potsdamer Strumpfträgers« im Heyne-Verlag) und mit diesem Buch nun sieben Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht und bestückt zudem seinen Podcast »Rittergeschichten« regelmäßig mit neuen Texten.



Leseprobe
MEIN FREUND, DIE FRAU

Ich habe ein für einen schwulen Mann recht außergewöhnliches Problem. Der Mann, mit dem ich zusammenlebe, hat einen Frauennamen. Die Erklärung dafür ist recht unspektakulär. Er ist Italiener. Da heißen Männer gelegentlich so, wie in Deutschland Frauen heißen. Andrea, Kim, Hannelore. So heißen die da. Mit einem von denen bin ich zusammen. Und natürlich hab ich ihm bei unserer allerersten Begegnung gesagt: »Andrea ... du weißt schon, dass das 'n Frauenname ist?« Und er hat mich mit seinem Blick getötet, in den ich mich verliebt habe.

Jetzt leben wir, und er vor allem, einfach damit und mit den dazugehörigen Komplikationen. Mit der ständigen Konfusion bei jedem Behördengang, jeder Ausweiskontrolle, sämtlicher schriftlicher Kommunikation. Alle Briefe, die er bekommt, sind adressiert mit »Frau Andrea Hmhmhm«. Weil, ich vermute das nur, irgendwo im Hintergrund eine Person sitzt (vielleicht ist es immer dieselbe, ich weiß es nicht), die denkt, dass sie es vielleicht ein bisschen besser weiß als ihr unsichtbares Gegenüber, die ein Formular auf den Tisch bekommt, sich das anschaut und dann entscheidet: »Aaah, da hat so eine Andrea mal wieder Herr angekreuzt. Kleines Dummerchen. Na ja, korrigieren wir das mal. Andrea ist natürlich immer eine Frau ... Spätestens jetzt.« ENTER.

Und diese Vorstellung verwirrt mich. Die Vorstellung, dass andere davon ausgehen könnten, ich könnte tatsächlich mit einer Frau zusammen sein, verwirrt mich. Wofür hab ich denn jahrelang gekämpft und mir bunte Klamotten angezogen und versucht, die Akzeptanz voranzutreiben, indem ich mich auch mal für eine Weile völlig unnötig und übertrieben als »Guten Tag, Christian Ritter, homosexuell« vorgestellt habe? Um zu normalisieren! Eigentlich genau dafür, dass wir dort angekommen sind, wo wir jetzt stehen. Dafür, dass mir Leute ins Gesicht sagen können »Schwulsein ist ja auch 'n bisschen übern Zenit, ne? Bisschen langweilig geworden, bisschen gewöhnlich. Nicht mehr so richtig angesagt. Wenn de heutzutage noch was Besonderes sein willst, musst du dich schon 'n bisschen mehr anstrengen, da gibt's wirklich Aufregenderes. Ich persönlich bin ja sapio-objektsexuell und fühle mich nur von sehr intelligenten Gegenständen angezogen. Ich lebe in einer polyamoren Beziehung mit drei iPhones, zwei Alexas und einem Kopfkissen aus Memory-Schaum.«

Aber zurück zum Thema, meinem Freund. Eine Situation im Speziellen tritt immer wieder auf. Wir haben ein Hotelzimmer gebucht, unsere Namen sind also bekannt, wir als Person noch nicht, und dann stehen wir plötzlich da, in irgendeiner Garni-Pension in Göttingen an der Rezeption. Und auf geht's:

Er:

»Jetzt, wo ich Sie so sehe, ähm, also irgendwas stimmt da nicht.«

Ich:

»Warum? Was stimmt denn nicht?«

Er:

»Andrea. Das ist doch ein Frauenname.«

Ich:

»Ja, das wissen wir.«

Er:

»Aber Sie sind zwei Männer.«

Ich:

»Das ist uns auch schon aufgefallen.«

Er:

»Aber ich dachte, Sie seien Mann und Frau!«

Ich:

»Ich respektiere Ihre Gedanken, aber das ist halt nicht so. Und?«

Er:

»Das ist jetzt schon ein bisschen problematisch.«

Titel
Hoffentlich regnet es zu Hause
Untertitel
Wenn Deutsche Urlaub machen
EAN
9783957911131
Format
E-Book (epub)
Veröffentlichung
16.05.2022
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.69 MB
Anzahl Seiten
150
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet