Claudia Pietschmann, 1969 in der Mark Brandenburg geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend inmitten zahlloser Bücher. Sie studierte in Berlin Betriebswirtschaftslehre und arbeitete anschließend als Marketingberaterin und Werbetexterin. Mit dem Träumen beschäftigt sich die Autorin schon lange. Es ist ihr sogar gelungen, das Luzide Träumen zu erlernen, genau wie die Figuren in ihrem Debutroman 'GoodDreams'. Foto © privat
Autorentext
Claudia Pietschmann, 1969 in der Mark Brandenburg geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend inmitten zahlloser Bücher. Sie studierte in Berlin Betriebswirtschaftslehre und arbeitete anschließend als Marketingberaterin und Werbetexterin. Mit dem Träumen beschäftigt sich die Autorin schon lange. Es ist ihr sogar gelungen, das Luzide Träumen zu erlernen, genau wie die Figuren in ihrem Debutroman "GoodDreams". Foto © privat
Leseprobe
1
Seifenblasen schmecken wie Butterblumen. Ich weiß es, weil ich beides probiert habe. Das mit den Butterblumen ist schon viele Jahre her, als ich noch klein war. Aber ich erinnere mich an den Geschmack - bitter und irgendwie grün. Wie Seifenblasen, habe ich gerade festgestellt.
Ich liege in der Badewanne und habe die Augen geschlossen. Auf das kleine Schränkchen neben mir habe ich die Bluetoothbox gestellt, die in einer Endlosschleife mein Lieblingslied spielt. »Wonderwall«. Der Song beginnt gerade von Neuem und startet mit Gitarrenklängen, die mich auch dann beruhigen, wenn mein ganzer Geist in Aufruhr ist. Am Anfang ist da nur diese eine Gitarre und jedes Mal, wenn ich sie höre, wünsche ich, ich würde ein Instrument beherrschen. Nach und nach setzen der Gesang und das Schlagzeug ein und dann kommen in mir all die Gefühle hoch, die ich normalerweise weit von mir schiebe, weil ich sie nicht ertragen kann.
Das Badewasser ist inzwischen abgekühlt und ich beginne zu frösteln. Aber ich will nicht rausgehen, will die Welt noch eine kleine Weile ausschließen. Hier im Wasser fühle ich mich geborgen und leicht. Leichter als draußen auf jeden Fall.
Als auf der Treppe Stimmen erklingen, weiß ich, dass es damit vorbei ist. Ich halte die Luft an und tauche unter. Hören kann ich sie trotzdem. Es klopft.
»Alles gut, Emma?«
Ich tauche auf. »Alles gut, Mum.«
»Wirklich?«
»Klar, Dad. Macht euch keine Sorgen.«
Meinen Kopf habe ich schon wieder unter Wasser, als ich sie die Treppe runtergehen höre. Das schnelle Trippeln von kleinen Kinderfüßen fehlt. Seine Stimme, die nach mir ruft, fehlt.
Nie wieder werde ich sie hören.
Dieser Gedanke hängt über mir wie ein Schwert, das jeden Augenblick heruntersausen kann. Meine Augen fühlen sich komisch an, brennen, sind feucht - wenn das unter Wasser überhaupt möglich ist. In diesem Moment fällt mir auf, dass ich nicht weiß, wie lange ich den Atem schon anhalte, aber ich fühle mich gut und mich überkommt ein Gefühl der Freiheit, als ich feststelle, dass ich überhaupt nicht das Bedürfnis habe, Sauerstoff in meinen Körper zu lassen.
Nach ungezählten Sekunden tauche ich wieder auf und höre Mum von unten rufen, dass das Essen auf dem Tisch steht.
Es ist Dienstag und damit Pizzatag, was bedeutet, dass meine Mutter zwei Packungen fertigen Pizzateig aus dem Kühlschrank holt, ihn auf Blechen ausbreitet, die beigefügte Soße daraufklatscht und das Ergebnis anschließend mit allem belegt, was der Kühlschrank hergibt. Darüber kommt noch eine ordentliche Ladung Barbecuesoße und ab damit in den Backofen. Früher haben wir beim Essen gelacht. Vor allem, wenn ich wieder einmal den gekochten Schinken von meinem Pizzastück gezogen habe, als wäre es eine Showeinlage. Die anderen haben sich um die Stücke gerissen wie ein Rudel Löwen. Früher gab es zwei Pizzableche für vier Leute. Seit vier Monaten bleibt ein halbes Blech unaufgegessen, niemand macht sich mehr heißhungrig über den Schinken her und Mum hat aufgehört zu lachen.
Ich steige aus der Wanne, stehe zitternd auf den türkisfarbenen Fliesen in unserem Badezimmer. Dann trockne ich meinen Körper und meine Tränen und öffne die Tür. Im Flur ist es dunkel und ich bekomme einen Schreck, als nach einem vorsichtigen Schritt auf einmal die Strahler angehen, deren kaltes Licht mich blendet. Ich glaube nicht, dass ich mich je an unser neues Zuhause gewöhnen werde. Alles ist ungemütlich und kalt und fühlt sich nicht an, als ob man hierbleiben wollte. SmartHome nennt es Dad. Für mich ist es eher die Bühne der Rocky Horror Picture Show. Ich fühle mich nie unbeobachtet, denn dieses Haus scheint immer im Voraus zu wissen, was ich tun werde.
Meine Eltern wollten hier unbedingt wohnen. Nun klatsche ich zweimal kurz in die Hände, um das Licht wenigstens zu dimmen. Mir ist nicht danach, wie im Scheinwerferlicht die Treppen hinunterzuschreiten. Den g