It has been customary to regard morphological irregularity as an accident of language change and accordingly its eventual disappearance as only a matter of time. This study undertakes a fundamental re-evaluation of that assumption. On the basis of a contrastive analysis of ten highly frequent verbs in ten Germanic languages it shows that irregularity is in fact consistently generated in an astonishingly systematic way. In the course of the discussion it transpires that irregularity and brevity of expression are closely associated. The detailed description of irregularity principles is followed by a theoretical section. Here, the negative concept of irregularity is replaced by that of differentiation, which is shown to have a positive function in connection with high token frequency because it allows for formal brevity without any risk of syncretism. Against this background total suppletion represents the ideal combination of maximal differentiation and brevity of expression.
Klappentext
>gegen den Strich gebürstet<, indem nach Entstehung und Sinn morphologischen Chaos (bis hin zur Suppletion) gefragt wird. Anhand der kontrastiven Analyse von zehn elementaren, hochfrequenten Verben in zehn germanischen Sprachen (einschließlich des Alemannischen) wird gezeigt, daß Irregularität kein vereinzelter Unfall der Sprachgeschichte ist, sondern immer wieder und in erstaunlich systematischer Weise produziert wird, auch auf anderen sprachlichen Ebenen. Dazu wird jeweils bis zu den frühesten schriftlichen Belegen zurückgegangen. Auf die detaillierte Korpusanalyse folgt eine Typologie der Irregularisierungs- und Reduktionsstrategien, wobei deutlich wird, daß beide Phänomene eng miteinander gekoppelt auftreten: Irregularisierung führt zu kürzeren Formen und umgekehrt Reduktion zu Irregularität.
Die Funktionalität dieser Prozesse ist Gegenstand des dritten Teils: Hier erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Morphologischen Natürlichkeitstheorie und mit der Ökonomietheorie. Der Negativbegriff der Irregularität wird durch den Begriff der Differenzierung ersetzt, die gerade im hochfrequenten Bereich hochgradig funktional ist, da sie Ausdruckskürze ohne die Gefahr des Synkretismus ermöglicht. Irreguläre, tendenziell monosyllabische Verben sind häufig sogar überdifferenziert, indem sie mehr Kategorien als üblich markieren (vgl. engl. am, are, is). Vor diesem Hintergrund bildet totale Suppletion die optimale Realisierung von maximaler Differenzierung und Ausdruckskürze.