'Morbus Cushing ist eine eigenwillige Krankheit. Sie hatte sich in mein Leben geschlichen. Langsam, leise, aber spürbar. Sie hatte ihre schillernden Facetten ausgebreitet, über deren Originalität ich auch heute nur selten lachen kann. Sie hat mein Leben zunächst nur gefärbt, dann vergiftet und es schließlich vollkommen beherrscht. Und dann, wie ein Wunder kam es mir vor, war ich irgendwann wieder gesund. Welche Stationen auf diesem Weg mit Morbus Cushing lagen, beschreibt Doris Gruber in ihrem Buch. Die Aspekte der Selbsthilfe und des Krisenmanagements erhalten hier eine zentrale Bedeutung. Denn vorbereitet zu sein, kann einen Teil der Angst, die immer mit Krankheit einhergeht, nehmen. Wissen und Mitreden helfen dabei, die eigene Handlungsfähigkeit und Würde aufrechtzuerhalten in einer Situation, die oft genug als verwirrend, beängstigend, entmündigend und als verzweifelt aussichtslos empfunden wird. Diese seltene endokrinologische Erkrankung betrifft Frauen 5mal häufiger als Männer. Dabei führt die Überproduktion des ACT-Hormons nicht nur zu körperlichen Veränderungen. Auch Geschlechtlichkeit und Sexualität sind betroffen. Vom Umgang mit der Erkrankung und der Bewältigung der psychosozialen Auswirkungen erzählt die Autorin in ihrem Erfahrungsbericht. Dr. Doris Gruber, Jahrgang 1968, Studium der Romanistik und Anglistik, erkrankte 1999 an Morbus Cushing. Die lange Suche nach der richtigen Diagnose und die Schwere der Erkrankung beendeten ihre gerade begonnene wissenschaftliche Karriere. Nach erfolgreicher Operation und während der langen Heilungsphase fand Doris Gruber eine neue Lebensperspektive und arbeitet heute als NLP-Coach.

Autorentext
Dr. Doris Gruber, Jahrgang 1968, Studium der Romanistik und Anglistik, erkrankte 1999 an Morbus Cushing. Die lange Suche nach der richtigen Diagnose und die Schwere der Erkrankung beendeten ihre gerade begonnene wissenschaftliche Karriere. Nach erfolgreicher Operation und während der langen Heilungsphase fand Doris Gruber eine neue Lebensperspektive und arbeitet heute als NLP-Coach.

Leseprobe
(Auszug) Was ist MC? Als ich zum ersten Mal von MC hörte, befand ich mich auf der verzweifelten Suche nach einer Diagnose. Nach einem Jahr verschiedenster Symptome, die bislang kein Arzt schlüssig zuordnen konnte, hatte ich das Gefühl, vollkommen alleingelassen worden zu sein. Weder ÄrztInnen noch Freunde konnten mir helfen und ich fühlte mich meinen körperlichen und seelischen Veränderungen ohnmächtig ausgeliefert. Die Überweisung zum Facharzt für hormonelle Erkrankungen Endokrinologe hatte ich mir selbst erkämpfen müssen. Mein Hausarzt hatte abgeklärt, dass ich nicht unter Diabetes litt, worauf man hätte schließen können, da ich Unmengen an Flüssigkeit zu mir nahm. Eine weitere hormonelle Störung hielt er nicht für wahrscheinlich und sträubte sich ein wenig, als ich darauf bestand, einen Endokrinologen aufzusuchen. Monate später, der Termin war längst vorbei und die Symptome hatten sich drastisch verschlimmert, stand ich allein mit dem Pschyrembel in meiner Wohnung. Das hormonelle Screening hatte ergeben, dass ich zu viele männliche Hormone produzierte. Die anderen Werte konnte ich nicht deuten. Der Endokrinologe hatte mich darüber informiert, dass grenzwertige ACTH- und Cortisol-Werte vorlagen. Was bedeutete dies? Ich suchte im Pschyrembel, dem medizinischen Lexikon, das ich im Regal stehen hatte, nach Hinweisen und klappte die Seite mit dem Stichwort Morbus Cushing auf. Das Schwarzweiß-Bild eines übergewichtigen Mannes stach mir ins Auge. Der Mann sah furchtbar aus. Er hatte ein mondförmiges Gesicht mit infantilen Zügen. Sein Oberkörper war aufgeschwemmt. Der Kopf sah aus, als würde er von einem unsichtbaren Seil nach hinten gezogen. Der Nacken wirkte steif und extrem breit, der Hals schien nach vorn gedrückt zu werden, ein Doppelkinn trat hervor. Ich meinte, das Gefühl im Nacken zu spüren, das diese seltsam gepresste Kopfhaltung auslöste. Betrachtete ich mich im Spiegel, verstärkte sich in letzter Zeit der Eindruck, dass sich ein Doppelkinn herauszubilden begann, was mehr an meiner Haltung lag als am Fettgewebe. Obwohl auch dieses zugenommen hatte: Mein Gesicht war runder geworden und meine sonst hervortretenden Wangenknochen in aufgeschwemmtes Gewebe eingebettet, was meine üblicherweise klaren Züge verwischte. Mein Nacken dagegen war breiter als früher und ich fand, dass mein Gesicht dadurch unangenehm männliche Züge bekommen hatte. Der Schrecken über die sichtbare Veränderung überlagerten das Wissen, dass ich im Vergleich mit dem Bild des Mannes noch relativ normal aussah. Dies war der Anstoß, mich zu fragen, warum mein Hals kürzer und breiter wurde, warum sich Gesicht und Körper aufgeschwemmt zeigten. Warum nahm ich zu, erschlaffte mein Gewebe, war ich ohne Kraft, obwohl ich mehr aß als früher, um mich überhaupt noch aufrecht zu erhalten? Was war der Grund für die zunehmende Körper- und Gesichtsbehaarung, während die Kopfhaare dünner wurden? Im Pschyrembel fand ich Informationen, die mir zum ersten Mal wie eine Erklärung schienen. Verängstigt und durcheinander brauchte ich jedoch lange, um die Dinge zuordnen zu können. Unter dem Stichwort »Cortisol« wurde auf das Cushing-Syndrom verwiesen, ein Krankheitsbild, »gekennzeichnet durch vorwiegende Erhöhung von Cortisol im Plasma«. In meiner Übersetzung hieß der Satz: Das Cushing-Syndrom wird hervorgerufen durch zu viel Cortisol im Blut. Cortisol ist ein Corticoid, ein Stoff, der in der Nebennierenrinde produziert wird und ähnlich dem Cortison wirkt, was wir als Medikament kennen. Die folgenden Darstellungen geben inhaltlich den damals benutzten Pschyrembel, Stichwort Cushing Syndrom wieder: Das Cushing-Syndrom kann hervorgerufen werden durch eine Überdosierung von cortisonhaltigen Medikamenten, die man auch Glukocorticoide nennt. Wenn dies die Ursache der Krankheit ist, spricht man von exogenen Ursachen des Cushing- Syndroms. Wenn die Störung im Körper selbst entstanden ist, also nicht von außen, durch Medikamente zugeführt, spricht man von endogenen Ursachen. Diese treten »als Folge einer Störung der Hypothalamus- HVL-Regulation« auf. Hier wurde, in knappster Form, ein Regelkreis angesprochen, den man nicht ohne weitere Informationen versteht. Mit HVL ist der Hypophysenvorderlappen gemeint. Im HVL wird ein Stoff produziert, der die Nebennierenrinde zur Produktion von Cortisol anregt. Dieser Stoff in der Hypophyse heißt ACTH. Dessen Ausschüttung bewirkt die Produktion von Cortisol. Wird genug Cortisol produziert, setzt ein Rückkopplungsmechanismus ein. Stoffe im Hypothalamus dem Zentrum oberhalb der Hypophyse bewirken, dass kein ACTH mehr produziert und ausgeschüttet wird. Damit ist die Cortisolproduktion gehemmt. Erst, wenn der Cortisolspiegel so weit absinkt, dass neues Cortisol gebraucht wird, regt der Hypothalamus die erneute Freisetzung von ACTH in der Hypophyse an. Die im Pschyrembel angesprochene Störung der Hypothalamus- HVL-Regulation übersetzte ich mir so, dass die Regulation der Produktion bzw. Hemmung bestimmter Hormone ACTH in diesem Fall nicht mehr stimmt. Es »kommt [...] zu einer Erhöhung der ACTH-Sekretion [...] und Erhöhung des Cortisols im Plasma«. Ursache dafür ist häufig ein HVL-Tumor ein Tumor der Hypophyse, der selbst ACTH produziert und dadurch die Hormonregulation durcheinanderbringt. Weitere seltenere Ursachen können ein Nebennierenadenom, -karzinom oder Bronchialkarzinom sein. Zu den klinischen Zeichen von MC zählen »Vollmondgesicht, Stammfettsucht [...] Hirsutismus [vermehrte Körperbehaarung], Hypertonie [erhöhter Blutdruck], Muskelschwäche, [...] Amenorrhoe [Ausbleiben der Regelblutung] [...]. Frauen erkranken 4-5mal häufiger als Männer. Erkrankungsgipfel zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr [...] Das C.-S. führt unbehandelt in relativ kurzer Zeit (Monate bis wenige Jahre) zum Tode.« Soweit der Pschyrembel. Den letzten Satz las ich mehrere Male hintereinander. Ja, ich hatte erhöhte ACTH-Werte, deutlich s…
Titel
Diagnose Morbus Cushing - Überleben um zu leben
Untertitel
Erfahrungsbericht einer Betroffenen
EAN
9783938580554
ISBN
978-3-938580-55-4
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
19.09.2013
Digitaler Kopierschutz
Adobe-DRM
Dateigrösse
0.12 MB
Anzahl Seiten
132
Jahr
2013
Untertitel
Deutsch
Auflage
2. Aufl.
Lesemotiv