Der Roman aus der Bronzezeit gehört zu den eindrücklichsten Geschichten von Eduard torch. Er erzählt nicht nur von längst vergangenen Zeiten. Die Spannung begleitet uns diesmal von den ersten Zeilen bis zum Ende. Seine Zeitlosigkeit verbirgt sich jedoch im Protagonisten, der sich von den anderen unterscheidet: Er sticht nicht durch Schönheit und Tapferkeit hervor, auf den ersten Blick ist er ein Krüppel Knirps, ein aufgeweckter, neugieriger und mutiger Junge, der einen langen und gefährlichen Weg gehen muss um zu beweisen, dass eine Person nicht nur nach dem Aussehen beurteilt werden kann. Auf seiner Reise sucht er das Glück, vor allem aber will er den Namen seinen zu Unrecht des Mordes angeklagten Vaters reinwaschen. Eduard torch (* 10. April 1878 in Ostrom; 25. Juni 1956 in Prag) war ein tschechischer Schriftsteller, Pädagoge und Archäologe. Nach Abschluss des Realgymnasiums in Hradec Králové besuchte torch die dortige Lehrerbildungsanstalt. Danach wirkte er als Schulrat zunächst in Nordböhmen und Ostböhmen. Von 1903 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1938 unterrichtete torch in Prag. Bei Lubor Niederle studierte torch Archäologie. Daneben galt sein Interesse auch der Ethnographie und Biologie. 1935 verfasste torch zusammen mit Karel ondl ein dreiteiliges Geschichtslehrbuch für die Bürgerschulen. Das sehr fortschrittliche Werk mit dem Titel Praktisches Geschichtsbuch für die Bürgerschule wurde vor allem von der katholischen Kirche scharf angegriffen und führte 1936 zu einer förmlichen parlamentarischen Anfrage des Senators und Katecheten Alois Roudnický (SL) an die tschechoslowakische Regierung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts publizierte torch eine Reihe von Büchern zur Ur- und Frühgeschichte Böhmens und Mährens. Später verarbeitete er diese Thematik in Jugendbüchern. Bekanntheit erlangte torch im deutschsprachigen Raum vor allem durch die in mehreren Auflagen erschienenen Erzählungen Die Mammutjäger, Der Bronzeschatz und Abenteuer am großen Fluß. In Lobe, dem Schauplatz seines Romans Minehava fand er seine letzte Ruhestätte.

Leseprobe
Einige kleine Siedlungen säumten den Fluss der bewaldeten Höhenrücken. Wald und Wasser boten den Bewohnern des Talkessels, in dem heute Prag liegt, ein hinreichendes, wenn auch bescheidenes Dasein. Ihre kleinen Flachs-, Weizen-, Gerste- und Hirsebeete zeugten von ihrer primitiven Landwirtschaft. Auf den Wiesen weideten da und dort magere Rinder; der Ruf der Hirten, die eine verirrte Kuh suchten, schallte durch den tiefen Wald. Der Kaltbach war ein kleines Rinnsal mit klarem Wasser, schmackhaften Forellen und leckeren Krebsen. Dort, wo er in die Moldau mündete, schmiegten sich ein paar Hütten an sein Ufer. Sie gehörten dem Stamme der Bären; ihre runden, mit Lehm beworfenen Katen waren über ein großes Stück Land verleih. In einem entfernter liegenden Teil der Siedlung wohnte auch der Häuptling des Stammes, der Starke Bär, am Bach selbst vertrat ihn Schiefmaul, der Priester, Zauberer und Geisterbeschwörer (Schamane) des Bärenstammes. Die Hütten dieser beiden Männer waren die größten, waren viereckig, trugen ein Dach und waren aus starken Baumstämmen gebaut. Vergeblich hätte man hier jenen Bären, der Vogelsteller genannt wurde, in seiner Hütte oder bei der Beratungseiche gesucht. Auch auf seinem Feld arbeitete er nicht, und bei seinem Vieh auf der Weide war er gleichfalls nie zu erblicken. Der Vogelsteller war immerzu im Walde. Ganze Tage und oft auch des Nachts weilte er bei seinen Vogelherden. Wenn der Häuptling den Stamm zur Beratung zusammenrief, kamen nicht immer alle Männer, aber Vogelsteller fehlte fast jedes Mal. Vergeblich wärmte sein zweites Weib, das schöne Rotkehlchen, mit heißen Kieselsteinen den dünnen Brei und umsonst bereitete sie die in Honig eingelegten Eichhörnchen zu, Vogelsteller erschien nicht zum Abendbrot. Aus allen Hütten ringelte sich eine blaugraue Rauchsäule zum Himmel, es verbreitete sich der Duft gebratenen Fleisches, nur in Vogelstellers Hütte gab es kein Wild und der Rost seines Herdes lag im Winkel. Dabei war es dem ganzen Stamme gut bekannt, dass der Vogelsteller ein ausgezeichneter Jäger war, der soviel Beute aus dem Walde hätte bringen können, wie er nur wollte. Rotkehlchen müsste denn auch aus den benachbarten Hütten manches bissige Wort einstecken. So hatte der unfreundliche Brummbär ihr im Vorbeigehen zugerufen, die Familie Vogler habe heute wohl bald zu Abend gegessen. Rotkehlchen blitzte ihn mit drohenden Augen an, lief auf den Hügel jenseits des Baches und ließ das Tal entlang Voglers Pfiff erschallen. Sie bekam jedoch keine Antwort. Vogler war wohl wieder so in seinen Vogelfang vertieft, dass er gar nicht wüsste, wie die Zeit dahineilte und dass sich die Männer vor der Beratungseiche schon zu dem üblichen Abendplausch auf ihre Steinsitze niederliessen. Ungeduldig warf Rotkehlchen den Kopf zurück und ging wieder in ihre Hütte. Wo bist du, Knirps? schrie sie, um den Sohn der verstorbenen ersten Frau des Voglers herbeizurufen. Der Bub ist schon wie der Vater, sagte Rotkehlchen zu sich selbst. Ununterbrochen steckt er im Wald. Daheim sieht man ihn nur beim essen! Knirps, wo bist du wieder, du unsteter Geist? Aus dem Gestrüpp kam die unscheinbare, etwas verwachsene Gestalt eines Knaben. Er war zwar nicht bucklig, aber mit seinem schwachen, kurzen Körper und den langen Armen sowie dem auf dem Rumpf fast ohne Hals aufsitzenden kleinen Kopf unterschied er sich sehr unvorteilhaft von der übrigen gesunden Jugend des Stammes. Darum nannte ihn auch niemand anders als Knirps und es ist wohl nicht verwunderlich, dass er von jedermann spöttische und unfreundliche Worte zu hören bekam, wo doch nicht einmal Rotkehlchen, seine eigene neue Mutter, für ihn ein gütiges Wort hatte. Sie hatte ihm schon oft vorgeworfen, dass sie sich für einen solchen Krüppel wie ihn schäme. Und mehr als einmal hatte er bereits hören müssen, dass Rotkehlchen ihn in den Wald zu den Wölfen treiben werde, wenn ihr ein eigener Sohn geboren würde. Knirps näherte sich langsam der Stiefmutter. Lächelte er? Schnitt er eine Grimasse? Das war schwer zu sagen, denn Knirps zeigte immer die Zähne. Manchmal sah das wie ein bitteres Lächeln aus, in diesem Augenblick aber drückte sein Gesicht eher kindische Freude aus. In seinen Augen strahlte sieghafte Befriedigung. Er trieb einen Ziesel vor sich her, den er mit einer Schnur an einem der Hinterbeine angebunden hatte. Mit einer Rute wies er ihm die Richtung des Weges. Du meinst wohl, dass wir an einem Ziesel genug zum Abendessen haben? schrie Rotkehlchen den Knaben spöttisch an. Knirps blieb ganz ruhig und zog, ohne die Schnur loszulassen, aus seinem Bast-ränzel einen zusammengerollten Igel heraus. Er legte ihn vorsichtig auf die Erde und strich sich mit der Hand über den Schenkel, als wollte er die von den spitzen Stacheln schmerzende Haut streicheln. Rotkehlchen, das war ein Spaß mit den beiden! begann der Knabe zu erklären. Ich will nichts wissen von deinem Spaß, fuhr ihn Rotkehlchen an. Wieder bringst du neues stinkendes Viehzeug nach Hause! Ich werf' euch das alles hinaus ... Und du schau, dass du weiterkommst, lauf' zum Vogelherd und hol den Vater... Knirps legte den eingerollten Igel und den sich windenden Ziesel in sein Bastränzel; dann ging er in den Wald seinen Vater suchen. Er durchwatete den seichten Bach und eilte auf einem kaum bemerkbaren Pfad den Berg hinan. Unter einem Felsblock, nicht weit hinter einem Buchendickicht, begegnete er dem Vater. Der Vogler trug einen geflochtenen Käfig, der mit einem Stück groben Zeugs zugedeckt war. Hast was gefangen, Vater? fragte er den Mann. Vogler lächelte und sagte kein Wort. Knirps hatte aber bereits erraten, dass es heute eine gute Jagd gegeben haben müsse und der Vater wohl etwas besonders Seltenes gefangen habe. Er wollte einen Zipfel der Decke vom Käfig lüften, der Vater nahm aber das Vogelbauer in die andere Hand. Der Vater will sich gewiss erst daheim damit rühmen! dachte Knirps und zappelte mit klein…
Titel
Der Bronzeschatz
EAN
9783961272983
Format
E-Book (pdf)
Altersempfehlung
ab 12 Jahre
Hersteller
Veröffentlichung
28.08.2022
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
2.64 MB
Anzahl Seiten
264
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv