Willow Anderson fällt aus allen Wolken, als sie nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Großvaters von dessen letztem Fall erfährt: Er wollte ein Baby ausfindig machen, das vor über 20 Jahren aus dem Krankenhaus entführt wurde. Dabei sind sie in ihrer gemeinsamen Firma eigentlich auf Ahnenforschung und das Auffinden verschollener Erben spezialisiert. Doch anscheinend hatte ihr Großvater bereits eine heiße Spur eine so heiße Spur, dass auch Willow plötzlich in Lebensgefahr gerät. Nun bleibt ihr gar keine andere Wahl: Zusammen mit ihrem Exfreund, dem früheren FBI-Agenten Austin McKade, stürzt sie sich in die Ermittlungen. Und stößt in ein Wespennest aus Intrigen und Verrat

Autorentext
Elizabeth Goddard hat Computertechnologie studiert und mehrere Jahre in dieser Branche gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie ist Mutter von vier inzwischen fast erwachsenen Kindern und lebt in Michigan.

Leseprobe
Kapitel 1 Ein Familienstammbaum, dessen Wurzeln nicht versorgt werden, kann eingehen. Unbekannt MONTAG, 8:32 UHR, GEGENWART BÜROS VON ANDERSON CONSULTING SEATTLE, WASHINGTON Der Tod war für sie zwar kein Unbekannter, aber ein höfliches Anklopfen wäre als Vorwarnung nicht schlecht gewesen. Willow Anderson hatte nicht damit gerechnet. Sie hatte den Tod nicht kommen sehen. Jeder wurde früher oder später damit konfrontiert. Todesanzeigen und Grabsteine waren Teil ihrer Arbeit. Teil ihres Lebens. Warum hatte es sie dann so kalt erwischt? Aber vorgewarnt oder nicht sie musste sich dem stellen, was ihr geblieben war. Es hatte keinen Sinn, es noch länger aufzuschieben. Sie stand vor dem überfüllten Schreibtisch und starrte mit Tränen in den Augen die Post an, die sich hoch stapelte. Eine Leuchtstoffröhre in der Ecke des Büros, das früher eine Lagerhalle gewesen war, flackerte und summte, dann wurde sie so dunkel, dass Willow kein brauchbares Licht mehr hatte. Aber davon ließ sie sich nicht abhalten. Wie benommen schaute sie alle Umschläge durch und legte sie dann auf JTs Schreibtisch. Stromrechnung. Wasserrechnung. Etwas von der Stadtverwaltung? Oh, JT hatte eine Karibikkreuzfahrt gewonnen! Werbebriefe. Noch mehr Rechnungen. Der nächste Brief sah wie ein Scheck aus. Sie riss ihn auf. Tatsächlich ein Scheck für Anderson Consulting für erbrachte Leistungen. Willow ließ den Kopf hängen. Moment! Nicht für Anderson Consulting. In ihrer Trauer hatte sie falsch gelesen. Der Scheck war auf den Namen ihres Großvaters, James T. Anderson, ausgestellt. Alle hatten ihn JT genannt. Ein tiefer Schmerz erfasste sie. War er wirklich schon seit zwei Wochen tot? Er war das Herz dieser Ahnenforschungsagentur gewesen. Wie sollte sie das Unternehmen ohne ihn weiterführen? Sie ließ die übrigen Briefumschläge wieder auf den Schreibtisch fallen, wo sie sich fächerartig auf der ganzen Tischplatte ausbreiteten. Eine ungewollte Träne brach sich Bahn und lief ihr über die Wange. Heute Abend hatte sie den Mut aufgebracht, wieder ins Büro zu gehen und sich ein Bild davon zu machen, was JT hinterlassen hatte. Willow hätte Dana Cooper, JTs Assistentin, diese Arbeit überlassen können, aber sie hatte Dana gebeten, nichts im Büro anzurühren. Sie brauchten beide Zeit, um mit JTs Tod fertigzuwerden. Außerdem wollte Willow diejenige sein, die seine Sachen durchging. Dazu gehörte auch die Post. Sie zerknüllte einen Werbebrief. Vielleicht würde sie sich weniger verwundbar fühlen, wenn sie noch ein paar Tage verstreichen ließe. Aber die Rechnungen konnten nicht warten, bis Willow ihre Trauer verarbeitet hatte. Ebenso wenig konnten etwaige Klienten von Fällen warten, an denen JT gearbeitet hatte und die noch nicht abgeschlossen waren. Ich schaffe das. Ich muss das schaffen. Blieb ihr eine andere Wahl? Die Heizung schaltete sich ein und erinnerte sie an die Kälte im Raum. Sie rieb sich die Arme. Nur ein Teil der Lagerhalle war renoviert worden und wurde von Anderson Consulting genutzt. Der Rest erschien Willow wie eine Verschwendung, aber JT hatte damals gedacht, er hätte eine gute Immobilie gekauft. Die große Fläche unter dem Gewölbedach hatte ihnen Platz gegeben, um sich auszubreiten, aber jetzt fühlte sich das Gebäude viel zu leer an. Willow würde sich überlegen müssen, was sie mit der Firma und der Immobilie machen wollte. Die Post lag jetzt ausgebreitet auf dem Schreibtisch. Ihr Blick fiel auf einen Umschlag von der Gesundheitsbehörde des Bundesstaats Washington. Sie zog ihn aus dem Stapel. Mit zitternden Händen nahm sie einen Brieföffner, schlitzte den Umschlag vorsichtig auf und zog ein offizielles Dokument heraus. Die Sterbeurkunde ihres Großvaters. Sie atmete schwer aus und sank auf einen Stuhl. Er ist tot. Er ist wirklich tot. Sie würde keine weisen Ratschläge mehr von ihm hören. Und auch nicht seine Scherze und sein herzhaftes Lachen oder seine freundlichen, liebevollen Worte. Wenigstens nicht in diesem Leben. JT war einmalig. Sie berührte seinen Namen auf der Sterbeurkunde und durchlebte erneut den Moment, in dem die Nachricht von seinem Unfall sie getroffen hatte, und den Schock wegen seines plötzlichen Todes. JT war beim Fahrradfahren verunglückt. Dabei hatte er dieses Hobby extra angefangen, um sein Leben zu verlängern, nachdem eine Erkrankung seiner Herzkranzgefäße festgestellt worden war. Dieser Plan war leider nicht aufgegangen. Warum, warum, warum? Du hättest noch nicht sterben sollen. Ihr Nacken verspannte sich. Eine spürbare Wut erfasste sie, weil er gestorben war, obwohl noch so viel Leben in ihm gesteckt hatte. Aber Antworten zu suchen, wenn es einfach keine gab, war ein vergebliches Unterfangen. Willow zwang sich, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren. Bei dieser Geschwindigkeit würde es eine lange Nacht werden. Sie neigte den Kopf von einer Seite zur anderen, um die Steifheit aus ihrem Nacken zu vertreiben. Die äußere Bürotür ging auf und wieder zu. »Willow? Bist du da drinnen?«, rief Dana. Musste das sein? Sie hatte allein sein wollen. »Ja. In JTs Büro.« Nach einigen Sekunden erschien Dana an der Tür. Willow verbarg ihren Unmut. Die Frau meinte es nur gut. »Du hättest nicht herkommen müssen.« Dana stellte ihre Designerhandtasche auf einen Stuhl und runzelte die Stirn. Sie schlüpfte aus ihrer glitzernden Jeansjacke und trat näher. »Du hast doch nicht geglaubt, ich würde dich mit der ganzen Arbeit hier allein lassen, oder?« »Es ist schon spät. Hast du zu Hause nicht einen Mann, der auf dich wartet?« Willow zwang Wärme in ihre Stimme und ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen. Sie war trotzdem froh, Dana zu sehen. Diese Frau wusste, was Willow brauchte. Kein Wunder, dass sich JT in den ganzen Jahren auf Dana verlassen hatte! »Stan geht es gut. Er sitzt an seinem Laptop und sieht fern. Er vermisst mich nicht.« Dana beugte sich über den Schreibtisch, um sich die Sterbeurkunde anzusehen. »Außerdem wollte er, dass ich nachsehe, wie es dir geht.« Sie zog langsam die Sterbeurkunde aus Willows Händen und betrachtete sie. »Bist du dir sicher, dass du schon so weit bist, seine Sachen durchzugehen? Das kann ich für dich erledigen.« Willow legte sich die Hand auf die Augen. »Ich dachte, ich hätte es akzeptiert, dass er tot ist, aber als ich seine Sterbeurkunde gesehen habe Es ist so endgültig.« »Oh, Liebes! Ich weiß, dass es schwer ist.« Dana eilte um den Schreibtisch herum. Sie umarmte Willow tröstend, reichte ihr ein Taschentuch und hielt vorsichtshalber schon ein zweites bereit. Willow wischte sich über die Augen und schnäuzte sich. »Es ist okay. Mir geht es gut. Ich muss das machen.« »Ich wünschte, ich hätte dir nichts von Mrs Masons Anruf gesagt. Ihr Fall war aber der einzige, an dem er aktiv gearbeitet hat. Du brauchst nach dem Tod deines Großvaters wirklich nicht so schnell wieder an die Arbeit zu gehen.« »Danke für deine Hilfe.« Willow berührte Danas Arm. Diese Frau hatte in den letzten zwei Wochen ihre Hand gehalten. Bei der tragischen Nachricht von JTs Tod, beim Aussuchen des Sargs und bei der Beerdigung. Dana war Mi…
Titel
Das Verschwinden der Jamie Mason
Übersetzer
EAN
9783963629426
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
01.08.2019
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
1.18 MB
Auflage
Auflage
Lesemotiv