Gabriele Beyerlein wurde 1949 in Roding (Oberpfalz) geboren und wuchs in Kulmbach (Oberfranken) auf.
Nach dem Psychologiestudium in Erlangen und Wien arbeitete sie als wissenschaftliche Angestellte in sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten und später freiberuflich als Dozentin in der Erwachsenenbildung.
Zum Schreiben kam Gabriele Beyerlein über das Erzählen: Anfangs erfand sie nur für ihre eigenen Kinder Geschichten. Die Idee zum ersten Jugendbuch 'Die Keltenkinder' kam ihr bei einem Spaziergang auf einem keltischen Ringwall. Seither beschäftigt sie sich intensiv mit Vor- und Frühgeschichte. Ihre in der heimischen Vorzeit spielenden Erzählungen verbinden eine spannende Handlung mit historischer Genauigkeit. Heute lebt Gabriele Beyerlein in der Nähe von Nürnberg.
Autorentext
Gabriele Beyerlein wurde 1949 in Roding (Oberpfalz) geboren und wuchs in Kulmbach (Oberfranken) auf. Nach dem Psychologiestudium in Erlangen und Wien arbeitete sie als wissenschaftliche Angestellte in sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekten und später freiberuflich als Dozentin in der Erwachsenenbildung. Zum Schreiben kam Gabriele Beyerlein über das Erzählen: Anfangs erfand sie nur für ihre eigenen Kinder Geschichten. Die Idee zum ersten Jugendbuch "Die Keltenkinder" kam ihr bei einem Spaziergang auf einem keltischen Ringwall. Seither beschäftigt sie sich intensiv mit Vor- und Frühgeschichte. Ihre in der heimischen Vorzeit spielenden Erzählungen verbinden eine spannende Handlung mit historischer Genauigkeit. Heute lebt Gabriele Beyerlein in der Nähe von Nürnberg.
Leseprobe
Kapitel 1
Dilgo
Dilgo schrie. Das Blut hämmerte in seinen Ohren. Er rannte bergauf, hetzte zwischen Felsbrocken und Bäumen hindurch, schlug mit seinem Knüppel gegen die Stämme und schrie aus Leibeskräften. Sein Schreien mischte sich mit dem Gebrüll der Männer: hohe, schrille Töne zwischen rauen und tiefen. Auch die Männer schlugen mit starken Ästen gegen die Bäume. Lärm erfüllte den Wald.
Nun ging es steiler bergan. Dilgo rang nach Luft, nur noch heiseres Keuchen drang aus seiner Kehle. Erschöpft taumelte er gegen eine Eiche, hielt sich an ihr fest, aber schon war sein Vater neben ihm, riss ihn am Arm mit sich: »Weiter, Junge! Schrei!«
Angstvoll riss Dilgo die Augen auf und schrie gellend. Blankes Entsetzen gab seiner Stimme ungeahnte Kraft. Der Stier hatte sich umgewandt. Mit gesenkten Hörnern brach er bergab durch das Unterholz, genau auf Dilgo zu; ein schwarzzottiges, riesiges Ungeheuer, neben dem die kräftigsten Männer klein und zerbrechlich wirkten, eine unaufhaltsame Lawine aus Stärke und vernichtender Wut. Dilgo starrte den Auerochsenstier an, der ihm entgegentobte, das gefährlichste aller Tiere. Dilgo war unfähig, einen einzigen Gedanken zu fassen, unfähig, zur Seite zu springen. Da gab ihm sein Vater einen heftigen Stoß, sodass er nach rechts stolperte und hinter einem dicken Baumstamm auf die Knie fiel. Der Stier polterte an ihm vorbei, weiter den Hang hinunter.
Doch er sollte ja den Berg hinauf!
Der Onkel jagte hinter dem Stier her, hob im Laufen einen Stein vom Boden auf und schleuderte ihn nach dem Tier. Am Nacken getroffen, fuhr der Auerochse herum und ging auf seinen Angreifer los. Der Onkel rannte vor ihm her zwischen den Bäumen den Hang hinauf, schreiend und lärmend folgten die anderen Männer mit Dilgo. So erreichten sie die Stelle, an der Talgor wartete.
»Talgor! So lauf doch weg! Der Stier nimmt dich auf die Hörner!«, schrie Dilgo außer sich. Fassungslos sah er, wie sein Vetter Talgor bewegungslos dastand, genau in der Bahn, die der Stier bergauf stürmte.
Der Onkel sprang hinter einen schützenden Baum, Talgor aber stand noch immer wie angewurzelt. Dilgo presste die Fäuste vor den Mund. Jetzt, Talgor, flehte er inständig. Aber dieser ließ den Stier immer näher herankommen. Talgors Körper war angespannt wie eine Sehne vor dem Losschnellen, bereit zum Berganlaufen, aber Kopf und Oberkörper waren bergab gerichtet, dem Stier entgegen, auf den er mit Pfeil und Bogen zielte.
Und endlich schoss er.
Der Pfeil fuhr dem Auerochsen in den gewaltigen Nacken und blieb stecken. Der Stier schnaubte und schüttelte heftig den Kopf. Als habe ihm die Verletzung neue Stärke verliehen, nahm er die Verfolgung des neuen Gegners auf.
Talgor rannte dem Berggipfel entgegen. Der Stier blieb ihm dicht auf den Fersen, ja, der Abstand verringerte sich immer mehr. Nicht mehr als zwei Schritte trennten Talgor noch von den gefährlichen Hörnern.
Dann hatte Talgor die Höhe erreicht. Mit großen Sprüngen hetzte er der Felsnase zu. Strahlend blau schien der Himmel zwischen den Bäumen hindurch. Die letzten Bäume - dahinter: nichts.
Verfolgt von dem Stier, lief Talgor mit äußerster Kraft dem Abgrund entgegen. Zwei Schritte noch! Danach die todbringende Tiefe.
Talgor, Talgor, hämmerte es in Dilgos Kopf. Kaum wagte er hinzusehen. Wenn Talgor das Seil verfehlte? Oder wenn es riss?
Da, zwischen den beiden letzten Bäumen am Abgrund war es gespannt, am einen Baum fest verknotet, am anderen nur locker über den untersten Ast gelegt. Mit einem Sprung fasste Talgor mit beiden Händen das Seil und hielt es fest. Unvermittelt wurde er in seinem rasenden Lauf gebremst und um den Baum herumgeschleudert, an dem das Seil befestigt war. Eine Handbreit vom Abgrund entfernt, kam Talgor zum Stehen. Der Stier aber stürmte blindwütig weiter, zwischen den beiden Bäumen hindurch, auf