Trakl passend zur jüngsten Zeitenwende? Der Salzburger erlebte erschreckend parallele Zeitläufte: den Ersten Weltkrieg an der Ostfront in der heutigen Westukraine, wo russische Truppen am 7. September 1914 Gródek (bei Lemberg) einnahmen und die österreichisch-ungarische 3. Armee besiegten. Der Sanitätsoffizier Trakl erlitt einen seelischen Zusammenbruch im Dienst bei der Arbeit im Feldlazarett, einer der berüchtigten »Todesgruben von Galizien«. So wurde Grodek das letzte Gedicht des erst Siebenundzwanzigjährigen, der im November 1914 in Krakau verstarb. Zeitenwende? Trakl atmet die dumpfe Luft seiner Zeit. Seine Gedichte sind Zeitabdrücke ohne Zuversicht. Max Beckmann, Otto Dix (der ihm sehr ähnlich sah!), das ist Trakl in der Poesie, nur stiller, in der grellen Traumästhetik eines Vincent van Gogh. Diese Lyrik (auch die wenige Prosa gehört dazu) handelt viel grundsätzlicher vom Menschen als die Tingeleien von Feuilleton und Kulturkritik jener Zeit. Beethoven-schwer und Beethoven-grundsätzlich »Seltsam sind die nächtigen Pfade des Menschen«. Ob man das düster nennt, hängt vom musikalischen Standpunkt ab. Traurig wahr, unverblümt illusionslos, schwer wie die Spezies selbst, die Trakl nicht anders als verloren-unglücklich kennt. Fin de siècle? Bilder einer absurden Normalität, irritierend irritiert, kompromisslos traumschwer.

Autorentext

Dr. Gerhard Oberlin arbeitet als Freier Literatur-, Kultur- und Sportwissenschaftler. Unter anderem war er Dozent für deutsche Sprache und Literatur an der Beijing Foreign Studies University. Zuletzt Gastdozent u.a. an der Hebrew University in Jerusalem. Neben zahlreichen Aufsätzen in internationalen Fachzeitschriften und Herausgebertätigkeiten mehr als 40 Buchveröffentlichungen, die meisten davon bei K&N.

Titel
Trakl verstehen
Untertitel
Text + Deutung
EAN
9783826088322
Format
E-Book (pdf)
Veröffentlichung
17.07.2025
Digitaler Kopierschutz
frei
Anzahl Seiten
332
Lesemotiv