Zwischen Himmel und Hölle liegen im Fußball manchmal nur Zentimeter oder Sekundenbruchteile bzw. der Innenpfosten und ein verschossener Elfmeter in der Nachspielzeit. Gerrit Lenssen hat diese Momente himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt alle schon erlebt, als halbwegs talentierter und ambitionierter Kicker und als Fan eines zumeist erfolglosen Zweitligavereins. Seine Anekdoten muten Uneingeweihten möglicherweise zum Teil surreal an, Kenner sehen darin hingegen das Leben eines Menschen, der sich dem Fußball verschrieben hat.

Autorentext
Gerrit Lenssen kickt in der Bezirksliga beim SSV Grefrath und ist Fan des VfL Bochum.

Leseprobe
Vorwort Jungs, setzt Giovanni an diesem kalten, regnerischen Sonntagmorgen zu seiner wohl längsten Kabinenansprache aller Zeiten an. Wir werden heute erstmal schauen, hinten sicher zu stehen. Die Niederkrüchtener haben vorne zwei richtig schnelle Leute. Steht also in der Kette nicht zu hoch, sonst sind die direkt weg, und Abseits pfeift der eh nur bei jedem fünften Mal. Alles also ein bisschen tiefer heute und dann Nadelstiche setzen. Hinten haben die Probleme, da müssen wir da sein, wenn die Fehler machen. Einige Spieler reiben sich verwundert die Augen, schließlich ist es das erste Mal, dass sich der ansonsten tiefenentspannte, ja fast schon lustlose Coach so intensiv vorbereitet hat und eine solch hohe Motivation an den Tag legt. Nötig ist das nicht unbedingt, denn es ist die A-Jugend-Saison 14/15. Spieltag 16 und damit gleichzeitig Teil 16 der ungeheuren Leidenszeit, nach einer mal wieder etwas längeren Partynacht um neun Uhr aufzustehen, um pünktlich um zehn Uhr die stickige, viel zu enge Kabine zu betreten. Die Kabine, in der gerade elf, an schlechten Tagen auch nur neun picklige, teils hagere, teils übergewichtige, aber exakt null sportlich durchtrainierte 18-Jährige sitzen, und keiner, wirklich keiner weiß, warum er gerade hier sitzt und gleich vor drei Zuschauern Fußball spielt beziehungsweise es zumindest versucht. Ich werde nie vergessen, wie unser sowieso schon schielender Torwart Max regelmäßig als Letzter die Kabine betrat und keiner so richtig entziffern konnte, in welche Richtung er jetzt gerade genau guckte. Wieder die ganze Nacht Herzen gebrochen?, stellte Nick dem Eintreffenden in seiner ihm typischen Art die Frage, die Woche für Woche ziemlich sicher mit nein beantwortet werden konnte. Stets ein kurzer Lacher in der Runde, ehe sich alle wieder recht schnell darauf fokussierten, sich nicht übergeben zu müssen. Doch an jenem Sonntag bleibt Giovanni unbeirrt. Aller widrigen Umstände zum Trotz führt er seine messerscharfe Gegner-Analyse fort und beendet diese nach gut zehn Minuten mit immer lauter werdender Stimme: Versucht es umzusetzen. Von Anfang an wach sein. Heute ein Sieg und wir überholen die in der Tabelle. Kommt Männer, raus jetzt mit euch. Vollgas! Eigentlich müssten wir aggressiv in die Hände klatschen, zusammen irgendwas halbwegs Sinnvolles schreien und voller Adrenalin die Kabine Richtung Platz verlassen. Wäre da nicht dieser eine kleine Haken. Der Haken, den inmitten elf verkaterter, perplexer 18-jähriger Jungs nach einer Weile des Schweigens dann doch einer, ich meine Julius, zu äußern imstande ist: Aber Coach! Wir spielen gegen Oberkrüchten, nicht Niederkrüchten .... Erneut Stille. Zaghaftes Nicken von einigen Spielern und ein verdutzter Trainer. Denn natürlich hat Julius Recht. Natürlich heißt der Gegner Oberkrüchten und nicht Niederkrüchten, die zwar auch in der Liga vertreten, aber eben nicht unser heutiger Kontrahent sind. So langsam wird das auch Giovanni bewusst, der sich sichtlich ratlos am fahlen Haar kratzt. Ja gut Jungs, dann kann ich euch nichts über den Gegner sagen, moderiert er die unangenehme Situation schließlich kurz und schmerzlos ab. Dann alles wie immer! Über fünf Jahre ist das jetzt schon wieder her und ich habe meinen geschockten Trainer inklusive der blutleeren Mitspieler vor Augen, als wäre es gestern. Denn manche Dinge, die man mit diesem oft wunderbaren, teilweise auch einfach dreckigen, miesen, verräterischen, aber immer herrlich vielfältigen, immer wieder aufs Neue überraschenden Sport verbindet, die vergisst man einfach nicht. Doch statt genau diese Geschichten weiterhin lediglich in meinem Kopf zu behalten oder allenfalls in wenigen Stichpunkten auf einsamen Notizzetteln zu konservieren, habe ich sie nun gesammelt zu Papier gebracht. Herausgekommen ist in Form 32 verschiedenster Anekdoten ein Streifzug durch die ganze Bandbreite dieses Sports. Von der Kurve des seit Jahren dahin dümpelnden Zweitligavereins über die rauen, staubigen Amateurplätze bis hin zum auf 48 Grad erhitzten Bolzer im Spanien-Urlaub oder der verlassenen Torwand im Niemandsland dieser Republik. Bezüglich der Aufteilung wird dem aufmerksamen Leser schon beim Blick auf das Inhaltsverzeichnis aufgefallen sein, dass das Buch aus zwei Blöcken besteht. Teil I Das schöne Spiel thematisiert die legendären Wegbegleiter und die glücklichen Momente, an die man sich noch Jahre später mit verschmitzt breitem Grinsen erinnert und sich leise an den Ort der Ereignisse zurückwünscht. Teil II dagegen frei nach Sir Alex Ferguson Die blutige Hölle dreht sich mal ironisch, mal bitterernst um die traurigen, erfolglosen Figuren und die ebenso denkwürdigen, aber keinesfalls angenehmen, vielmehr sauer schmeckenden, teilweise wütend zurücklassenden Erlebnisse. Solche, die manchmal sogar, im Bann des größten Schmerzes, die Liebe zum Fußball ernsthaft in Frage und eine Abkehr vom Selbigen in Aussicht stellen. Wenn auch nur kurz. Sehr kurz. Ehe ein glücklicher Augenblick, ein flüchtiges Hochgefühl sei es ein nach zig Versuchen endlich mal gelungener Volleyschuss aus fünfzehn Metern oder der 1:1-Ausgleichstreffer deines Vereins gegen den SV Sandhausen uns wieder spüren lässt, warum wir das eigentlich alles mitmachen. Beide Blöcke starten unter dem Deckmantel Großer' Sport mit einigen Geschichten des Fan-Seins (wobei mir die Anführungszeichen in großer' angesichts meines Vereins sehr wichtig sind ...). Es folgt jeweils der Kern, ja das Herzstück des Buches: der Amateurfußball. Schließlich runden die Storys aus dem breitgefächerten Hobbybereich (für echte Liebhaber) die Teile ab. Letztendlich ist es jedoch egal, ob das Buch der Reihe nach oder quer durcheinander (beispielsweise Block I und II im Wechsel oder nach gerade gegebener Lust und Laune) gelesen wird. Sämtliche Wege erscheinen möglich, sodass mir, ganz egal welcher gewählt wird, nur noch zu sagen bleibt: Viel Spaß bei der Lektüre!

Inhalt
Inhaltsverzeichnis Vorwort Teil I: Fußball, das schöne Spiel Großer Sport 01 Today only Formel 1 02 Frank Rijkaard im Ruhrstadion 03 Die Resignation des Siegers 04 Nur der RWE Amateurfußball 05 Die einzig wahre Legende 06 Mythos Nilo 07 Ausgerechnet die Peters 08 Der fast verlorene Sohn 09 Fußball & Alkohol I: Minister-Style 10 Danke, Mama! Für echte Liebhaber 11 Der Fels in der Brandung 12 Eine Ode an den Fußballgolf 13 Hobbyturnier I: What a Team! 14 Spiel des Lebens 15 Die weltbesten Wandspieler? Walnussbäume! 16 Hobbyturnier II: Auf dem Gipfel unseres Schaffens Teil II: Fußball, die blutige Hölle Großer Sport 01 Münster on fire 02 Steinbrezel, Heroin & Full-House: Von einer Reise des Schreckens 03 Zwischen Traum & Wirklichkeit 04 Premium-Platz Beinstrecker Amateurfußball 05 Das vorzeitige Karriereende 06 Trainerfüchse am Limit 07 Der Frauenfußball, mein Leben & Ich 08 Sorry, Papa! 09 Perlen des Amateurfußballs. Oder anders gesagt: Aua! 10 Dorf-Manager eine komplizierte Spezies 11 Sonderbare Fußballwesen und wo sie zu finden sind 12 Fußball & Alkohol II: Sechs Frische ins Verderben Für echte Liebhaber 13 Fußballgolf, du bist ein mieser Verräter! 14 Die Torwand-Blamage 15 Hobbyturnier Teil III: Nichts als die Wahrheit 16 Fußball in Quarantäne: Das garantiert nostalgische Corona-Wochenendtagebuch Schlusswort
Titel
Himmel - Hölle - Fußball
Untertitel
Gelebte Geschichten eines Spielers und Fans
EAN
9783964230560
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Genre
Veröffentlichung
29.03.2021
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Anzahl Seiten
168
Größe
B14mm
Auflage
Erstauflage
Lesemotiv