Autorentext
Gideon Rachman wurde 1963 in London geboren und studierte Geschichte in Cambridge. Seine journalistische Karriere begann er beim BBC World Service. Es folgten 15 Jahre beim internationalen Magazin The Economist, für das er aus Washington, Bangkok und Brüssel berichtete. Seit 2006 ist er außenpolitischer Chefkommentator der Financial Times.
Leseprobe
Auf dem Weltwirtschaftsforum von Davos 2009 wurde deutlich, dass etwas schief gelaufen war. Das Treffen fand nur vier Monate nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers statt. Die internationalen Banker, die normalerweise durch die diversen Cocktailempfänge stolzierten, hielten sich versteckt, während ihre Geldhäuser taumelten und die öffentliche Empörung wuchs. Die Obama-Regierung stach durch ihre Abwesenheit hervor. Da die Amerikaner das Feld geräumt hatten, wurde der chinesische Premierminister Wen Jiabao zum Star der Davos-Show. Führende Geschäftsmänner der Welt drängten am Spätnachmittag in einen kleinen Seminarraum, um den Ansichten Wens über den aufziehenden wirtschaftlichen Sturm zu lauschen. An Wen war nichts Charismatisches. Klein von Statur, in Anzug und mit Brille, war sein Vortragsstil der eines Managers, der dem Vorstand Bericht erstattet. Gegen Ende seiner Rede aber gab der chinesische Premierminister seinen bürokratischen Stil auf und wurde philosophisch. Um die Krise besser zu verstehen, habe er "Adam Smith noch einmal gelesen." Vielleicht um ein bisschen anzugeben, betonte Wen, er habe dabei auf das Buch Theorie der ethischen Gefühle des Ökonomen aus dem 18. Jahrhundert zurückgegriffen, statt auf das weit bekanntere Reichtum der Völker. Für jeden mit etwas Geschichtssinn war das ein bizarrer Augenblick: Der Führer der Kommunistischen Partei Chinas schlug beim Vater der freien Marktwirtschaft nach. Staatsmänner einiger führender, kapitalistischer Länder schienen dagegen plötzlich mit dem Kommunismus zu flirten. Unmittelbar nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ließ sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei der Lektüre von Marx' Das Kapital fotografieren, und Peer Steinbrück, Deutschlands Finanzminister, merkte an, dass "gewisse Teile von Marx' Denken gar nicht so schlecht" seien.
Inhalt
Prolog: Davos 2009
ERSTER TEIL: DAS ZEITALTER DER TRANSFORMATION 1978-91
1 China 1978: Dengs Gegenrevolution
2 Großbritannien 1979: Thatcherismus
3 Die Vereinigten Staaten 1980: Die Reagan-Revolution
4 Die Europäische Union 1986: Die Umarmung des Market
5 Die Sowjetunion 1985-91: Glasnost, Perestroika, Zusammenbruch
6 Europa 1989: Das Jahr der Revolutionen
7 Lateinamerika 1982-91: Der Triumph der Demokratie und der Märkte
8 Indien 1991: Der zweite asiatische Riese erwacht
9 Golfkrieg 1991: Der unipolare Moment
ZWEITER TEIL: DAS ZEITALTER DES OPTIMISMUS 1991-2008
10 Demokratie: Francis Fukuyama und das Ende der Geschichte
11 Wohlstand: Alan Greenspan und das Ende der Wirtschaftsgeschichte
12 Fortschritt: Bill Gates und der Triumph der Technologie
13 Frieden: Bill Clinton und die Win-win-Welt
14 Der optimistische Osten: Kishore Mahbubani und das asiatische Jahrhundert
15 Europa: Günter Verheugen und der europäische Traum
16 Die Antiglobalisierer: Von der asiatischen Krise bis zum «11. September»
17 Macht: Charles Krauthammer und die Neokonservativen
DRITTER TEIL: DAS ZEITALTER DER ANGST
18 Die Krise des Westens
19 Eine Welt der Schwierigkeiten
20 Globale Regierung: Die Welt als Europa
21 Die Achse des Autoritarismus: Die Welt als Russland und China
22 Brüchige Welt: Die Welt als Pakistan
23 Nullsummenwelt
24 Die Rettung der Welt
Nachwort zur deutschen Ausgabe