Wenn man die Wartburg besucht, gelangt man durch einen Laubengang in die Kemenate der heiligen Elisabeth. Sie ist geschmückt mit den berühmten Fresken Moritz von Schwinds, die an das Leben dieser Frau erinnern. Wer war Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, die 1231, nur vierundzwanzigjährig, starb und nach ihrem Tod heiliggesprochen wurde? Als vierjähriges Mädchen kam sie, eine ungarische Königstochter, an den Hof von Eisenach. Sie war mit dem elfjährigen Sohn des Landgrafen verlobt worden. Auf der Wartburg wird sie erzogen wie die Fürstenkinder auch. Früh zeigen sich ungewöhnliche Charakterzüge. Sie will, dass es gerecht zugeht, und es entwickelt sich bei ihr eine Frömmigkeit, die zu einer sozialen Haltung wird. Als ihr Verlobter stirbt, wird sie mit dessen Bruder, Ludwig IV., verheiratet. Zwischen beiden entsteht eine echte Liebe - für die auf Verträgen beruhende Heiratspolitik keine Selbstverständlichkeit. Als Landgräfin schärft sich ihr Blick für das Wohlleben bei Hofe und die Not der Bauern. In einer der vielen Hungersnöte, als sie den Landgrafen zu vertreten hat, öffnet sie die Speicher, verteilt auch ihre persönliche Habe, ihren Schmuck. Elisabeth greift die Lehren des Franz von Assisi auf und lebt nach den Geboten der freiwilligen Armut. Als ihr Mann auf einem Kreuzzug einer Seuche zum Opfer fällt, wird die dem Hofe und Klerus unliebsame Landgräfin abgesetzt und entmündigt. Sie soll sich jetzt dem Willen ihres Beichtvaters unterwerfen. Doch Elisabeth macht nicht ihren Frieden, sondern vertritt weiter konsequent ihre Ansichten. Von ihrem Witwenteil finanziert sie ein Hospital in Marbach. Hier hilft sie täglich den Armen und Kranken. Konrad, ihr Beichtvater, erlegt ihr nun lange Fastenzeiten und Exerzitien auf, um ihren Willen zu brechen. Schließlich prügelt er sie sogar, bis sie es nicht mehr ertragen kann: In der Nacht vom 16. zum 17. November 1231 stirbt sie. Nach ihrem Tode entstehen im Volk viele Legenden um ihr Leben. Das reale Leben tritt immer mehr in den Hintergrund. Hans Bentzien versucht in dem erstmals 1990 veröffentlichten Buch, das wirkliche Leben der Elisabeth nachzuzeichnen, die Motive ihres Handelns, den Zusammenhang mit den sozialen und geistigen Widersprüchen jener Zeit zu ergründen und darzustellen.
Autorentext
Geboren 1927 in Greifswald. Volksschule, Lehrerausbildung (LBA). Studium zum Dipl.rer.pol. in Jena und Moskau.Verschiedene kulturpolitische Funktionen. Kulturminister 1961 - 1966.Verleger. Rundfunk- und Fernsehmitarbeiter (Leitender Redakteur für Geschichtspublikationen). Zuletzt Generalintendant des Deutschen Fernsehfunks.Autor von Fernsehfilmen, Theaterstücken, Biographien (Elisabeth von Thüringen, Martin Luther, Thomas Müntzer, Friedrich II. von Preußen, Carl August von Hardenberg, Claus Schenk Graf von Stauffenberg) und Sachbüchern zu Fragen der Zeitgeschichte und der Geschichte Brandenburgs. Autobiographie.Wohnhaft in Bad Saarow. Verheiratet, drei Kinder. Er verstarb am 18. Mai 2015.
Inhalt
Die ErhebungGeehrt und gescholtenElisabeths Herkunft und der Sängerkrieg auf der WartburgPolitik durch HeiratElisabeth auf der Reise nach ThüringenDie Landgrafen von ThüringenDie neue VerwandtschaftRitter mit Bildung und GeschmackDas neue Selbstbewusstsein des AdelsReichsangelegenheitenDer MusenhofDie ersten Jahre in ThüringenSchicksalsschlägeStreit an der WestgrenzeEs lebe der neue LandgrafDer neue Herr hat neue PläneWoher kommt die Armut?Armut - das neue IdealRache und BestrafungDie Armutsbewegung wird gebändigtDie Unruhe kam aus AssisiEin neuer OrdenElisabeth - eine Widerspenstige?Entscheidung aus LiebeDie HeiratDie große HochzeitsreiseKriegszug nach SachsenDie Suche, nach der rechten Art zu lebenFrauenhäuserUnter dem Fürstenmantel die Kutte der Tertiarerinnen?Die ersten Franziskaner in DeutschlandNeue Sitten bei HofeGlückliche Jahre im neuen HausEine furchtbare EntdeckungHungerjahreAuf der Suche nach einem dauerhaften Mittel gegen die ArmutZu höherem Ruhme?An der Stelle des LandgrafenBedroht Elisabeth die Existenz des Hauses?Ein folgenreiches GelübdeFür den Kreuzzug vorbereitetAbschiedTod im fernen LandDie Familie distanziert sichVerlassenEin großer VerzichtTrauriger EmpfangMan muss die Menschen froh machen!"Eine Franziskanerin in MarburgDas Hospital an der LahnDer Ketzerrichter als VorsteherAuf der Höhe der ZeitSchwester in der WeltDie Station wächstDas EndeWunder am GrabeDas erste VerhörMit Elisabeth gegen die Ketzerei?Die Weichen werden neu gestelltDas zweite VerhörDie HeiligsprechungAufschwung in MarburgDie prächtige Kirche St. ElisabethDas Ende der LudowingerDas Land wird geteiltEin Spielball politischer InteressenElisabeth - der Ruhm Deutschlands?