Hansjörg Auer, 1984 im Ötztal geboren, absolvierte eine Ausbildung zum Lehrer für Mathematik und Sport. Er begann 1996 mit dem Sportklettern und war seit 2009 Profibergsteiger. Ihm gelangen mehrere Erstbegehungen und berühmte Routen, u.a. in den Dolomiten, in Patagonien, im Yosemite Valley, Karakorum und Himalaja. 2018 durchstieg er als Erster, noch dazu im Alleingang, die Westwand des Lupghar Sar West im Norden Pakistans. Zudem sorgte er mit seinen Free-Solo-Touren für Aufsehen. Im April 2019 kam Hansjörg Auer gemeinsam mit seinen Bergpartnern David Lama und Jess Roskelley bei einem Lawinenunglück an der Ostseite des Howse Peak in den kanadischen Rocky Mountains ums Leben.
Free solo an der Marmolata: Als Hansjörg Auer die 1200 Meter lange Route »Weg durch den Fisch« allein und ohne Seilsicherung durchsteigt, steht die Kletterwelt kopf. In seinem Buch beschreibt er die Sehnsucht, die ihn immer wieder zu solchen extremen Aktionen treibt. Freimütig spricht er über den plötzlichen Ruhm und seinen Weg zum professionellen Bergsteiger. Kompromisslos ehrlich schildert er dabei, wie er seine Magersucht überwand, was es bedeutet, einen Freund am Berg zu verlieren und mit seiner Meinung öffentlich anzuecken. Ein kluges Buch über Vernunft und Leidenschaft im Alpinismus und die Kunst der natürlichen Linie.
Autorentext
Hansjörg Auer, 1984 im Ötztal geboren, absolvierte eine Ausbildung zum Lehrer für Mathematik und Sport. Er begann 1996 mit dem Sportklettern und war seit 2009 Profibergsteiger. Ihm gelangen mehrere Erstbegehungen und berühmte Routen, u.a. in den Dolomiten, in Patagonien, im Yosemite Valley, Karakorum und Himalaja. 2018 durchstieg er als Erster, noch dazu im Alleingang, die Westwand des Lupghar Sar West im Norden Pakistans. Zudem sorgte er mit seinen Free-Solo-Touren für Aufsehen. Im April 2019 kam Hansjörg Auer gemeinsam mit seinen Bergpartnern David Lama und Jess Roskelley bei einem Lawinenunglück an der Ostseite des Howse Peak in den kanadischen Rocky Mountains ums Leben.
Leseprobe
Nilgiri Süd
Damals, als niemand ahnen konnte, was die Zukunft bringen würde, und auch sonst nicht viel los war, sind wir mit dem Fahrrad gekommen. Und zwar zum Klettergarten Engelswand, der am nächsten gelegenen Klettermöglichkeit in unserer Gegend. Froh, die Schulprobleme für die nächsten Stunden hinter mir zu lassen, warf ich den Rucksack zu Boden, zog mir den grauen Klettergurt an und legte das Seil aus. Gerry Fiegl aus Umhausen, einer meiner ersten Kletterpartner und Freund aus der Trainingsgruppe des Alpenvereins, reichte mir die Kletterschuhe, und los ging's. Meist habe ich mit der ersten Seillänge begonnen. Nicht, weil ich besser klettern konnte, sondern wohl eher, weil ich vier Jahre älter war. Wir sind immer in dieselben Routen eingestiegen. So konnten wir vergleichen, uns gegenseitig pushen und viel mehr voneinander lernen.
Einmal pro Woche waren Gerry und ich beim Klettertraining in der Halle in Tumpen. Und war einmal einer von uns verhindert, so sahen wir uns doch fast jeden Tag in der Früh, wenn wir zusammen mit dem Bus nach Imst zur Schule fuhren. Er ins Unterstufen-Gymnasium und ich zur Handelsakademie. Es gab also immer genug Möglichkeiten, sich zum Klettern zu verabreden. Zwei Jahre später wechselte Gerry dann auf eine weiterführende Schule nach Innsbruck. Unser Kontakt wurde lockerer, er verbrachte die meiste Zeit im Internat. Nur an den Wochenenden kam er wieder ins Ötztal, und auch wenn er inzwischen manche anderen Interessen hatte, war Gerry doch immer wieder dabei, wenn ich zusammen mit anderen Ötztaler Kletterern unterwegs war. Ich erinnere mich noch genau an ein verlängertes Wochenende im Tessin oder an Ausflüge in die Dolomiten.
Deshalb freute es mich auch, dass ich nach meiner Free-Solo-Begehung der Route »Weg durch den Fisch« die Möglichkeit hatte, Gerry als Testimonial bei einer Outdoorfirma unterzubringen. Er wollte nie wirklich Profikletterer werden, dennoch war er froh, dass er neben seinem Studium der Meteorologie in Innsbruck und all den anderen Ausbildungen, die er absolviert hatte, damit die Chance bekam, sich die Ausrüstung leisten und seine Freizeit noch intensiver für den Klettersport nutzen zu können.
Schnell hatte Gerry sein Können gesteigert, und zusammen sind wir in den folgenden Jahren viele neue Routen geklettert. Ganz besonders erinnere ich mich an die erste freie Begehung der »Colpo di Coda« an der Marmolata oder unsere Erstbegehung »Coco Jambo« gleich rechts von der »Don Quixote«. Aber auch im Ötztal waren wir sehr aktiv, sei es im Eis oder im brüchigen Fels der Kristallwand. Irgendwie hat Gerry sich immer die Zeit genommen, und an Motivation hat es ohnehin nie gefehlt. Und jedes Mal, wenn wir den Tag bei einem Bier, Kaffee oder aber auch einem kurzen Gespräch vor unseren geparkten Autos ausklingen ließen, redeten wir davon, irgendwann zusammen etwas Großes zu unternehmen. Im Herbst 2015 war es dann endlich so weit, und als unser gemeinsamer Freund Alex Blümel, Bergführer und Alpinist aus Mötz in Tirol, auch mit im Boot war, konnte die Expedition zum Nilgiri Süd starten.
Der BergDie Zahl der unbestiegenen Gipfel und Wände ist zum Glück nach wie vor beträchtlich größer als die Anzahl der Berge, auf denen bereits Spuren hinterlassen worden sind. Das trifft auch auf den Nilgiri Süd und dessen Südwand zu. Das Massiv des Nilgiri erstreckt sich im Himalaja über knapp fünf Kilometer auf einer Nord-Süd-Achse. Zwischen den Achttausender-Kolossen Dhaulagiri und Annapurna erheben sich der Süd-, der Zentral- und der Nordgipfel satte 4000 Meter über das Kali-Gandaki-Tal, das tiefste Durchbruchstal der Welt - steil, von wilden Schluchten umgeben, formschön die abschließenden Gipfel. Der am häufigsten bestiegene Gipfel ist der nördlichste. Das liegt wohl auch daran, dass er mit 7061 Metern als Einziger die für viele so wichtige 7000er-Grenze überschreitet. Zudem ist er, technisch gesehen, der am einfachsten erreichbare Gipfel.
Inhalt
Vorwort von Reinhold Messner: Starkes Storytelling Leidenschaft Nilgiri Süd Lautlos Wasser ist lebendig Allein sein Free-Solo-Revolution Zurück Baffin Island "Der Letzte der Fallschirmspringer" Kunyang Chhish "Fisch" ohne Verfallsdatum Masherbrum Gravur Nilgiri Süd - Was bleibt