Die ruhmreiche Zeit der Ritterschaft (vor allem der Kreuzzüge) ist vorbei. Die Ritter ergänzen ihre Einnahmen aus Lehen durch Raubzüge und Überfälle. Die vierzehnjährige Katharina soll mit dem viel älteren Witwer Wolf von Bassenheim verheiratet werden. Sie entzieht sich diesem Schicksal. Wie viele in ihrer Position zieht Katharina das Klosterleben der Ehe vor. Zeit ihres Lebens kann sie jedoch die Begegnung mit dem geheimnisvollen Schwarzen Ritter nicht vergessen.
Autorentext
Heidemarie Schumacher lehrte Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Film/Fernsehen an den Universitäten Siegen, Marburg, Erlangen und Bonn. Seit 2011 widmet sie sich dem Schreiben und veröffentlichte zwei Romane sowie fünf Kriminalromane. Sie war zehn Jahre Beirätin im Vorstand des Literaturhauses Bonn und Literaturrezensentin für den Deutschlandfunk.
Leseprobe
Als Katharina Lorette Lovisa von Hirschbach-Mayenfeld das Dunkel der mütterlichen Kemenate erblickte, ging ein Gewitter über die Burg. Es donnerte ungeheuerlich und Blitz auf Blitz fuhr am nördlichen Himmel nieder. Die Wächter auf den Wehrgängen zuckten zurück als seien Feinde im Ansturm, die Mägde, vor allem die jungen, sanken auf die Knie und beteten laut heulend zum heiligen Chrysostomus, dem Schutzpatron gegen Brand, Eiterbeulen und faules Stroh. Der Wind spielte den Eichen am Burgberg übel mit, so dass sie sich mit ihren Wurzeln ächzend in die Hänge krallten. Und kein Tropfen Regen fiel. Die ersten Schreie des Kindes gingen unter in Getöse und Durcheinander. Nach einer Phase unheilvoller Ruhe hatten Blitze die Szene grell erleuchtet, und einer von ihnen war im Ostteil der Burg eingeschlagen. Mit ohrenbetäubendem Krach ging der Donner über den Wehrturm hinweg, hallte im Burghof wider und grollte noch lange nach. An allen Ecken und Enden setzte lautes Wehklagen ein: Der himmlische Feuerzacken hatte das Heu in Brand gesetzt, von dem das Vieh im Winter fressen sollte. Knechte, Wächter und Mägde liefen durcheinander und schleppten in Bottichen, Krügen, ja im Nachtgeschirr und in Helmen das Wasser heran, um dem gierig lodernden Feind Herr zu werden. Einige Männer versuchten es auf natürlichem Wege, indem sie sich vom hölzernen Boden hinab in die Flammen entleerten. So ging es die halbe Nacht. Dann erbarmte sich der Himmel und schickte schwere Regengüsse, und gegen Morgen endlich konnte man mit vereinter Hilfe, den Heiligen Florian und Laurentius sei Dank, dem Feuer ein Ende bereiten. Natürlich waren in diesen Stunden die Wöchnerin und das Kind Katharina vergessen. Die Wehfrau wartete vergeblich auf heißes Wasser. Für die erste Waschung stand nur das Regenwasser zur Verfügung, das zwei Mägde eilig holten, bevor andere es zur Brandstelle schleppten. Tagsüber hatte es gefroren und sie hatten es unter einer dünnen Eisdecke aus dem Bottich im Hof geschöpft. Unten im Dorf witzelte man später, wenn Katharinas Rotschopf am Burgberg aufleuchtete, der gewaltige Blitz sei ihr bei der Geburt in die Haare gefahren. »Dat Jöngste vom Jraaf, ne jlöhnije Fuss«, das jüngste Grafenkind ein glühender Fuchs, hieß es bei den Bauern. Oben auf der Burg erzählten sich die Kammerfrauen am Feuer, dass dieses Fanal der ersten Stunden das Mädchen gefeit hatte gegen Unwetter aller Art, gegen eiskaltes Wasser und beißenden Rauch. Denn Katharina wurde ein kräftiges Kind, zäh, geduldig und mit einem starken Willen versehen. Der Vater des Mädchens, Hubertus von Hirschbach, kehrte erst Tage später in sein steinern-luftiges Heim zurück. Während der Niederkünfte seiner Gemahlin hielt er sich gewöhnlich bei einem seiner Brüder auf den Nachbarburgen auf. Nur die Geburt seines ersten Kindes hatte der Graf miterlebt. Die Gräfin hatte sehr gelitten und war gerade noch einmal mit dem Leben davongekommen. Radegunds spitze Schreie, die, wenn sie verstummten, nur Schlimmeres ankündigten, ein dumpfes Grunzen, als säße der Teufel auf ihr, dieser Wechsel von hohen Tönen und solchen, die der Graf nur von der Hirschbrunft kannte, verfolgten ihn seitdem. Von da an ging er jedes Mal, wenn sich Radegunds Bauch wieder rundete, auf Reisen. Als er jetzt auf der Burg eintraf, inspizierte er, kaum dass er abgesessen und die Zügel einem Knecht zugeworfen hatte, als Erstes die Brandstelle. Die neugeborene Katharina war das Letzte, was er sehen wollte. Sein Wunsch nach einem Stammhalter sollte sich erst zwei Jahre später erfüllen. Bisher hatte ihm Radegund sechs Töchter geboren und nun noch Katharina Lorette. Am frühen Morgen erschien die mächtige Nähramme, die seit Tagen mit ihrem jüngsten Sohn in der Burgküche hauste, um dort auf die Niederkunft der hohen Frau zu warten. An ihr hatten schon die Vettern der Nachbarburg gesogen und auch Katharinas Schwestern Birgitta und Mechtildis hatte sie mit ihrer Milch ins Leben verholfen. Bei Katharina schien es zunächst, als habe das Kind es sich anders überlegt. Der heftige Regen, der kurz nach ihrer Geburt einsetzte, hatte so steil über der Esse gestanden, dass er beißende Rauchschwaden ins Zimmer trieb und Säugling und Mutter um den Atem brachte. Nach anfänglichem Schreien war Katharina immer mehr verstummt. Nach einer Weile zeigte sie kaum noch Lebenszeichen, und plötzlich schien sie nicht mehr zu atmen. Man fürchtete, der Rauch habe ihr den Garaus gemacht. Die riesige Amme blieb gelassen. Sie besah sich den Säugling, packte ihn entschlossen an den Beinen und hielt ihn mit dem Kopf nach unten. Der Kopf wurde erst blau, dann rot, dann wieder weiß. Als er weiße Farbe annahm, hob die Amme das Kind hoch und es öffnete seine Augen, Augen von einem seltsamen Blau, wie man es auf der Burg bisher noch nicht gesehen hatte. Die älteren Schwestern hatten allesamt braune Augen, haselnussbraun, wie der Burgherr. Die alte Kammerfrau dachte für einen Augenblick an die Farbe, die Kornblumen annehmen, ein paar Tage, nachdem man sie gepflückt hat. (Meeresblau, an einem Frühsommermorgen, konnte sie nicht denken, denn das Meer hatte sie noch nicht gesehen). Ihr Gedanke wurde von einem leisen Fiepen unterbrochen, das sich bald zu einem hohen Krähen steigerte. »Es atmet wieder«, dachte die Kammerfrau erleichtert. Das Köpfchen des Kindes mit den erstaunlichen Augen war bedeckt mit rostrotem Flaum. Wie manche Laubblätter, wenn der Herbst sich neigt, dachte die alte Kammerfrau. Dann raffte sie ihre Röcke und lief die steinerne Wendeltreppe hinunter, so schnell ihr vorgeschrittenes Alter es erlaubte, um der Herrin die frohe Kunde zu bringen. Die Mutter, Gräfin Radegund, war nach der Geburt in eine Ohnmacht gefallen und man hatte ihren mageren Körper in eines der besser durchlüfteten Turmzimmer getragen. Dort lag sie apathisch auf dem großen Spannbett und wünschte sich weit weg. Es war bereits ihre siebte Niederkunft und sie war verständlicherweise nicht mehr so neugierig auf den Säugling wie bei den älteren Kindern. Beim Eintreten der Alten wandte sie den Kopf nur leicht nach links und schaute die Kammerfrau fragend an. Als diese die Augen zu Boden senkte, wusste Radegund, dass sich der ersehnte Stammhalter noch immer nicht eingestellt hatte und ihr Gatte sie folglich weiter belästigen würde. Einen Moment lang meinte sie den Geruch von Gebrautem zu riechen, den der Graf verströmte, wenn er ihr nahe kam. Augenblicklich musste sie sich übergeben. Die Kammerfrau kam noch rechtzeitig hinzu, um der Herrin die verschränkten Hände als Speikübel hinzuhalten. Auf der Burg gab man nicht viel auf Unpässlichkeit und die Alte erzählte ihrer würgenden Herrin ungerührt, dass das Neugeborene nun doch zum Atmen gekommen sei.
Autorentext
Heidemarie Schumacher lehrte Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Film/Fernsehen an den Universitäten Siegen, Marburg, Erlangen und Bonn. Seit 2011 widmet sie sich dem Schreiben und veröffentlichte zwei Romane sowie fünf Kriminalromane. Sie war zehn Jahre Beirätin im Vorstand des Literaturhauses Bonn und Literaturrezensentin für den Deutschlandfunk.
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Als Katharina Lorette Lovisa von Hirschbach-Mayenfeld das Dunkel der mütterlichen Kemenate erblickte, ging ein Gewitter über die Burg. Es donnerte ungeheuerlich und Blitz auf Blitz fuhr am nördlichen Himmel nieder. Die Wächter auf den Wehrgängen zuckten zurück als seien Feinde im Ansturm, die Mägde, vor allem die jungen, sanken auf die Knie und beteten laut heulend zum heiligen Chrysostomus, dem Schutzpatron gegen Brand, Eiterbeulen und faules Stroh. Der Wind spielte den Eichen am Burgberg übel mit, so dass sie sich mit ihren Wurzeln ächzend in die Hänge krallten. Und kein Tropfen Regen fiel. Die ersten Schreie des Kindes gingen unter in Getöse und Durcheinander. Nach einer Phase unheilvoller Ruhe hatten Blitze die Szene grell erleuchtet, und einer von ihnen war im Ostteil der Burg eingeschlagen. Mit ohrenbetäubendem Krach ging der Donner über den Wehrturm hinweg, hallte im Burghof wider und grollte noch lange nach. An allen Ecken und Enden setzte lautes Wehklagen ein: Der himmlische Feuerzacken hatte das Heu in Brand gesetzt, von dem das Vieh im Winter fressen sollte. Knechte, Wächter und Mägde liefen durcheinander und schleppten in Bottichen, Krügen, ja im Nachtgeschirr und in Helmen das Wasser heran, um dem gierig lodernden Feind Herr zu werden. Einige Männer versuchten es auf natürlichem Wege, indem sie sich vom hölzernen Boden hinab in die Flammen entleerten. So ging es die halbe Nacht. Dann erbarmte sich der Himmel und schickte schwere Regengüsse, und gegen Morgen endlich konnte man mit vereinter Hilfe, den Heiligen Florian und Laurentius sei Dank, dem Feuer ein Ende bereiten. Natürlich waren in diesen Stunden die Wöchnerin und das Kind Katharina vergessen. Die Wehfrau wartete vergeblich auf heißes Wasser. Für die erste Waschung stand nur das Regenwasser zur Verfügung, das zwei Mägde eilig holten, bevor andere es zur Brandstelle schleppten. Tagsüber hatte es gefroren und sie hatten es unter einer dünnen Eisdecke aus dem Bottich im Hof geschöpft. Unten im Dorf witzelte man später, wenn Katharinas Rotschopf am Burgberg aufleuchtete, der gewaltige Blitz sei ihr bei der Geburt in die Haare gefahren. »Dat Jöngste vom Jraaf, ne jlöhnije Fuss«, das jüngste Grafenkind ein glühender Fuchs, hieß es bei den Bauern. Oben auf der Burg erzählten sich die Kammerfrauen am Feuer, dass dieses Fanal der ersten Stunden das Mädchen gefeit hatte gegen Unwetter aller Art, gegen eiskaltes Wasser und beißenden Rauch. Denn Katharina wurde ein kräftiges Kind, zäh, geduldig und mit einem starken Willen versehen. Der Vater des Mädchens, Hubertus von Hirschbach, kehrte erst Tage später in sein steinern-luftiges Heim zurück. Während der Niederkünfte seiner Gemahlin hielt er sich gewöhnlich bei einem seiner Brüder auf den Nachbarburgen auf. Nur die Geburt seines ersten Kindes hatte der Graf miterlebt. Die Gräfin hatte sehr gelitten und war gerade noch einmal mit dem Leben davongekommen. Radegunds spitze Schreie, die, wenn sie verstummten, nur Schlimmeres ankündigten, ein dumpfes Grunzen, als säße der Teufel auf ihr, dieser Wechsel von hohen Tönen und solchen, die der Graf nur von der Hirschbrunft kannte, verfolgten ihn seitdem. Von da an ging er jedes Mal, wenn sich Radegunds Bauch wieder rundete, auf Reisen. Als er jetzt auf der Burg eintraf, inspizierte er, kaum dass er abgesessen und die Zügel einem Knecht zugeworfen hatte, als Erstes die Brandstelle. Die neugeborene Katharina war das Letzte, was er sehen wollte. Sein Wunsch nach einem Stammhalter sollte sich erst zwei Jahre später erfüllen. Bisher hatte ihm Radegund sechs Töchter geboren und nun noch Katharina Lorette. Am frühen Morgen erschien die mächtige Nähramme, die seit Tagen mit ihrem jüngsten Sohn in der Burgküche hauste, um dort auf die Niederkunft der hohen Frau zu warten. An ihr hatten schon die Vettern der Nachbarburg gesogen und auch Katharinas Schwestern Birgitta und Mechtildis hatte sie mit ihrer Milch ins Leben verholfen. Bei Katharina schien es zunächst, als habe das Kind es sich anders überlegt. Der heftige Regen, der kurz nach ihrer Geburt einsetzte, hatte so steil über der Esse gestanden, dass er beißende Rauchschwaden ins Zimmer trieb und Säugling und Mutter um den Atem brachte. Nach anfänglichem Schreien war Katharina immer mehr verstummt. Nach einer Weile zeigte sie kaum noch Lebenszeichen, und plötzlich schien sie nicht mehr zu atmen. Man fürchtete, der Rauch habe ihr den Garaus gemacht. Die riesige Amme blieb gelassen. Sie besah sich den Säugling, packte ihn entschlossen an den Beinen und hielt ihn mit dem Kopf nach unten. Der Kopf wurde erst blau, dann rot, dann wieder weiß. Als er weiße Farbe annahm, hob die Amme das Kind hoch und es öffnete seine Augen, Augen von einem seltsamen Blau, wie man es auf der Burg bisher noch nicht gesehen hatte. Die älteren Schwestern hatten allesamt braune Augen, haselnussbraun, wie der Burgherr. Die alte Kammerfrau dachte für einen Augenblick an die Farbe, die Kornblumen annehmen, ein paar Tage, nachdem man sie gepflückt hat. (Meeresblau, an einem Frühsommermorgen, konnte sie nicht denken, denn das Meer hatte sie noch nicht gesehen). Ihr Gedanke wurde von einem leisen Fiepen unterbrochen, das sich bald zu einem hohen Krähen steigerte. »Es atmet wieder«, dachte die Kammerfrau erleichtert. Das Köpfchen des Kindes mit den erstaunlichen Augen war bedeckt mit rostrotem Flaum. Wie manche Laubblätter, wenn der Herbst sich neigt, dachte die alte Kammerfrau. Dann raffte sie ihre Röcke und lief die steinerne Wendeltreppe hinunter, so schnell ihr vorgeschrittenes Alter es erlaubte, um der Herrin die frohe Kunde zu bringen. Die Mutter, Gräfin Radegund, war nach der Geburt in eine Ohnmacht gefallen und man hatte ihren mageren Körper in eines der besser durchlüfteten Turmzimmer getragen. Dort lag sie apathisch auf dem großen Spannbett und wünschte sich weit weg. Es war bereits ihre siebte Niederkunft und sie war verständlicherweise nicht mehr so neugierig auf den Säugling wie bei den älteren Kindern. Beim Eintreten der Alten wandte sie den Kopf nur leicht nach links und schaute die Kammerfrau fragend an. Als diese die Augen zu Boden senkte, wusste Radegund, dass sich der ersehnte Stammhalter noch immer nicht eingestellt hatte und ihr Gatte sie folglich weiter belästigen würde. Einen Moment lang meinte sie den Geruch von Gebrautem zu riechen, den der Graf verströmte, wenn er ihr nahe kam. Augenblicklich musste sie sich übergeben. Die Kammerfrau kam noch rechtzeitig hinzu, um der Herrin die verschränkten Hände als Speikübel hinzuhalten. Auf der Burg gab man nicht viel auf Unpässlichkeit und die Alte erzählte ihrer würgenden Herrin ungerührt, dass das Neugeborene nun doch zum Atmen gekommen sei.
Titel
Katharina
Untertitel
oder Das verschlossene Herz
Autor
EAN
9783898019521
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Genre
Veröffentlichung
04.10.2024
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
0.81 MB
Anzahl Seiten
232
Lesemotiv
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