In ihren Anfängen definierte sich die Bundesrepublik wie die DDR dadurch neu, dass sie sich gegen den gemeinsamen Vorgängerstaat, das »Dritte Reich«, abgrenzte. Das entsprach aber kaum der jeweiligen sozialen Wirklichkeit. In der DDR thematisierte Heiner Müller das Fortleben der Vergangenheit. Er entlarvte den behaupteten demokratischen Neubeginn als Wunschvorstellung und übte so subtil wie vernichtend Kritik am staatlichen Opportunismus, der ursprüngliche Ideale in ihr Gegenteil verkehrte. Bisher ist dies kaum voll erkannt worden - aufgrund von ursprünglich politisch motivierten, dann literaturwissenschaftlich festgeschriebenen Etikettierungen, die hier relativiert werden sollen. In der Bundesrepublik machte Erwin Piscator mit seinen Inszenierungen von Stücken Hochhuths, Weiss' und Kipphardts auf das Fortleben sozialer Strukturen aus dem Nationalsozialismus aufmerksam. Die Einordnung der Stücke in den historischen Kontext von DDR und BRD fördert überraschende Parallelen zutage. Es zeigt sich, dass die ähnlichen Reaktionen aus der Politik in Ost und West durch den gleichen Mechanismus ausgelöst wurden, nämlich durch den Verweis auf die Selbsttäuschungen der jungen Staaten, die den Anspruch erhoben, auf Anhieb andere soziale Gemeinschaften geschaffen zu haben.



Autorentext
Dr. Heiner Teroerde, geboren 1954, studierte in Münster und Amsterdam Germanistik, Niederlandistik und Kommunikationswissenschaft. 2009 wurde er an der Radboud Universiteit Nijmegen promoviert.
Titel
Politische Dramaturgien im geteilten Berlin
Untertitel
Soziale Imaginationen bei Erwin Piscator und Heiner Müller um 1960. E-BOOK
EAN
9783862340712
ISBN
978-3-86234-071-2
Format
E-Book (pdf)
Hersteller
Veröffentlichung
17.06.2009
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
1.56 MB
Anzahl Seiten
347
Jahr
2009
Untertitel
Deutsch