Als kulturelle Denkfigur wurde »Mütterlichkeit« historisch an die gesellschaftliche Position der Frau gebunden. Bisher ist es erst im Ansatz gelungen, dies zu verändern. Unbewusste Stereotypien prägen elterliches Denken und Handeln und verhindern eine gleichberechtigte Verteilung der familiären Aufgaben. Wie können wir Mütterlichkeit und Fürsorgeverpflichtung gesamtgesellschaftlich neu denken? Helga Krüger-Kirn plädiert für eine Loslösung der Mütterlichkeit aus ihrer normativen Zuschreibung an die Frau und ihren Körper und prüft bereits bestehende soziologische, psychoanalytische und (neuro-)biologische Theorien auf ihr Potenzial, Mütterlichkeit geschlechterübergreifend zu leben.

Ist Mütterlichkeit weiblich? Nein, Mütterlichkeit ist menschlich. Doch als kulturelle Denkfigur wurde sie historisch an die gesellschaftliche Position der Frau gebunden. Zwar ist dieses Konzept in eine Schieflage geraten; doch trotz gleichstellungspolitischer Maßnahmen und einer gelebten Vielfalt von Familienformen ist es bisher erst im Ansatz gelungen, die auf kulturell tradierten Normen und Handlungsmustern beruhende Denkfigur der Mütterlichkeit zu verändern. Unbewusste Stereotypien prägen elterliches Denken und Handeln auch in der heutigen Familiengestaltung und verhindern eine gleichberechtigte Verteilung der familiären Aufgaben. Wie können wir Mütterlichkeit und Fürsorgeverpflichtung gesamtgesellschaftlich neu denken? Helga Krüger-Kirn plädiert für eine Loslösung der Mütterlichkeit aus ihrer normativen Zuschreibung an die Frau und ihren Körper und prüft die Prämissen bereits bestehender soziologischer, psychoanalytischer und (neuro-)biologischer Theorien auf ihr Potenzial, Mütterlichkeit geschlechterübergreifend zu leben.

Inhalt
Vorwort und Dank 1 Einleitung Mutterland und Vatersprache 1.1 Mutterlichkeit 1.2 Ziele und Struktur des Buches 1.3 Gendersensible Sprache 2 Zeithistorische Perspektiven auf elterliche Leitbilder und Mutterlichkeit* 2.1 18. und 19. Jahrhundert 2.2 Die Geschichte der Mutterliebe 2.3 Revolutionäre Umbruche um 1918 (Weimarer Republik) 2.4 Mutterschaft im Nationalsozialismus 2.5 Nachkriegsära und Restauration patriarchaler Familienverhältnisse 2.6 Ab 1960 bis heute 2.7 Zeithistorische Kontinuitäten 2.8 Zusammenfassung 3 Feministische Mutterschaftskonzepte und Forschungsperspektiven 3.1 Konzeptionelle Vorläufer 3.2 Differenzfeministische Ansätze 3.3 Mutterliche Erfahrungen 3.4 Gleichheitsfeministische Ansätze 3.5 Poststrukturalistische Ansätze 3.6 Empirische Forschung zu Mutterschaft 3.7 Empirische Forschung zu Vaterschaft 3.8 Leerstellen blind spots 3.9 Neue Forschungsperspektiven 3.10 Zusammenfassung 4 Der Mutterkörper im Modell der Zweigeschlechtlichkeit 4.1 Einige Vorbemerkungen 4.2 Historische Vorläufer 4.3 Mittelalter 4.4 19. Jahrhundert 4.5 20. Jahrhundert 4.6 Nationalsozialismus und Nachkriegsära bis heute 4.7 Der schwangere Körper in der Postmoderne 4.8 Medizinische Schwangerschaftsvorsorge und reproduktionsmedizinische Techniken 4.9 Schwangerschaft als Grenzbearbeitung 4.10 Leihmutterschaft: Geteilte Schwangerschaft 4.11 Schwangerschaft und Schwangerschaftserleben aus queerer und trans*geschlechtlicher Perspektive 4.12 Abtreibung 4.13 Spontanabort und Unfruchtbarkeit 4.14 Kinderwunsch und Schwangerschaft als matrisexuelles Begehren 4.15 Zusammenfassung 5 Schieflagen in der Gestaltung des Familienlebens 5.1 Zur Studie »Mutterschaft und Geschlechterverhältnisse« 5.2 Die Figur der Mutter zwischen traditionellen Elternleitbildern und Postfeminismus 5.3 Die Figur der Do-it-all-Mother zwischen Emanzipation und Kindeswohldiskurs 5.3.1 Hormon- und Stilldiskurs 5.3.2 »Alles wegen der Kinder«: Markierung der geschlechterdifferenten Vorstellungen im Lichte des Kindeswohls 5.4 Die Figur der Do-it-all-Mother und Selbstbestimmung 5.4.1 Die Figur der Do-it-all-Mother und mutterliche Selbstwertkonflikte 5.4.2 Die Figur der Do-it-all-Mother, oder: Wie bin ich eine gute Mutter? 5.5 Verschiebung der strukturellen Widerspruche auf die individuelle Ebene der Do-it-all-Mother 5.6 Regretting motherhood 5.7 Wa(h)re Mutterschaft und die verhinderte Sehnsucht nach Solidarität Exkurs: Zur gesellschaftlichen Relevanz von weiblichem Neid 5.8 Ein Zwischenruf zur Figur der Do-it-all-Mother 5.9 Elternschaft als Gendertrouble 5.10 Zusammenfassung 6 Der feine Unterschied: Mutterschaft und Mutterlichkeit* Feministisch-psychoanalytische Zwischenrufe zu Identitäts- und Subjekttheorien 6.1 Überlegungen zu Körper und Identität mit Blick auf Weiblichkeit/Mutterlichkeit* und Männlichkeit/Väterlichkeit* 6.2 Machtanalytische Annäherungen an Körper und geschlechtliche Identität mit Foucault und Butler 6.3 Psychoanalytische Annäherungen 6.3.1 Notwendige Voraussetzungen, um Mutterlichkeit* geschlechterubergreifend zu denken 6.3.2 Geschlechterkritische Entwicklungsreflexionen 6.4 Mikroanalytische Vertiefungen einer geschlechtlichen Entwicklung 6.4.1 Einblicke in die Grundzuge der Säuglingsforschung 6.4.2 Fruhe Spuren: Mentalisierung 6.4.3 Zur Somatisierung der Abwehr 6.4.4 Zum subjektiven und gesellschaftlichen Körperbild 6.5 Das Politische ist privat: Ein Zwischenfazit 6.6 Zusammenfassung 7 Tradierte und strukturelle Herausforderungen fur ein Denken geschlechterunabhängiger Mutterlichkeit* 7.1 Neurobiologische Erkenntnisse: Muttertät und Vatertät 7.2 Somatische Mutterlichkeit* 7.3 Postpartale Depression 7.4 Und was ist mit der Väterlichkeit*? 7.5 Paarbeziehung heute 7.6 Gelingende Elternschaft basiert auf Kooperationsbereitschaft und Anerkennung von Differenz 7.7 Zusammenfassung 8 Ein Paradigmenwechsel zur Neubestimmung von Mutterlichkeit* 8.1 Produktion und Reproduktion 8.2 Mutterlichkeit* und Paradoxien der Gleichheit 8.3 Romantische Liebe und mutterliche Ausbeutung 8.4 Mutterlichkeit* braucht gesellschaftliche Anerkennung und elterliche Kooperationsfähigkeit 9 Literatur
Titel
Mütterlichkeit braucht kein Geschlecht
Untertitel
Fürsorge als gesamtgesellschaftliche Herausforderung
EAN
9783837962031
Format
E-Book (pdf)
Veröffentlichung
01.04.2024
Digitaler Kopierschutz
frei
Anzahl Seiten
337
Lesemotiv