Leseprobe
II. Gesetzeslage bis zur Entscheidung des EGMR
A. Das Rekursverfahren[24]
Die Zivilprozessordnung in ihrer Stammfassung vom 1. August 1895 regelte in nur 16 Paragraphen[25], nämlich den 514 bis 528 ZPO, das Rekursverfahren. Danach war der Rekurs, der ein möglichst einfach konstruiertes Rechtsmittel sein sollte[26], insbesondere[27] gegen Beschlüsse (Bescheide), "sofern das gegenwärtige Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließt"[28] zulässig[29]. Bei Beschlüssen, durch welche der Ersatz der Kosten dem Gericht auferlegt wurde, konnten "die hiernach zum Kostenersatz verpflichteten richterlichen Beamten Recurs ergreifen"[30].
Die Entscheidung über den durch Einreichung eines Schriftsatzes[31] eingelegten Rekurs erfolgte ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss[32].
Ursprünglich sah das Rekursverfahren grundsätzlich nur die Einseitigkeit vor[33], was von Lehre[34] und Rechtsprechung[35] als unbedenklich angesehen wurde. Morscher[36] wies darauf hin, dass diese Einseitigkeit für die Partei zu einer nicht wettzumachenden Benachteiligung führe, da diese keine Möglichkeit habe, auf die Rekursausführungen einzugehen, um gegen diese substantiiert Stellung zu nehmen. Er sah daher in der Beseitigung der Einseitigkeit nicht nur ein rechtspolitisches Anliegen, sondern vielmehr ein Gebot des Verfassungsrechts. Auch wenn diese Kritik[37] anfänglich weder beim Gesetzgeber noch in der Rechtsprechung Gehör fand[38] kam es schließlich doch mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 im begrenzten Umfang zur Einführung des zweiseitiges Rekursverfahren. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der Einseitigkeit betraf die Fälle, in denen die Einseitigkeit als besonders unerträglich empfunden wurde[39]. Seinen gesetzgeberischen Niederschlag hat dies im 521a ZPO gefunden.
B. Die Ausgestaltung des Rekursverfahren
1. Das einseitige Rekursverfahren
Das Rekursverfahren war grundsätzlich ein einseitig gestaltetes Verfahren, in dem ohne mündliche Rekursverhandlung in nicht öffentlicher Sitzung nach Aktenlage[40] entschieden wurde. Der Rekurs wurde durch einen Schriftsatz eingeleitet. Außer im Besitzstörungsverfahren[41] bedurfte es keiner Anmeldung.
Die Konsequenz dieser Verfahrensweise ist, dass im Rekursverfahren grundsätzlich das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel nicht möglich ist[42]. Diese als "Neuerungsverbot" bezeichnete Verfahrensweise, für die eine ausdrückliche Anordnung im Rekurs fehlt, gilt von einigen Ausnahmen abgesehen in allen Verfahrenstypen[43]. Begründet wird dies mit dem Zweck des Rekurses als rein kontrollierendem Rechtsmittel und der fehlenden mündlichen Verhandlung sowie der fehlenden Möglichkeit der Beweisaufnahme unter Zuziehung der Parteien[44]. Es wird hier also der Grundsatz verwirklicht, dass das österreichische Rechtsmittelverfahren nicht mehr neuerlich der geltend gemachte Anspruch, sondern nur noch die Richtigkeit der Entscheidung und des ihr vorangegangenen Verfahrens überprüft wird[45].
2. Das zweiseitige Verfahren
Ein zweiseitiges Rekursverfahren wird da