Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Jura - Zivilprozessrecht, Note: 2, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (Institut für Zivilgerichtliches Verfahren), Veranstaltung: Diplomanden- und Dissertantenseminar aus dem Zivilverfahrensrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Mit der am 1.4.2009 in Kraft getreten Zivilverfahrens-Novelle 2009 führt Österreich nunmehr die grundsätzliche Zweiseitigkeit im Rekursverfahren ein, da ein rein einseitiges Verfahren wie es bisher größtenteils im Rekursverfahren galt, gegen den in Art 6 MRK niedergelegten Grundsatz des fairen Verfahrens (rechtlichen Ge-hörs) verstößt. Künftig ist damit für alle nicht bloß verfahrensleitenden Rekurse die Rekursbeantwortung gemäß 521a ZPO vorgesehen. Die zentrale Bedeutung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs für ein faires Verfahren ist, seit langen bekannt. Dieser Grundsatz findet seinen Ausdruck in der bekannten lateinischen Formel 'audiatur et altera pars' . Zufällig-treffend wurde das rechtliche Gehör auch einmal im Urteil der Regierung von Niederösterreich vom 25.8.1568 als 'Grundrecht' bezeichnet. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs war, wenn auch nur ausdrücklich für das streitige Verfahren, bereits in den 477 Abs 1 Z 4 und 529 Abs 1 Z 2 der Stammfassung der ZPO von 1895 verankert. Dieser Grundsatz enthielt in Österreich vor der Erhebung der MRK in den Verfassungsrang keine verfas-sungsrechtliche Garantie, während in Deutschland der Art 103 Abs 1 GG sowie die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen den Anspruch auf rechtliches Gehör als grundrechtsgleiches Recht garantieren. Allerdings wurde diesem Grundsatz im österreichischen Recht durch einfachgesetzliche Regelungen, die jedoch nur in der 1. Instanz diesem Postulat vollumfänglich Rechnung trugen, entsprochen. Kodek wies zu Recht darauf hin, dass gerade im Bereich des Rechtsmittelverfahrens, insbesondere im Rekursverfahren, das im Hinblick auf die 'typischerweise geringe Bedeutung der angefochtenen Entscheidung' anfänglich einseitig ausgestaltet war, Defizite bestünden. Auch wenn mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 in einigen Fällen die Zweiseitigkeit auch in das Rekursverfahren eingeführt wurde, so blieb es im übrigen trotz der geäußerten Kritik beim einseitigen Rekursverfahren. Insbesondere von Ballon erfolgte der zutreffende kritische Hinweis, dass die bedenkliche Rechtslage im Bereich des Au-ßerstreit-, Insolvenz- und Exekutionsverfahrens damit aber nicht beseitigt wurde. Ein Umdenken setzte mit der Entscheidung des EGMR vom 6.2.2001 ein, da der traditionelle Grundsatz der Einseitigkeit des Rekursverfahrens ins Wanken geriet. Im folgenden sollen die Auswirkungen der am 1.4.2009 in Kraft getretenen Zivilverfahrens-Novelle 2009,untersucht werden.

Leseprobe
II. Gesetzeslage bis zur Entscheidung des EGMR

A. Das Rekursverfahren[24]

Die Zivilprozessordnung in ihrer Stammfassung vom 1. August 1895 regelte in nur 16 Paragraphen[25], nämlich den 514 bis 528 ZPO, das Rekursverfahren. Danach war der Rekurs, der ein möglichst einfach konstruiertes Rechtsmittel sein sollte[26], insbesondere[27] gegen Beschlüsse (Bescheide), "sofern das gegenwärtige Gesetz die Anfechtung derselben nicht ausschließt"[28] zulässig[29]. Bei Beschlüssen, durch welche der Ersatz der Kosten dem Gericht auferlegt wurde, konnten "die hiernach zum Kostenersatz verpflichteten richterlichen Beamten Recurs ergreifen"[30].

Die Entscheidung über den durch Einreichung eines Schriftsatzes[31] eingelegten Rekurs erfolgte ohne vorhergehende mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss[32].

Ursprünglich sah das Rekursverfahren grundsätzlich nur die Einseitigkeit vor[33], was von Lehre[34] und Rechtsprechung[35] als unbedenklich angesehen wurde. Morscher[36] wies darauf hin, dass diese Einseitigkeit für die Partei zu einer nicht wettzumachenden Benachteiligung führe, da diese keine Möglichkeit habe, auf die Rekursausführungen einzugehen, um gegen diese substantiiert Stellung zu nehmen. Er sah daher in der Beseitigung der Einseitigkeit nicht nur ein rechtspolitisches Anliegen, sondern vielmehr ein Gebot des Verfassungsrechts. Auch wenn diese Kritik[37] anfänglich weder beim Gesetzgeber noch in der Rechtsprechung Gehör fand[38] kam es schließlich doch mit der Zivilverfahrens-Novelle 1983 im begrenzten Umfang zur Einführung des zweiseitiges Rekursverfahren. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der Einseitigkeit betraf die Fälle, in denen die Einseitigkeit als besonders unerträglich empfunden wurde[39]. Seinen gesetzgeberischen Niederschlag hat dies im 521a ZPO gefunden.

B. Die Ausgestaltung des Rekursverfahren

1. Das einseitige Rekursverfahren

Das Rekursverfahren war grundsätzlich ein einseitig gestaltetes Verfahren, in dem ohne mündliche Rekursverhandlung in nicht öffentlicher Sitzung nach Aktenlage[40] entschieden wurde. Der Rekurs wurde durch einen Schriftsatz eingeleitet. Außer im Besitzstörungsverfahren[41] bedurfte es keiner Anmeldung.

Die Konsequenz dieser Verfahrensweise ist, dass im Rekursverfahren grundsätzlich das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel nicht möglich ist[42]. Diese als "Neuerungsverbot" bezeichnete Verfahrensweise, für die eine ausdrückliche Anordnung im Rekurs fehlt, gilt von einigen Ausnahmen abgesehen in allen Verfahrenstypen[43]. Begründet wird dies mit dem Zweck des Rekurses als rein kontrollierendem Rechtsmittel und der fehlenden mündlichen Verhandlung sowie der fehlenden Möglichkeit der Beweisaufnahme unter Zuziehung der Parteien[44]. Es wird hier also der Grundsatz verwirklicht, dass das österreichische Rechtsmittelverfahren nicht mehr neuerlich der geltend gemachte Anspruch, sondern nur noch die Richtigkeit der Entscheidung und des ihr vorangegangenen Verfahrens überprüft wird[45].

2. Das zweiseitige Verfahren

Ein zweiseitiges Rekursverfahren wird da

Titel
Die Zweiseitigkeit des Rekurses nach der Zivilverfahrensnovelle 2009
EAN
9783640388677
ISBN
978-3-640-38867-7
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
31.07.2009
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.81 MB
Anzahl Seiten
75
Jahr
2009
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet