Seit Augustinus lässt sich als Charakteristikum für die westliche Erlösungslehre eine Tendenz des Auseinanderdriftens von Christologie und Gnadenlehre wahrnehmen. Theologisch bedeutete diese Entwicklung eine Entzweiung von Christologie und Soteriologie, welche die erste um ihre Relevanz und die zweite um ihre christologische Bestimmtheit brachte. Dass sich Thomas von Aquin nicht ohne weiteres dieser Entwicklungslinie zurechnen lässt, ist in der Forschung weithin anerkannt. Aber was genau bedeutet es, wenn Thomas die Gnade als durch Christus vermittelt versteht und sagt, dass alle Gnade immer auch Gnade Christi ist? Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung wird in der vorliegenden Studie die These erarbeitet, dass sich ausgehend von der thomanischen Freundschaftskategorie die Verbindung von Christologie und Gnadenlehre ebenso wie die aktuelle Frage nach dem unterscheidend Christlichen auf neue Weise und in ökumenischer Perspektive erschließen.

Holger Dörnemann, Dr. theol. habil., Privatdozent für Religionspädagogik und Katechetik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, war nach dem Studium in Bonn und Fribourg von 1996-2005 Referent für Theologische Bildung. Seit 1998 ist er Lehrbeauftragter für Fachdidaktik Religion an der Universität Köln und seit 2006 Leiter der Ehe- und Familienpastoral im Erzbistum Köln.

Autorentext

Holger Dörnemann, Dr. theol. habil., Privatdozent für Religionspädagogik und Katechetik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, war nach dem Studium in Bonn und Fribourg von 1996-2005 Referent für Theologische Bildung. Seit 1998 ist er Lehrbeauftragter für Fachdidaktik Religion an der Universität Köln und seit 2006 Leiter der Ehe- und Familienpastoral im Erzbistum Köln.



Leseprobe
Einleitung

Einführung in die Zielsetzung der Arbeit

G. Greshake vergleicht in einem Aufsatz über den 'Wandel der Erlösungsvorstellungen in der Theologiegeschichte' 1 eine 'griechisch-östliche' mit einer 'lateinisch-westlichen' Erlösungsvorstellung. Die gegenüber der 'dynamisch-prospektiven' griechischen Soteriologie eher 'statisch-retrospektive' Soteriologie des lateinischen Westens 2 sieht er dabei vor allem durch ein zweifaches Interesse gekennzeichnet: "es ist erstens die Frage nach der grundsätzlichen rechtlichen Bereinigung des Verhältnisses Gott-Mensch, dann aber zweitens auch die Frage nach dem Einzelnen , wie denn der Einzelne frei von Schuld und Sünde werde und in seinem konkreten Leben Gott zu dienen vermöge." 3 Dieses Doppelinteresse, das gleichermaßen die Wiederherstellung des zerstörten 'ordo' als auch die Freiheit des Menschen akzentuiert, spiegelt sich in einer gewandelten Gnadenkonzeption, in der sich nach Augustinus eine Differenz zwischen subjektiver und objektiver Erlösung wahrnehmen läßt. 4 Als eine Folge des sich im Gnadenstreit des Augustinus mit den Pelagianern durchsetzenden Verständnisses der Gnade als 'nachfolgende subjektiv-innerliche Applikation aus dem objektiven Heilswerk Christi' 5 sieht Greshake die Gefahr einer 'Verselbständigung von Gnadenlehre und Christologie'. 6

Mit Greshake bestätigt auch Th. Pröpper den für die westliche Erlösungsauffassung charakteristischen, nur indirekten Zusammenhang von Erlösungswerk Christi und innerer Begnadung 7 : "Theologisch führte beides, die Verinnerlichung der Gnade und die Theorie der objektiven Versöhnung, zu einer Entzweiung von Christologie und Soteriologie, welche die erste um ihre Relevanz und die zweite um ihre christologische Bestimmtheit brachte". 8 In der Subjektivierung der Gnade, ihrer Bezuglosigkeit zur geschichtlichen Realität und in dem damit einhergehenden Relevanzverlust der Christologie sieht Pröpper zugleich auch schon die neuzeitliche Säkularisierung (und Moralisierung) der Soteriologie vorbereitet, in der "Jesus Christus zwar immer noch als Chiffre für ein bestimmtes Menschsein, aber nicht mehr als dessen Ermöglichung gilt" 9 .

Vor dem Hintergrund der Tendenz zur Entzweiung von Christologie und Gnadenlehre in der lateinisch-westlichen Tradition drängt sich die Frage nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Gnadenlehre und Christologie auf. Wo aber liegt der Vermittlungspunkt zwischen subjektiver und objektiver Erlösungslehre?

In Hinblick auf die soteriologischen Entwürfe und Lösungsversuche der Tradition läßt die Aussage Greshakes aufmerken, daß die oben genannte Tendenz des Auseinanderdriftens von Gnadenlehre und Christologie hinsichtlich der Theologie des Thomas von Aquin nur eine relative Berechtigung zu haben scheint. 10 Sosehr diese unter anderem aufgrund der Arbeiten H. Kesslers 11 und M. Secklers 12 gewonnene Einsicht Greshakes von der Thomas-Literatur bestätigt wird, muß es bei näherem Hinblick auf den Forschungsstand zur Theologie des Thomas verwundern, daß sich zwar zu den genannten Traktaten (Gnaden-, Tugendlehre und Christologie) der Theologie des Aquinaten zahlreiche und ausführliche Einzeluntersuchungen finden, daß jedoch eine eigenständige Untersuchung, die sich um das Verhältnis von Gnaden-, Tugendlehre und Christologie bemüht, noch aussteht.

Wie aber lassen sich z.B
Titel
Freundschaft
Untertitel
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet
EAN
9783429046422
ISBN
978-3-429-04642-2
Format
E-Book (pdf)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
20.02.2012
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
49.24 MB
Anzahl Seiten
250
Jahr
2012
Untertitel
Deutsch
Lesemotiv