Als Folge des Krieges im ehemaligen Jugoslawien kamen in den 1990er Jahren ca. 340.000 Flüchtlinge nach Deutschland. Viele von ihnen waren Opfer sogenannter "ethnischer Säuberungen". Trotz vielfacher Belastungen zeigen die betroffenen Kinder häufig keine offensichtlichen psychischen Folgen oder Verhaltensauffälligkeiten, sondern wirken gut angepasst. Indem Ansätze aus der Traumaforschung, der Bindungsforschung und der qualitativen Sozialforschung kombiniert werden, lassen sich die oft verdeckt vorhandenen Traumatisierungen aufspüren. Dabei werden sowohl das Bindungsmuster der Eltern als auch die sozial prekäre Situation der Flüchtlingsfamilien berücksichtigt. Es zeigt sich, dass die Entwicklung der Kinder stark von den Traumatisierungen der Eltern geprägt ist. Erschwerend hinzu kommen sozialpolitische und ausländerrechtliche Entscheidungen, die zur sozialen Desintegration der Flüchtlinge führen. Sequentielle Traumatisierungsprozesse im Sinne Hans Keilsons werden dadurch befördert. Die Psychologin Ilka Lennertz zeigt auf, wie vergleichsweise einfach zu realisierende Unterstützungsmaßnahmen, die zurzeit unterlassen werden, ausgestaltet werden könnten.
Autorentext
Dr. phil. Ilka Lennertz ist Psychologin an der Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätsklinik Dresden.
Zusammenfassung
On the basis of refugee children from Bosnia-Herzegovina living in Germany this volume shows how traumatizations stemming from war and other sociopolitical factors can reinforce each other.Despite multiple stresses experienced in war zones, refugee children seldom show obvious psychological consequences or behavioural abnormalities; rather, they often appear to be well adjusted in their new homeland. The psychologist Ilka Lennertz combines approaches from trauma and attachment research to study how one can detect hidden traumatization processes in such children. It becomes clear that the developmental processes of these children are shaped by their own experiences and those of their parents as well as by the sociopolitical situation and their status as foreign refugees. This study also looks at the way in which traumatization is worked through by children and how one can best support them in this process.