Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, anhand einer quantitativen historisch-semantischen Analyse die Wahrnehmungs- und Deutungsmuster mittelalterlicher Autoren hinsichtlich ihrer natrlichen Umwelt herauszuarbeiten. Im Fokus standen dabei Vernderungen der Gewsser im Zuge der kulturlandschaftlichen Transformationen des hochmittelalterlichen Landesausbaus des 11. bis 13 Jahrhunderts in Ostmitteleuropa. Die Arbeit zeigt, dass die sprachlichen Vernderungen der schriftsemantischen Felder parallel mit den politischen, kirchlichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, rechtlichen und kulturlandschaftlichen Prozessen verliefen. Das Bevlkerungswachstum war die Grundlage fr die Kultivierung von bislang nur dnn besiedelten Landschaften und fr den wachsenden territorialen Anspruch der geistlichen und weltlichen Landesherren, ber diese Landschaften zu herrschen. Dies fhrte auch zum Aufbau einer Kirchenorganisation und zum Transfer von technischen Innovationen durch die Missionsklster. Diese Prozesse spiegeln sich in der Schriftsprache der Autoren dieser Zeiten: Es erscheinen neue Begrifflichkeiten, neue Kollokationen und neue thematische Schwerpunkte. Die mittelalterlichen Zeitgenossen differenzierten zwischen den fr sie ersichtlich anthropogen bedingten und den ihnen natrlich erscheinenden Umwelttransformationen. Waren die Transformationen auf menschliche Auslser zurckzufhren, konnten sich rechtliche Folgen ergeben und auf Schadenersatz sowie auf Wiederherstellung des alten Zustandes geklagt werden. Dagegen konnten natrliche Umwelttransformationen (Akkumulation und Erosion von Flussufern, Zerstrung von Wassermhlen aufgrund von Hochwasser und Eisgang) niemandem zur Last gelegt werden. Wie haben die mittelalterlichen Menschen ihr Verhltnis zur Natur wahrgenommen? Obwohl sie die Natur, speziell Fliegewsser und Unwetter, als handelnde Akteure instrumentalisierten, unterstellten sie ihnen keinen eigenen Willen. Durch das theozentrische Deutungsmuster war ihnen die Ambivalenz von gleichzeitig freundlicher und feindlicher Natur als von Gott gelenkt bewusst. Die Menschen begriffen ihre Situation als eine eingeschrnkte Herrschaft ber die Natur. Ihnen stand zwar ein gewisser Handlungsspielraum fr eigene Aktionen zur Verfgung, doch konnte Gott die menschliche Herrschaft ber die Natur jederzeit – etwa durch Extremereignisse – wieder beenden. Gerade die scheinbare Eigendynamik der Gewalten reprsentierte die Unergrndlichkeit gttlichen Willens.