Jerry Kennets Familie stammt zwar nicht aus unterschiedlichen Epochen, aber wenn Jerry es sich aussuchen könnte, würde er am liebsten zur Zeit der englischen Renaissance leben - als Hofnarr, natürlich. Er hat leider keine geniale Zeitreisemaschine erfunden, sondern nur Politikwissenschaft studiert. Jerry lebt mit seiner Familie in Washington und arbeitet als Journalist. 'Die Grünbarts' ist seine erste Reihe für Kinder.
Autorentext
Jerry Kennets Familie stammt zwar nicht aus unterschiedlichen Epochen, aber wenn Jerry es sich aussuchen könnte, würde er am liebsten zur Zeit der englischen Renaissance leben - als Hofnarr, natürlich. Er hat leider keine geniale Zeitreisemaschine erfunden, sondern nur Politikwissenschaft studiert. Jerry lebt mit seiner Familie in Washington und arbeitet als Journalist. "Die Grünbarts" ist seine erste Reihe für Kinder.
Leseprobe
Kapitel 1
Als die Schulglocke schrillte, war ich schon fast zur Tür hinaus. Das lag nicht etwa an Mr Fiskes Unterricht - Geschichte war sogar mein Lieblingsfach -, sondern daran, dass ich möglichst im Bus sitzen wollte, bevor Sam und Craig einstiegen. Dann würden sie mich vielleicht nicht bemerken und ich hätte eine Chance, eine weitere Busfahrt lebend zu überstehen.
»Vergesst nicht, am Freitag eure Aufsätze mitzubringen!«, rief Mr Fiske uns nach.
Ich mischte mich unter die Schüler, die hinaus in die Freiheit strömten. Eingenebelt in eine Dunstwolke aus feuchten Sportsocken und Kaugummi ließ ich mich von dieser Welle mitreißen. Eine Kampfarena mit verschwitzten Gladiatoren war nichts im Vergleich zu einer Grundschule, so viel stand fest.
Der Bus wartete bereits. Ich rannte schneller. Wenn ich es schaffte, vor Sam und Craig, besser bekannt als Die Zwillingspanzer des Schreckens, in den Bus einzusteigen, konnte ich mich auf einen der hinteren Plätze verkriechen. Und dann bestand die Möglichkeit, dass sie mich schlicht und einfach vergaßen. Wenn ich aber zu langsam war und die beiden schon im Bus saßen, würden sie mich sofort entdecken. Statt mich zu vergessen, würden sie sich daran erinnern, dass ich ihr Lieblingsopfer für die Busfolter war. Erschwerend kam hinzu, dass meine Schwester Hojo seit diesem Schuljahr auf eine andere Schule ging und mich nicht mehr beschützen konnte. Sam und Craig waren beide in Hojo verknallt, aber sie hatten auch Angst vor ihr. (Ich weiß, ich weiß, jetzt hältst du mich für einen totalen Versager, weil ich mich hinter meiner Schwester verstecke. Aber du kennst Hojo nicht.)
Ich warf einen Blick über die Schulter. Sam und Craig waren zehn Meter hinter mir, der Bus stand fünf Meter vor mir. Ich würde es rechtzeitig schaffen!
Das Triumphgefühl währte nur kurz, denn plötzlich spürte ich eine große, schwere Hand auf meiner Schulter. Es war Mr Weatherspoon, unser Schulleiter, der mich stirnrunzelnd ansah. Ich blieb überrumpelt stehen. Mr Weatherspoon hatte mich bisher noch nie direkt angesprochen, ich befürchtete also das Schlimmste.
»Ich bin sehr bestürzt über die traurigen Neuigkeiten, Zack«, sagte er mit sorgenvoll gedämpfter Stimme. »Mein Mitgefühl gilt deiner ganzen Familie.«
»Tut mir leid, aber ... wie bitte?«, fragte ich.
»Auch mir tut es leid«, fuhr er fort. »Wie ich gehört habe, findet die Beerdigung morgen statt?«
Beerdigung? »Ich verstehe nicht ...«, fing ich an. Was um alles in der Welt faselte er da? Von einer Beerdigung wusste ich nichts.
»Was für ein Verlust. Deine Tante Tilda scheint eine ganz außergewöhnliche Frau gewesen zu sein.«
Ah, ja. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht zu grinsen.
»Deine Mutter war traurig, als sie mich anrief. Es muss ein Schock für sie gewesen sein.« Mr Weatherspoon schüttelte den Kopf. »Dass jemand an Schwindsucht stirbt, ist heutzutage ja sehr selten.«
Sehr selten, in der Tat. Tante Tilda war tatsächlich von der Schwindsucht dahingerafft worden, und zwar ... Moment, wann noch mal genau?
Ach, jetzt fällt es mir wieder ein - vor vierhundert Jahren.
»Das stimmt«, sagte ich und versuchte, möglichst bekümmert auszusehen. »Es war wirklich eine ... Überraschung.«
Ich nickte ernst. Dann winkte ich Mr Weatherspoon noch einmal zum Abschied und trottete zum Bus. Sam und Craig waren bestimmt längst eingestiegen und würden mich mit gezückten Steinschleudern empfangen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wartete nun auch noch zu Hause irgendetwas Verrücktes auf mich. Was auch immer es war, es verhieß nichts Gutes.
Denn machen wir uns nichts vor: Meine Eltern brachten Tante Tilda nur dann ins Spiel, wenn etwas bevorstand. Etwas Bedeutendes.
Ich stieg in den Bus. Sam und Craig hockten eingezwängt auf einer Sitzbank und lachten laut glucksend und grunzend vor sich hin. Ich ließ mich auf einen freien Platz fallen un