"Ein Hund hätte dem Spiel gutgetan" erzählt 27 Geschichten aus der Welt des mittelguten Fußballs. Das Buch beginnt im August, wenn noch alles möglich scheint auf dem Feld der Träume, und endet im Mai, wenn Meisterschaft und Pokal wieder mal von anderen geholt worden sind. Es sind Geschichten von brüchigem Glanz, von im Winterlicht schlecht ausgeleuchteten Plätzen, von Gesprächen älterer Herrschaften, die stoisch auf eigens mitgebrachten Klappstühlen ausharren, von Zufallsgemeinschaften, die sich bei Regen im einzig verfügbaren Unterstand der Sportanlage zusammendrängen, und natürlich von diesem Nachmittag auf der altehrwürdigen Adolf-Jäger-Kampfbahn in Altona, an dem ein freilaufender Hund die größte Attraktion des Spiels ist. Hamburg ist dabei die große kleine Welt, in der die einen sich zurücksehnen nach der großen Zeit auf der ehemaligen Spielstätte, die heute unter einem Containerterminal im Hafen begraben liegt, während die anderen hoffen, dass ihr Club mit ein paar Verstärkungen in naher Zukunft wird aufschließen können zu den beiden Profivereinen der Freien und Hansestadt - wenn schon nicht zu den Freibeutern der Liga, so doch zumindest zum traurigen Dino. Es sind Geschichten, wie sie Woche für Woche und Saison für Saison zu erleben sind. Wer sie gelesen hat, könnte auf die Idee kommen, sich in den Bus oder aufs Fahrrad zu setzen, denn diese Welt liegt direkt ums Eck.

Autorentext

Wenn Fußballmannschaften gewählt wurden, war der Autor des Buches, Johannes Stahl, weder unter den ersten noch musste er bis zum Schluss hoffen, dass sich eine der Seiten seiner erbarmte. Sein Name fiel verlässlich mittendrin. Folgerichtig arbeitet der gebürtige Hamburger als Lehrer in einem Beruf, in dem es hilfreich ist, vieles mittelgut zu können.



Leseprobe
Eine Frikadelle, bitte, und eine Naschi-Tüte Oberliga Hamburg TUS Dassendorf vs. Altona 93 Samstag, 23.09.23, 13:00 Uhr Endstand: 1:1 Manchmal ist das Beste am Spiel nicht das Spiel selbst, sondern das, was vor oder nach dem Spiel passiert. Diesmal ist es sowohl das Spiel, als auch das, was vorher und hinterher passiert. Bevor es überhaupt losgeht, werden wir vom Stadionsprecher dazu aufgefordert, eines kürzlich nach langer und schwerer Krankheit Verstorbenen zu gedenken. Neben seinem Vornamen erfahren wir noch drei Dinge: dass er auch bei Auswärtsspielen immer dabei gewesen sei, dass er immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt habe und Respekt für den Gegner. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber jetzt schweige ich eine Minute lang und betraure den Tod dieses Fremden, tiefer bewegt, als wäre eine Clublegende verstorben (234 Tore in 412 Spielen, nur diese eine gelbe Karte, hat damals sein Haus verpfändet, als es dem Verein schlecht ging). Keine sportliche Leistung kann das aufwiegen: immer ein Lächeln auf den Lippen und Respekt für den Gegner. Auch hat jemand ein schwarzes Lederportemonnaie verloren. Wir sollen mal rechts und links gucken, und ich habe keinerlei Zweifel, dass das gefunden und abgegeben wird. Wer solche Fans wie den Verstorbenen hat, der vergreift sich nicht an fremden Portemonnaies! Überhaupt läuft alles nach Plan: Die Gäste aus Altona verteidigen solide, beherrschen das Mittelfeld und treffen dreimal den Pfosten. Das Tor schießt aber ein ehemaliger österreichischer Nationalspieler, ein gewisser Martin Harnik, für die Heimmannschaft. Pause an der Essensausgabe. Einer mit Kutte und schwarz-rot geringelten Gäste-Socken bestellt eine Frikadelle. Und eine Naschi-Tüte, wenn's geht ohne Lakritz. Harte Männer, aber mit Frikadelle und Naschi-Tüte: Das ist Oberliga. Die Tüte bekommt er. Und obendrein und wie alle aus der Stadt angereisten Gästefans den verdienten Ausgleich. Spät, aber völlig verdient, finde ich. Finden auch die beiden freundlichen Herren in meiner näheren Umgebung, mit denen ich den Ball hinterm Tor reingeguckt habe: der Größere mit der Steppjacke und der Kleinere. Es ist an der Zeit, das Geheimnis zu lüften über die hinter dem Tor Stehenden. Sie stehen dort, weil sie etwas abseits stehen wollen, aber doch nah am Geschehen. Und weil sie über die Gabe des magischen Blicks verfügen. Wenn ein paar von ihnen beisammenstehen, drei reichen heute, und sich voll darauf konzentrieren, dann können sie den Ball ins gegnerische Tor hineinschauen. Zusätzlich muss natürlich einer aber das kann hier nicht verraten werden! Jedenfalls muss schon einiges zusammenkommen, damit das klappt und heute klappt es. Wir klatschen uns ab, weil wir alle drei dasselbe denken, nämlich: Das haben wir gut gemacht! Im Überschwang des gemeinschaftlich errungenen Unentschiedens prognostiziere ich einen Saisonverlauf inklusive ungefährdeter Meisterschaft, anschließendem Aufstieg in die Regionalliga und perspektivisch, wenn alle ihr Bestes geben, ein bisschen Glück muss natürlich auch dazu kommen, mit der einen oder anderen Verstärkung, natürlich, die Champions-League-Teilnahme in weniger als zehn Jahren. Da wisse ich ja mehr als er, sagt der mit der Steppjacke. Sein Kumpel klärt mich auf, dass ich eben dem Altonaer Vereinspräsidenten die Zukunft vorausgesagt habe. Fieberhaft überlege ich, was in diesem Fall eine angemessene Erwiderung wäre, und entscheide mich nach reiflicher Überlegung für: Das ist ja 'n Ding!
Titel
Ein Hund hätte dem Spiel gutgetan
Untertitel
Reportagen aus der Welt des mittelguten Fußballs Hamburgs und Umgebung
EAN
9783964231390
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
07.03.2025
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Anzahl Seiten
128
Größe
H19mm
Auflage
Erstauflage
Lesemotiv