Ich hatte die wilden Städte nicht gezählt, die ich gezähmt hatte. Mein Name war gefürchtet. Mike »Colt« Turner nannte man mich, und das war wie ein Fluch, der unauslöschlich auf mir lastete. Als ich keinen anderen Ausweg mehr sah, verwischte ich meine Spuren und zog mich in die Einsamkeit der Berge zurück. Ich glaubte, endlich meine Ruhe gefunden zu haben, doch dies war ein furchtbarer Irrtum. Denn eines Tages tauchte wie ein Spuk ein Mann auf, der meine ganze bittere Vergangenheit wieder heraufbeschwor. Und mein Stolz trieb mich in den wildesten Kampf meines ganzen Lebens ... Ein Roman, der jeden in Atem hält
Leseprobe
Hufschläge tackten durch die abendliche Stille und rissen mich aus meinen Gedanken. Ich griff nach der Winchester, die neben mir auf der kleinen Bank lag, auf der ich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne genossen hatte. Dann spähte ich den schmalen Weg hinunter, der sich durch die unwegsame Bergwildnis der Rocky Mountains schlängelte. Eigentlich konnte es nur Old Shorty sein, der aus Springtown zurückkehrte. Dort wollte der Oldtimer Proviant und all die wichtigen Dinge besorgen, die wir hier in den Bergen sehr dringend benötigen, nachdem unsere Vorräte zur Neige gegangen waren. Ich war dem Oldtimer zufällig vor einem halben Jahr begegnet und rettete ihm das Leben. Ein Grizzly hatte sich den Alten als Mahlzeit ausgesucht und den Oldman so in die Enge getrieben, dass er rettungslos verloren gewesen wäre, hätte ich den Bären nicht vertrieben. Ich blieb bei Old Shorty, dem alten Trapper, der mich freundlich aufnahm und alles mit mir teilte. Er stellte keine. Das war mir recht. Bestimmt vermutete er, dass ich auf der Flucht war und hier in Colorados Bergen den Schatten auf meiner Fährte entkommen wollte. Ganz so schlimm war es nicht. Gut - ich war auf der Flucht, aber mehr vor mir selbst. Ich hatte es satt, meinen Revolver an den Meistbietenden zu verkaufen oder in einer wilden Boomtown den Marshalstern zu nehmen und mich für eine Handvoll Bucks mit hartbeinigen Burschen zu prügeln oder zu schießen. Ich wollte endlich Ruhe in mein wildes Leben bringen und zu mir selbst zurückfinden. Das war mir auch in diesem halben Jahr gelungen. Die Einsamkeit der Berge und auch die Ruhe hatten mir gutgetan. Ich fühlte mich wieder im Vollbesitz meiner Kräfte. Meine Gesundheit war ziemlich angekratzt gewesen. Schuld daran war eine Schussverletzung gewesen, die einfach nicht richtig heilen wollte. Irgendein Hundesohn hatte mir die Kugel in die Schulter gejagt, war geflüchtet und hatte mich hilflos zurückgelassen. Doch das lag alles weil zurück. Ich rückte meinen Revolvergurt zurecht, der um meine schmalen Hüften lag. Das Holster ruhte tief am Oberschenkel. Der elfenbeinfarbige Griff meines Colts ragte einige Inches hervor. Man sagte mir nach, dass ich kaum wie ein zweiter mit meinem Eisen zaubern konnte. Das hatte ich oft -viel zu oft - in meinem Leben unter Beweis stellen müssen. Ich schob meinen Stetson in den Nacken und strich eine Strähne meines dunkelblonden Haars aus der Stirn. Die Hufschläge wurden lauter. Dann sah ich hinter einer Wegkrümmung den Reiter auftauchen, der auf die Blockhütte zuhielt. Nein - es war nicht Old Shorty! Es handelte sich um einen Mann um die vierzig. Er saß zusammengesunken im Sattel eines hochbeinigen Braunen. Ich huschte hinter einen Haselnussstrauch und beobachtete weiter. Der Fremde zügelte seinen Vierbeiner und spähte zur Hütte herüber. Ich sah ein schmales Gesicht, das von einem kurz gestutzten Vollbart umrahmt war. Eine Adlernase und ein zu breit geratener Mund erinnerten mich an jemanden, den ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der Bärtige ritt weiter, während ich in die Hocke ging, meine Winchester zur Seite legte und meinen Revolver zog. Der Fremde zügelte seinen Braunen fünf Schritte vor der Hütte und sah sich um. Ich duckte mich noch mehr. »Hallo, ist hier jemand?« vernahm ich eine wohlklingende Stimme, die ebenfalls Erinnerungen in mir weckte. Verdammt noch mal, dachte ich, wer ist dieser Bursche, der hier so einfach auftaucht? Der Bärtige kletterte aus dem Sattel und sah sich noch immer suchend um. Seine Hand lag auf dem Griff seines Colts. Schon wie er die Waffe trug, sagte mir, dass er kein geübter Schütze war. Der Fremde stiefelte müde auf die kleine Bank zu und setzte sich. Er streckte die staubigen Stiefel von sich und schloss die Augen. Ich spähte nochmals auf den schmalen Weg, der zur Hütte führte. Dort war niemand zu sehen. Ich wartete noch einige Minuten, denn das hier könnte eine Falle sein. Ich hatte zu viele Männer in den letzten Jahren zurechtgestutzt, die mir blutige Rache geschworen hatten. Alles blieb ruhig. Ich schlich auf den Bärtigen zu und wollte ihn mir mal näher ansehen. Der Fremde öffnete die Augen und zuckte leicht zusammen, als er den auf sich gerichteten Colt sah. Dann blickte er mich forschend an. In seinen Augen blitzte es kurz auf. »Hallo Mike«, murmelte er. »Du bist doch Mike Turner, nicht wahr?« »Der bin ich, Mister«, sagte ich mit klirrender Stimme. »Und es würde mich mächtig interessieren, wie du mich hier in den Bergen gefunden hast.« Der Fremde lächelte sanft. »Na, erkennst du mich nicht, Mike?« Jetzt erst fiel bei mir der Cent. Heiliger Rauch! »Tom«, stieß ich hervor. »Bruderherz!« Ich ließ meinen Revolver im Leder verschwinden und umarmte meinen um zehn Jahre älteren Bruder, den ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Wir hieben uns die Schultern, dass es schmerzte. Die Wiedersehensfreude war groß. Ich setzte mich neben Tom Turner auf die Bank. Wir sahen uns lange an. Und ich fragte mich, wie er mich in dieser Wildnis gefunden hatte, und vor allem, was er von mir wollte. Mein Bruder schien die Gedanken zu erraten, die mich bewegten. Er nickte mir lächelnd zu und legte eine Hand auf meinen Arm. »Es ist eine lange Geschichte, Mike, doch ich will mich kurzfassen. Ich suchte dich seit über einem Vierteljahr und war nahe daran, die Hoffnung aufzugeben. Da traf ich in Springtown einen alten Trapper, den ich um Rat fragte.« »Old Shorty?« warf ich ein. Mein Bruder nickte. »Yeah, Mike. Das ist der Name des alten Knaben. Er wollte erst nicht so recht mit der Sprache heraus. Doch dann konnte ich ihn davon überzeugen, dass ich dein Bruder bin, und er verriet mir, wo ich dich finden konnte.« Tom seufzte. Der Druck seiner Hand verstärkte sich plötzlich. Ich las in seinen Augen, dass er Hilfe brauchte. Den Ausdruck hatte ich schon sehr oft bei einem Menschen gesehen, der bis über beide Ohren in einer aussichtslosen Klemme steckte. Gedanken bestürmten mich. Sie betrafen meine Familie, die ich vor mehr als acht Jahren in Texas zurückgelassen hatte. Mein Bruder lächelte sanft. »Schön, dich wiederzusehen, Mike. Es ist wirklich lange her. Ich hatte dich im ersten Moment kaum erkannt. Aus dem jungen Burschen ist ein Mann geworden. Ich habe immer wieder von dir gehört. Dein Name ist fast schon zur Legende geworden. Mike Colt Turner, der Schießer mit der schnellen Hand.« Mein Bruder sprach diese Worte ruhig aus, ohne Spott oder Verachtung in seiner Stimme. »Und jetzt möchtest du gern wissen, warum ich dich seit fast drei Monaten so verzweifelt suche, nicht wahr?« Ich nickte. »Du musst einen triftigen Grund haben, Tom, denn sonst hättest du die Ranch in Texas niemals verlassen. Bist du freiwillig gekommen, oder hat dich ...« Ich zögerte einen Herzschlag lang. » dich Vater geschickt?« Nun nickte mein Bruder. »Pa hat endlich seinen dummen Stolz überwunden. Du hast ihn damals tödlich gekränkt, nachdem du bei Nacht und Nebel abgehauen bist. Er hat es dir niemals verziehen, dass du uns im Stich gelassen hast!« Mein Atem ging plötzlich schwerer. »Dir brauche ich doch nicht zu sagen, Tom, warum ich damals verschwunden bin. Du weißt genau, wie Vater uns alle unterdrückt hat. Dich, mich, Ma und natürlich auch Billy und Fred. Ich hatte einfach die Schnauze voll und wollte meinen eigenen Weg gehen.« Ich sah meinen ältesten Bruder aus blitzenden Augen an. »S…
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Hufschläge tackten durch die abendliche Stille und rissen mich aus meinen Gedanken. Ich griff nach der Winchester, die neben mir auf der kleinen Bank lag, auf der ich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne genossen hatte. Dann spähte ich den schmalen Weg hinunter, der sich durch die unwegsame Bergwildnis der Rocky Mountains schlängelte. Eigentlich konnte es nur Old Shorty sein, der aus Springtown zurückkehrte. Dort wollte der Oldtimer Proviant und all die wichtigen Dinge besorgen, die wir hier in den Bergen sehr dringend benötigen, nachdem unsere Vorräte zur Neige gegangen waren. Ich war dem Oldtimer zufällig vor einem halben Jahr begegnet und rettete ihm das Leben. Ein Grizzly hatte sich den Alten als Mahlzeit ausgesucht und den Oldman so in die Enge getrieben, dass er rettungslos verloren gewesen wäre, hätte ich den Bären nicht vertrieben. Ich blieb bei Old Shorty, dem alten Trapper, der mich freundlich aufnahm und alles mit mir teilte. Er stellte keine. Das war mir recht. Bestimmt vermutete er, dass ich auf der Flucht war und hier in Colorados Bergen den Schatten auf meiner Fährte entkommen wollte. Ganz so schlimm war es nicht. Gut - ich war auf der Flucht, aber mehr vor mir selbst. Ich hatte es satt, meinen Revolver an den Meistbietenden zu verkaufen oder in einer wilden Boomtown den Marshalstern zu nehmen und mich für eine Handvoll Bucks mit hartbeinigen Burschen zu prügeln oder zu schießen. Ich wollte endlich Ruhe in mein wildes Leben bringen und zu mir selbst zurückfinden. Das war mir auch in diesem halben Jahr gelungen. Die Einsamkeit der Berge und auch die Ruhe hatten mir gutgetan. Ich fühlte mich wieder im Vollbesitz meiner Kräfte. Meine Gesundheit war ziemlich angekratzt gewesen. Schuld daran war eine Schussverletzung gewesen, die einfach nicht richtig heilen wollte. Irgendein Hundesohn hatte mir die Kugel in die Schulter gejagt, war geflüchtet und hatte mich hilflos zurückgelassen. Doch das lag alles weil zurück. Ich rückte meinen Revolvergurt zurecht, der um meine schmalen Hüften lag. Das Holster ruhte tief am Oberschenkel. Der elfenbeinfarbige Griff meines Colts ragte einige Inches hervor. Man sagte mir nach, dass ich kaum wie ein zweiter mit meinem Eisen zaubern konnte. Das hatte ich oft -viel zu oft - in meinem Leben unter Beweis stellen müssen. Ich schob meinen Stetson in den Nacken und strich eine Strähne meines dunkelblonden Haars aus der Stirn. Die Hufschläge wurden lauter. Dann sah ich hinter einer Wegkrümmung den Reiter auftauchen, der auf die Blockhütte zuhielt. Nein - es war nicht Old Shorty! Es handelte sich um einen Mann um die vierzig. Er saß zusammengesunken im Sattel eines hochbeinigen Braunen. Ich huschte hinter einen Haselnussstrauch und beobachtete weiter. Der Fremde zügelte seinen Vierbeiner und spähte zur Hütte herüber. Ich sah ein schmales Gesicht, das von einem kurz gestutzten Vollbart umrahmt war. Eine Adlernase und ein zu breit geratener Mund erinnerten mich an jemanden, den ich seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. Der Bärtige ritt weiter, während ich in die Hocke ging, meine Winchester zur Seite legte und meinen Revolver zog. Der Fremde zügelte seinen Braunen fünf Schritte vor der Hütte und sah sich um. Ich duckte mich noch mehr. »Hallo, ist hier jemand?« vernahm ich eine wohlklingende Stimme, die ebenfalls Erinnerungen in mir weckte. Verdammt noch mal, dachte ich, wer ist dieser Bursche, der hier so einfach auftaucht? Der Bärtige kletterte aus dem Sattel und sah sich noch immer suchend um. Seine Hand lag auf dem Griff seines Colts. Schon wie er die Waffe trug, sagte mir, dass er kein geübter Schütze war. Der Fremde stiefelte müde auf die kleine Bank zu und setzte sich. Er streckte die staubigen Stiefel von sich und schloss die Augen. Ich spähte nochmals auf den schmalen Weg, der zur Hütte führte. Dort war niemand zu sehen. Ich wartete noch einige Minuten, denn das hier könnte eine Falle sein. Ich hatte zu viele Männer in den letzten Jahren zurechtgestutzt, die mir blutige Rache geschworen hatten. Alles blieb ruhig. Ich schlich auf den Bärtigen zu und wollte ihn mir mal näher ansehen. Der Fremde öffnete die Augen und zuckte leicht zusammen, als er den auf sich gerichteten Colt sah. Dann blickte er mich forschend an. In seinen Augen blitzte es kurz auf. »Hallo Mike«, murmelte er. »Du bist doch Mike Turner, nicht wahr?« »Der bin ich, Mister«, sagte ich mit klirrender Stimme. »Und es würde mich mächtig interessieren, wie du mich hier in den Bergen gefunden hast.« Der Fremde lächelte sanft. »Na, erkennst du mich nicht, Mike?« Jetzt erst fiel bei mir der Cent. Heiliger Rauch! »Tom«, stieß ich hervor. »Bruderherz!« Ich ließ meinen Revolver im Leder verschwinden und umarmte meinen um zehn Jahre älteren Bruder, den ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Wir hieben uns die Schultern, dass es schmerzte. Die Wiedersehensfreude war groß. Ich setzte mich neben Tom Turner auf die Bank. Wir sahen uns lange an. Und ich fragte mich, wie er mich in dieser Wildnis gefunden hatte, und vor allem, was er von mir wollte. Mein Bruder schien die Gedanken zu erraten, die mich bewegten. Er nickte mir lächelnd zu und legte eine Hand auf meinen Arm. »Es ist eine lange Geschichte, Mike, doch ich will mich kurzfassen. Ich suchte dich seit über einem Vierteljahr und war nahe daran, die Hoffnung aufzugeben. Da traf ich in Springtown einen alten Trapper, den ich um Rat fragte.« »Old Shorty?« warf ich ein. Mein Bruder nickte. »Yeah, Mike. Das ist der Name des alten Knaben. Er wollte erst nicht so recht mit der Sprache heraus. Doch dann konnte ich ihn davon überzeugen, dass ich dein Bruder bin, und er verriet mir, wo ich dich finden konnte.« Tom seufzte. Der Druck seiner Hand verstärkte sich plötzlich. Ich las in seinen Augen, dass er Hilfe brauchte. Den Ausdruck hatte ich schon sehr oft bei einem Menschen gesehen, der bis über beide Ohren in einer aussichtslosen Klemme steckte. Gedanken bestürmten mich. Sie betrafen meine Familie, die ich vor mehr als acht Jahren in Texas zurückgelassen hatte. Mein Bruder lächelte sanft. »Schön, dich wiederzusehen, Mike. Es ist wirklich lange her. Ich hatte dich im ersten Moment kaum erkannt. Aus dem jungen Burschen ist ein Mann geworden. Ich habe immer wieder von dir gehört. Dein Name ist fast schon zur Legende geworden. Mike Colt Turner, der Schießer mit der schnellen Hand.« Mein Bruder sprach diese Worte ruhig aus, ohne Spott oder Verachtung in seiner Stimme. »Und jetzt möchtest du gern wissen, warum ich dich seit fast drei Monaten so verzweifelt suche, nicht wahr?« Ich nickte. »Du musst einen triftigen Grund haben, Tom, denn sonst hättest du die Ranch in Texas niemals verlassen. Bist du freiwillig gekommen, oder hat dich ...« Ich zögerte einen Herzschlag lang. » dich Vater geschickt?« Nun nickte mein Bruder. »Pa hat endlich seinen dummen Stolz überwunden. Du hast ihn damals tödlich gekränkt, nachdem du bei Nacht und Nebel abgehauen bist. Er hat es dir niemals verziehen, dass du uns im Stich gelassen hast!« Mein Atem ging plötzlich schwerer. »Dir brauche ich doch nicht zu sagen, Tom, warum ich damals verschwunden bin. Du weißt genau, wie Vater uns alle unterdrückt hat. Dich, mich, Ma und natürlich auch Billy und Fred. Ich hatte einfach die Schnauze voll und wollte meinen eigenen Weg gehen.« Ich sah meinen ältesten Bruder aus blitzenden Augen an. »S…
Titel
Stolz, der in die Hölle führt
Autor
EAN
9783961274178
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Genre
Veröffentlichung
23.11.2024
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.06 MB
Anzahl Seiten
96
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv
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