Irgendwann wird uns bewusst, dass unsere Eltern ins fortgeschrittene Alter kommen. Ihre Kräfte lassen nach und die alltäglichen Dinge gelingen immer weniger. Als Kinder fragen wir uns dann, was zu tun ist. Gerontopsychologin Katja Werheid zeigt, wie wir es schaffen, für unsere Eltern da zu sein, ohne sie zu bevormunden, und wie wir mit alten Konflikten Frieden schließen, ohne dabei faule Kompromisse einzugehen. Sie warnt vor 'Blitzangriffen' und appelliert stattdessen für Empathie und Offenheit in der Kommunikation mit den Eltern. Denn regelmäßige, vergnügliche Kontakte sind das Wichtigste, wenn es darum geht, unsere Elternbeziehung zu vertiefen und schwierige Situationen gemeinsam zu bewältigen.

Prof. Dr. Katja Werheid, geboren 1969 in Bergisch-Gladbach, lehrt seit 2008 Klinische Neuropsychologie und Alterspsychotherapie an der Humboldt-Universität in Berlin. Zudem arbeitet sie als Neuropsychologin mit Schlaganfall- und Demenzpatienten und ihren Angehörigen. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Vorwort
Wenn sich das Eltern-Kind-Verhältnis umkehrt

Autorentext

Prof. Dr. Katja Werheid, geboren 1969 in Bergisch-Gladbach, lehrt seit 2008 Klinische Neuropsychologie und Alterspsychotherapie an der Humboldt-Universität in Berlin. Zudem arbeitet sie als Neuropsychologin mit Schlaganfall- und Demenzpatienten und ihren Angehörigen. Sie lebt mit ihrer Familie in Berlin.



Leseprobe
VORWORT
EIN GESPENST GEHT UM

Unter uns »Mittelalten« geht ein Gespenst um. Es schleicht sich ein, man merkt es anfangs kaum, versteckt hinter dem lauten Getöse von Midlife-Crisis, Pubertät der Sprösslinge, Bandscheibenvorfall und Menopause. Erst zeigt es sich nur ab und zu, ein rasches Huschen um Mitternacht kurz vor dem Einschlafen. Da können wir es noch ignorieren. Doch es kommt immer wieder - bei manchen still und unheimlich, bei manchen als Poltergeist im Zuge einer plötzlichen schlechten Nachricht. Das Gespenst geht nicht mehr weg. Sein Name? Die banale wie unumstößliche Einsicht: Unsere Eltern werden alt.

Alt werden ist aber noch nicht alles. In diesem Falle könnte man sich trösten, mit sinnigen Sprüchen wie: »Man ist so alt, wie man sich fühlt ...« Auch ein kleines gefühlsmäßiges Age-Lifting würde dagegen vielleicht helfen. Ein neues Hobby, ein Fitnessclub-Abo - wenn gewünscht, könnten wir unseren Eltern bei der Suche nach dem »Uplifter« assistieren. Nette Geste, aber auf Dauer leider zwecklos. Denn was noch schlimmer ist: Unsere Eltern werden gebrechlich.

Gebrechlich ist eines dieser schönen altertümlichen Eigenschaftswörter im Deutschen, das irgendwie nach »zerbrechlich« klingt. Moderner und klarer formuliert heißt das: Unsere Eltern sind chronisch krank. Sie stürzen immer öfter, sie brauchen Wochen bis Monate, um sich von häufiger werdenden Gesundheitsproblemen zu erholen, die früher Bagatellen waren. Sie erblinden oder ertauben langsam, trotz Star-Operation und Hörgerät, und landen hin und wieder im Krankenhaus. Und wir, die wir sehen und hören und leidlich geradeaus denken können, bekommen das mit. Ob aus der Ferne oder Nähe, wir spüren: wir können diese Abwärtsspirale nicht aufhalten. Es ist der Lauf der Zeit, der Lauf des Lebens. Natürlich wissen wir das, aber es ist schwer, es zu akzeptieren und auszuhalten.

Dass unsere Eltern alt werden mit allem, was dazugehört, ist auf den ersten Blick sicher kein SmallTalk-Thema. Doch bringt man es auf den Tisch - im Gespräch mit Freunden oder mit netten Kollegen beim Mittagessen, rückt es sofort in den Mittelpunkt. Denn alle kennen es, alle spitzen die Ohren. Möchten erfahren, wie die anderen damit umgehen und erzählen, wie es ihnen selbst ergeht. Probieren Sie es mal aus: Stellen Sie sich auf einer Party zu zweit in die Küche. Wählen Sie einen lockeren Ton, nicht zu schrill und nicht zu laut, aber doch gut hörbar für die Umstehenden. Erzählen Sie eine kleine Anekdote, vielleicht zunächst über einen Onkel, das ist nicht so nah. Nach kurzer Zeit werden Sie nicht mehr allein in der Küche stehen: »Also, wenn ich dazu mal was sagen darf ...« - »Ich kenn das auch ...« - »Bei uns läuft das ähnlich ...«

Ich selbst habe eine solche Situation erst vor Kurzem erlebt, als ich mich mit einer Freundin im Café über autofahrende ältere Verwandte unterhielt. Wir tauschten kleine Geschichten darüber aus, welche verblüffenden Argumente unseren Altvorderen einfallen, um zu begründen, warum sie weiterhin die parkplatzmäßig unpraktischsten und unökologischsten aller Autorassen für Tausende Euro jährlich in der Garage durchfüttern, um sie ein- bis zweimal pro Woche mit großem Aufwand zu satteln und durch den Stadtverkehr zu manövrieren. Trotz mehrerer Unfälle, Augen- und Parkinsonkrankheit, allerbester Nahverkehrsanbindung und ausreichend verfügbarem Bargeld für ein Taxi bis Teheran. Und das dreißig Jahre nachdem sie uns das Mofa verboten haben! Dabei waren wir damals bei allerbester Gesundheit, wollten - wie sie heute - nicht über Tempo 50 fahren und hatten uns die Mäuse für den Kauf des knatternden Gefährts selbst zusammengespart. Das sei hinausgeworfenes Geld hieß es, Ende der Diskussion.

Sie konnten damals nachts vor Sorge kein Auge zumachen, bevor unser 18-jähriger Freund (Fahranfänger mit großem »A«) uns nicht w



Inhalt

Vorwort Ein Gespenst geht um Kapitel 1 Äußere Gegenspieler Eigentlich beste Voraussetzungen Tod und Sterben: die großen Tabus Gesellschaftlicher Wandel und Generationenüberlappung Erstes, zweites und drittes Alter Kapitel 2 Innere Gegenspieler ASWI: Alles so wie immer WeRoKo: Werte- und Rollenkonflikte LiK: Leiche im Keller VW: Verzerrte Wahrnehmung Jetzt nicht den Mut verlieren! Kapitel 3 Erster Schritt: Gut informiert sein Wenn wir die Wahl hätten ... Plötzlicher Abschied: Organversagen Abschied mit Ansage: Krebs Langsamer Abschied: Demenz Die kleinen Plagen nebenher Kapitel 4 Zweiter Schritt: Gegenspieler ausschalten ASWIs in gute Rituale verwandeln WeRoKos: Würdigen statt bekämpfen LiKs respektieren VW humorvoll begegnen Kapitel 5 Dritter Schritt: Ressourcen und Bindungen stärken Netzwerke und Helferkreise Kooperation unter Geschwistern Bindung: nicht nur für kleine Kinder Um-Bindung - aber wie? Besuche außerhalb des Protokolls Lieblings-Doc und Medi-Check Talente entdecken Für die Basics sorgen Quality Time Kapitel 6 Die wichtigsten Stolperfallen Sparen und Horten Geduldsfaden gerissen Misstrauen geerntet Veränderung abgelehnt Nicht mehr erkannt werden Zu lange gewartet Kapitel Dem Ende ins Gesicht sehen Selbstmordgedanken Trauergeleit einmal anders Feuer, Erde oder Wasser? Papierkram regeln Sterben und Erben Nachwort Was haben wir davon? ANHANG Danksagung und wie dieses Buch entstand Hilfreiche Adressen I.Informationen zu chronischen Alterserkrankungen II.Informationen für Angehörige: Pflege, Wohnen Quellenverzeichnis

Titel
Nicht mehr wie immer
Untertitel
Wie wir unsere Eltern im Alter begleiten knnen: Ein Wegweiser fr erwachsene Kinder
EAN
9783492978286
ISBN
978-3-492-97828-6
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Genre
Veröffentlichung
13.10.2017
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
2.57 MB
Anzahl Seiten
208
Jahr
2017
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet