Die Erde hat sich verändert, als eines Tages der Himmelsmond aufgetaucht ist und die Erde fortan zwei Trabanten hat. Denn mit dem Erscheinen dieses Mondes wird Magie auf der Erde real und viele Menschen verwandeln sich unter seinem Einfluss in Werwölfe, Vampire, Feen, Dämonen, Engel und noch viele andere magisch begabte Spezies. Haidwang ist eine kleine Landgemeinde, deren Polizeistation gerade mal vier Mitarbeiter hat. Polizeihauptmeister Lars Sturm ist einer davon, und er ist mit seiner beruflichen Situation nicht gerade glücklich. Zum einen, weil in dem Kaff außer langweiliger Routine nichts los ist. Zum anderen wird er von seinen Kollegen gemobbt und gehänselt. Seine Schwester ist nämlich eine der Magiebegabten, die hier in der Provinz noch immer mit Abneigung gesehen werden. Doch dann sorgt ein Leichenfund dafür, dass alles anders wird. Während Sturm magische Spuren an dem Toten bemerkt und einen Mord vermutet, tun seine Kollegen den Fall als schrecklichen Unfall durch ein wildes Tier ab. Doch Sturm gibt keine Ruhe und schaltet eigenmächtig SpArks ein, die europäische Spezialeinheit für magische Verbrechen.Fortan soll Sturm gemeinsam mit dn Agenten Tanja Regen und Thorsten Kühn in der Sache ermitteln. Schon bald wird klar, dass weit mehr hinter dem Falls teckt, als zunächst angenommen. Und dann geraten die Ermittler in höchste Gefahr durch ein magisches Wesen, das durch ein abscheulichs Verbrechen außer Kontrolle geraten ist. Nach Das finstere Phylakterium präsentiert Katrin Holzapfel hier ihren zweiten Roman aus der Welt der zwei Monde.
Leseprobe
Leis Herz klopfte laut. Nervös strich sie über ihr weißes Kleid. Saßen die Schleifen auch richtig? Mit zittrigen Fingern zupfte sie an einem der langen, cremefarbenen Bänder. Sie konnte es immer noch nicht so richtig glauben. Sie würde heiraten. Sie! Das Mädchen aus der Kleinstadt. Das Mädchen mit der blassgrauen, schuppigen Haut. Das, dass die anderen an der Uni ausgelacht hatten. Das Auftauchen des zweiten Monds war für sie kein Glücksfall gewesen. Praktisch über Nacht war sie verwandelt worden. Aber das lag jetzt hinter ihr. Sie würde heiraten. Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte sie an Mark. Mark, der sich für sie interessiert hatte. Mark, der Coole, der beste Spieler des Uni-Fußballteams. Mark mit den großen, braunen Augen und dem schelmischen Grinsen. Mark, dessen Vater Professor an der Übernatürlichen Universität war. An der ersten Hochschule, die sich mit der Erforschung ihresgleichen beschäftigte. Allein der Gedanke an seine Küsse ließ sie erröten. Das Auto rumpelte durch den Wald. Groß und grün ragten die Bäume über ihr auf. Sonnenlicht sprenkelte die Blätter, malte goldene Schatten auf den nadelbedeckten Boden. Das Fenster war einen Spaltbreit offen. Würzige Luft wehte Lei um die Nase. Die kleine Kirche lag versteckt auf einer Lichtung. Die Nadelbäume bildeten einen natürlichen Sichtschutz. Hoch streckten sich die Kronen in den wolkenlos blauen Himmel. Das Gras sah weich aus. Gelbe und weiße Blumen bildeten einen Pfad zur Kirchentür. Das rote Dach blinkte wie ein Liebeskuss zwischen den Bäumen. Der Fahrer öffnete Lei die Tür, nachdem das Auto stehen geblieben war. Sie schenkte dem groß gewachsenen, hageren Mann ein Lächeln. Ihr Herz klopfte laut und Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Dort, an der dunklen Kirchentür, standen Mark und sein Vater. Lei strich sich erneut über das Kleid. Alles war perfekt. Die kleine Kirche, die verlassene Lichtung, die Blumen. All die Dinge, die sie vorher so sehr geliebt hatte. Den leichten Stich in den Nacken spürte sie überhaupt nicht. * Polizeihauptmeister Lars Sturm starrte aus dem Autofenster. Dicke, kalte Tropfen trommelten auf das blau metallische Dach des Streifenwagens. Wie ein Betrunkener rüttelte der Wind an der Karosserie. Ständig klatterten kleine Steinchen gegen die Seitentüren. Pfützen spritzten klatschend auf, wenn das Auto durch sie rauschte. In der Ferne ragte wie eine finstere Wand der Haidwang-Wald auf. Lars' Kollege Matthias Füller fuhr den Streifenwagen. Lars lehnte sich im Beifahrersitz zurück und las die Ereignismeldung. Der kurze Bericht war von Gerichtsmedizinerin Wu verfasst worden. Das bedeutete, man konnte fast nichts davon lesen. Die ältere Pathologin hatte auf einen winzigen Zettel gekritzelt. Das Papier war von Regentropfen komplett aufgeweicht worden. Dann hatte sie von dem ausgefransten Blatt ein verwackeltes Handyfoto gemacht. Und daraus sollte er irgendetwas erfahren? Lars versuchte, aus dem Geschmiere eine Zeit, das Geschehene, irgendwelche Details auszumachen. Ein dicker Tropfen hatte die erste Zeile verwischt. Dort waren die Buchstaben aufgedunsen. Darunter quetschten sie sich eng zusammen, als hätten sie alleine Angst. Lars kniff die Augen zusammen und hob den Bildschirm näher. Putzte sich die Brille, als das nichts half. Haid platz? Haip das hat doch keinen Sinn so!, knurrte er. Haidwang-Wald, am Wanderparkplatz, unterbrach Füller Lars' gemurmelte Flüche. Wo sonst wäre die alte Hexe um diese Zeit klatschnass geworden? Lars verkniff sich einen Kommentar. Pathologin Wu war definitiv keine Hexe. In Haidwang gab es keine Hexen. Und auch außer zwei Werwölfen kein Gesocks, wie sein Chef sagte. Keine übernatürlichen Wesen. Seit knapp zwanzig Jahren wurde Hexe nicht mehr als Schimpfwort verwendet. Aber auch das sagte Lars nicht. Er fuhr sich lediglich mit den Fingern durch den dunklen, langen Bart. Was? Füller warf ihm einen Seitenblick zu. Nur kurz, dann musste er sich wieder auf den Wanderweg konzentrieren. Der Streifenwagen holperte durch tiefe Fahrtrinnen. Die Scheibenwischer quietschten unablässig. Nichts, erwiderte Lars nur. Red keinen Scheiß, Mann. Sag schon. Oh, ist es, weil ich Hexe gesagt hab? Komm schon. Sei nicht albern. Füller stieß ihn mit dem Ellbogen an. Er grinste schief. Dieses ganze komische Viehzeug Lars fand nichts an diesen Kommentaren lustig. Viehzeug, als wären die magischen Kreaturen nicht besser als Bauernhoftiere. Als wären die meisten nicht vor zwanzig Jahren ganz normal gewesen. Ganz menschlich. Bis der zweite Mond aufgegangen war und alles durcheinandergebracht hatte. Sie nannten ihn den Himmelsmond. Nach irgendeiner alten Sage hatte Lars gelesen. Im Gegensatz zu dem normalen, dem Erdenmond, war der Himmelsmond tiefblau. Und mit seinem ersten Aufgehen hatte sich alles verändert. Lars erinnerte sich noch gut an diese Nacht. Er war kaum zehn Jahre alt gewesen. Ihren Schrei würde er niemals vergessen. Er war ins Zimmer seiner kleinen Schwester gerannt. Alicia hatte in Flammen gestanden. Der Geruch nach verkohltem Stoff verfolgte ihn. Alicia hatte ihren Plüschhasen an sich gedrückt gehabt. Das eine Knopfauge war unter ihren Fingern geschmolzen. Die Ohren zu Staub zerbröselt. Himmel, ihr Schrei. Wie ein Hilferuf direkt aus der Hölle. Es hatte Lars den Schock seines Lebens eingebracht. Denn vor seinen Augen war Alicia zu Asche zerfallen. Mit einem Kopfschütteln konzentrierte sich Lars auf die Gegenwart. Schon gut, murmelte er in seinen Bart. Füller seufzte genervt. Du musst doch zugeben, dass uns die mehr Arbeit machen. Gar nichts musste Lars zugeben. Es gab in ihrem winzigen Kaff außer den Werwölfen keine Magiewesen. Die meisten Probleme machten ihnen Jugendliche, die irgendwas klauten. Zigaretten, Kaugummis, Kleinkram. Und die Touristen, die im Haidwang-Wald verloren gingen. Lars starrte aus dem Fenster. Ihm kam der vertraute Wald bei diesem Wetter merkwürdig vor. Wie ein Ort voller Gefahren hinter jedem Nebel umspülten, schemenhaften Baum. Eine Welt voller Geheimnisse in jeder Pfütze. Einem Flüstern in jedem tropfenschweren Blatt. Dabei ging Lars im Haidwang-Wald um diese Jahreszeit gerne spazieren. Er erinnerte sich an sonnengesprenkelte Lichtungen mit bunten Picknickdecken. Irgendwo tiefer drin gab es einen Trimm-dich-Pfad. Dort hatte er oft mit seiner Schwester gespielt. Natürlich bevor zum ersten Mal der zweite Mond aufgegangen war. Angeblich haben zwei Wanderer den To…
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Leis Herz klopfte laut. Nervös strich sie über ihr weißes Kleid. Saßen die Schleifen auch richtig? Mit zittrigen Fingern zupfte sie an einem der langen, cremefarbenen Bänder. Sie konnte es immer noch nicht so richtig glauben. Sie würde heiraten. Sie! Das Mädchen aus der Kleinstadt. Das Mädchen mit der blassgrauen, schuppigen Haut. Das, dass die anderen an der Uni ausgelacht hatten. Das Auftauchen des zweiten Monds war für sie kein Glücksfall gewesen. Praktisch über Nacht war sie verwandelt worden. Aber das lag jetzt hinter ihr. Sie würde heiraten. Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte sie an Mark. Mark, der sich für sie interessiert hatte. Mark, der Coole, der beste Spieler des Uni-Fußballteams. Mark mit den großen, braunen Augen und dem schelmischen Grinsen. Mark, dessen Vater Professor an der Übernatürlichen Universität war. An der ersten Hochschule, die sich mit der Erforschung ihresgleichen beschäftigte. Allein der Gedanke an seine Küsse ließ sie erröten. Das Auto rumpelte durch den Wald. Groß und grün ragten die Bäume über ihr auf. Sonnenlicht sprenkelte die Blätter, malte goldene Schatten auf den nadelbedeckten Boden. Das Fenster war einen Spaltbreit offen. Würzige Luft wehte Lei um die Nase. Die kleine Kirche lag versteckt auf einer Lichtung. Die Nadelbäume bildeten einen natürlichen Sichtschutz. Hoch streckten sich die Kronen in den wolkenlos blauen Himmel. Das Gras sah weich aus. Gelbe und weiße Blumen bildeten einen Pfad zur Kirchentür. Das rote Dach blinkte wie ein Liebeskuss zwischen den Bäumen. Der Fahrer öffnete Lei die Tür, nachdem das Auto stehen geblieben war. Sie schenkte dem groß gewachsenen, hageren Mann ein Lächeln. Ihr Herz klopfte laut und Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Dort, an der dunklen Kirchentür, standen Mark und sein Vater. Lei strich sich erneut über das Kleid. Alles war perfekt. Die kleine Kirche, die verlassene Lichtung, die Blumen. All die Dinge, die sie vorher so sehr geliebt hatte. Den leichten Stich in den Nacken spürte sie überhaupt nicht. * Polizeihauptmeister Lars Sturm starrte aus dem Autofenster. Dicke, kalte Tropfen trommelten auf das blau metallische Dach des Streifenwagens. Wie ein Betrunkener rüttelte der Wind an der Karosserie. Ständig klatterten kleine Steinchen gegen die Seitentüren. Pfützen spritzten klatschend auf, wenn das Auto durch sie rauschte. In der Ferne ragte wie eine finstere Wand der Haidwang-Wald auf. Lars' Kollege Matthias Füller fuhr den Streifenwagen. Lars lehnte sich im Beifahrersitz zurück und las die Ereignismeldung. Der kurze Bericht war von Gerichtsmedizinerin Wu verfasst worden. Das bedeutete, man konnte fast nichts davon lesen. Die ältere Pathologin hatte auf einen winzigen Zettel gekritzelt. Das Papier war von Regentropfen komplett aufgeweicht worden. Dann hatte sie von dem ausgefransten Blatt ein verwackeltes Handyfoto gemacht. Und daraus sollte er irgendetwas erfahren? Lars versuchte, aus dem Geschmiere eine Zeit, das Geschehene, irgendwelche Details auszumachen. Ein dicker Tropfen hatte die erste Zeile verwischt. Dort waren die Buchstaben aufgedunsen. Darunter quetschten sie sich eng zusammen, als hätten sie alleine Angst. Lars kniff die Augen zusammen und hob den Bildschirm näher. Putzte sich die Brille, als das nichts half. Haid platz? Haip das hat doch keinen Sinn so!, knurrte er. Haidwang-Wald, am Wanderparkplatz, unterbrach Füller Lars' gemurmelte Flüche. Wo sonst wäre die alte Hexe um diese Zeit klatschnass geworden? Lars verkniff sich einen Kommentar. Pathologin Wu war definitiv keine Hexe. In Haidwang gab es keine Hexen. Und auch außer zwei Werwölfen kein Gesocks, wie sein Chef sagte. Keine übernatürlichen Wesen. Seit knapp zwanzig Jahren wurde Hexe nicht mehr als Schimpfwort verwendet. Aber auch das sagte Lars nicht. Er fuhr sich lediglich mit den Fingern durch den dunklen, langen Bart. Was? Füller warf ihm einen Seitenblick zu. Nur kurz, dann musste er sich wieder auf den Wanderweg konzentrieren. Der Streifenwagen holperte durch tiefe Fahrtrinnen. Die Scheibenwischer quietschten unablässig. Nichts, erwiderte Lars nur. Red keinen Scheiß, Mann. Sag schon. Oh, ist es, weil ich Hexe gesagt hab? Komm schon. Sei nicht albern. Füller stieß ihn mit dem Ellbogen an. Er grinste schief. Dieses ganze komische Viehzeug Lars fand nichts an diesen Kommentaren lustig. Viehzeug, als wären die magischen Kreaturen nicht besser als Bauernhoftiere. Als wären die meisten nicht vor zwanzig Jahren ganz normal gewesen. Ganz menschlich. Bis der zweite Mond aufgegangen war und alles durcheinandergebracht hatte. Sie nannten ihn den Himmelsmond. Nach irgendeiner alten Sage hatte Lars gelesen. Im Gegensatz zu dem normalen, dem Erdenmond, war der Himmelsmond tiefblau. Und mit seinem ersten Aufgehen hatte sich alles verändert. Lars erinnerte sich noch gut an diese Nacht. Er war kaum zehn Jahre alt gewesen. Ihren Schrei würde er niemals vergessen. Er war ins Zimmer seiner kleinen Schwester gerannt. Alicia hatte in Flammen gestanden. Der Geruch nach verkohltem Stoff verfolgte ihn. Alicia hatte ihren Plüschhasen an sich gedrückt gehabt. Das eine Knopfauge war unter ihren Fingern geschmolzen. Die Ohren zu Staub zerbröselt. Himmel, ihr Schrei. Wie ein Hilferuf direkt aus der Hölle. Es hatte Lars den Schock seines Lebens eingebracht. Denn vor seinen Augen war Alicia zu Asche zerfallen. Mit einem Kopfschütteln konzentrierte sich Lars auf die Gegenwart. Schon gut, murmelte er in seinen Bart. Füller seufzte genervt. Du musst doch zugeben, dass uns die mehr Arbeit machen. Gar nichts musste Lars zugeben. Es gab in ihrem winzigen Kaff außer den Werwölfen keine Magiewesen. Die meisten Probleme machten ihnen Jugendliche, die irgendwas klauten. Zigaretten, Kaugummis, Kleinkram. Und die Touristen, die im Haidwang-Wald verloren gingen. Lars starrte aus dem Fenster. Ihm kam der vertraute Wald bei diesem Wetter merkwürdig vor. Wie ein Ort voller Gefahren hinter jedem Nebel umspülten, schemenhaften Baum. Eine Welt voller Geheimnisse in jeder Pfütze. Einem Flüstern in jedem tropfenschweren Blatt. Dabei ging Lars im Haidwang-Wald um diese Jahreszeit gerne spazieren. Er erinnerte sich an sonnengesprenkelte Lichtungen mit bunten Picknickdecken. Irgendwo tiefer drin gab es einen Trimm-dich-Pfad. Dort hatte er oft mit seiner Schwester gespielt. Natürlich bevor zum ersten Mal der zweite Mond aufgegangen war. Angeblich haben zwei Wanderer den To…
Titel
Codename: Teardrop Eisige Tränen im Regen
Untertitel
Horrorkabinett - Band 18
Autor
EAN
9783961274291
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
25.01.2025
Digitaler Kopierschutz
frei
Dateigrösse
0.16 MB
Anzahl Seiten
96
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv
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