Die Erde hat sich verändert, als eines Tages der Himmelsmond aufgetaucht ist. Denn mit dem Erscheinen dieses zweiten Trabanten wird Magie auf der Erde real und viele Menschen verwandeln sich unter seinem Einfluss in Werwölfe, Vampire, Feen, Dämonen und noch viele andere magisch begabte Spezies. Isabella Donner, eine junge, magisch nicht begabte Menschenfrau, und Aaron Fulmine, der Sturmmagier, sind ein Ermittlerpaar im LKPF, dem Landeskriminalamt für Paranormale Fälle. Als die jugendliche Vampirin Aretta verschwindet, werden die beiden mit dem Fall betraut. Schnell wird klar, das es sich um eine Entführung handelt. Und als ein Anschlag auf Isabella verübt wird, bei dem sie in eine magische Dryade verwandelt wird, erkennen die beiden Ermittler, dass sie es mit mit besonders dunklen Mächte zu tun haben. Plötzlich geht es für Isabella und Aaron nicht mehr nur um die Lösung des Falles, sondern wird für die beiden zum Kampf um ihr Leben.

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Ich kann nicht glauben, dass wir schon wieder Spätschicht haben, grummelte Isabella. Ihr Partner, Aaron Fulmine, schaute von seinem Schreibtisch auf. Könnte schlimmer sein, erwiderte er. Wenigstens müssen wir nicht auf Streife. Du bist der Einzige, der bei Doppel-Vollmond nicht raus will. Obwohl es Nacht war, brauchten die beiden kein elektrisches Licht. Es war fast taghell, weil beide Monde draußen leuchteten. Der erste, der Erdenmond, in schwachem, silbrigem Licht. Der zweite, den sie den Himmelsmond nannten, leuchtete tiefblau. In einer solchen Nacht sah man praktisch keine Sterne. Stattdessen erhellte das Glimmen von Magiepartikeln die Dunkelheit. Wie winzige Glühwürmchen tanzten blaue und violette Funken in der Luft. Es trieb alle nach draußen. In der Nacht des Doppel-Vollmonds herrschte überall reges Treiben. Einige Läden hatten sogar bis nach Mitternacht offen. Werwölfe, Vampire, Feen, Dämonen und manchmal auch Engel waren aktiv. Niemand mochte in solchen Nächten Spätschicht haben. Polizisten ganz besonders wenig, weil sich dann die Verbrechen häuften. Überfälle, Morde und geheimnisvolle Rituale wurden durchgeführt. Einige Wesen der Nacht nutzten diese Zeit aber auch zur Partnersuche. Obwohl es Nacht war, liefen draußen Leute herum und vergnügten sich. Restaurants waren gut besucht. Spielhöllen ebenso. Das alles machte Nachtschichten bei Doppel-Vollmond sehr unbeliebt bei Polizisten. Aber im Inneren der Polizeistation sah man von diesem Schauspiel nichts. Die Wände waren grau und langweilig, Computer summten und surrten. Außer Isabella und Aaron war fast niemand hier. Die anderen waren draußen unterwegs. Auf Streife, bei Tatorten. Im Augenblick aber war es ruhig. Isabella und Aaron waren zum Telefondienst eingeteilt. Das bedeutete, sie nahmen im Notfall Anrufe entgegen. Sie waren auf Abruf. Haben wir wenigstens irgendwas Spannendes?, wollte Isabella wissen. Sie hängte ihre Uniformjacke über den Schreibtischstuhl und ging zu Aaron. Noch war scheinbar nichts Schlimmes passiert. Ein paar Berichte, meinte Aaron. Papierkram, was sonst. Seine silbernen Haare standen wie immer wild in alle Richtungen ab. Manchmal sah man zwischen den Strähnen winzige Blitze zucken. Aaron war ein Sturmmagier, der das Wetter kontrollieren konnte. Deswegen mochte er die Nächte mit Doppel-Vollmond nicht so gerne. Während andere Magiebegabte stärker wurden, hing seine Kraft vom Wetter ab. Bei Doppel-Vollmond hingen niemals Wolken am Himmel. Es gab keine Gewitter, keinen Sturm, nichts. Zwar konnte Aaron immer noch Blitze abfeuern, aber sie waren schwächer. Nur, wenn ein Gewitter heraufzog, konnte er all seine Macht nutzen. Der Doppel-Vollmond brachte Aaron keine Vorteile. Außerdem wusste Isabella, wie sehr er Gewitter liebte. Aber in Nächten, an denen die beiden Monde strahlten? Da hatte Aaron nicht mehr Zauberkraft als Isabella. Nämlich gar keine. Aaron lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute hoch. Er grinste Isabella schief an, diese lächelte zurück. Die Liste mit Berichten?, fragte sie. Er wackelte mit der Maus, bis eine lange Liste erschien. Der Abschlussbericht für den Fall Müller ist morgen fällig. Willst du oder soll ich? Mach du ruhig, grinste Isabella ihn an. Aaron stöhnte. Ich hätte es besser wissen sollen. Überlasse nie einer Frau die Wahl! Ach, sei still, Sturmfratze, lachte Isabella und stellte ihm eine Tasse Kaffee hin. Aaron grummelte, aber er nahm einen tiefen Schluck. Er legte dabei den Kopf in den Nacken. Seine Augenlider schlossen sich flatternd, als er genießerisch trank. Isabella wandte den Blick hastig ab. Ich nehme alles zurück, sagte er. Er stellte die Tasse nachdrücklich neben sich ab. Du bist die beste Partnerin der Welt. Ich habe eine ganze Kanne gemacht, meinte Isabella. Wir müssen ja schließlich wach bleiben. Die allerbeste Partnerin überhaupt, verbesserte Aaron sich. Eine Weile herrschte einvernehmliches Schweigen zwischen ihnen. Nur das Klacken der Tastaturen durchbrach die Stille. Manchmal das Schlürfen von Kaffee. Rein äußerlich schienen Isabella und Aaron überhaupt nicht zusammen zu passen. Isabella war zierlich und schlank. Sie mochte bunte Kleidung und verregnete Nachmittage zum Lesen. Sie reichte Aaron kaum bis zur Schulter. Ihre Haut war blass, ihre Augen groß und blau. Die blonden Haare trug sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Aaron dagegen war groß, breitschultrig und sonnengebräunt. Seine silbernen Haare standen immer wild ab. Er trug Lederjacken und in seiner Freizeit auch ein dornengespicktes Halsband. Nicht im Dienst natürlich. Seine Kleidung war entweder grau oder schwarz, seine Schuhe elegant. Er mochte Motorräder und lange Wandertouren. Außerdem war er ein Sturmmagier. Isabella hatte durch das Auftauchen des Himmelsmonds keine Zauberkraft bekommen. Vor zwanzig Jahren war er zum ersten Mal aufgegangen. Ohne Vorwarnung, ohne Erklärung. Ein wissenschaftliches Wunder. Ein Rätsel. Noch viel rätselhafter war, dass der Himmelsmond manche Menschen verändert hatte. Er hatte sie zu Magiewesen gemacht. Manchen waren Tierohren und -schwänze gewachsen. Manche konnten zaubern. Wieder andere waren plötzlich blitzschnell oder konnten an der Decke laufen. Es gab plötzlich Vampire, Werwölfe, Gestaltwandler, Nixen und vieles mehr. Und manche Menschen waren einfach Menschen geblieben. Zu ihrem Schutz wurde das LKPF gegründet. Das Landeskriminalamt für Paranormale Fälle, in dem Isabella und Aaron arbeiteten. Längst schützten sie nicht nur Menschen, sondern halfen auch anderen Wesen. Erst letzte Woche hatten sie einen Nachbarschaftsstreit zwischen zwei Feen entschärft. Einmal hatten sie eine Trollbrücke beschützt. Und an den Fall mit dem Sukkubus wollte Isabella gar nicht denken. Aber obwohl Isabella nur ein Mensch war, passte sie zu Aaron. Sie arbeiteten jetzt seit drei Jahren zusammen. Drei turbulente Jahre waren es gewesen. Voller Höhen und Tiefen. Inzwischen vertraute Isabella dem Sturmmagier blind. Er würde auf sie aufpassen und sie auf ihn. Er war fast wie ein großer Bruder für sie. Nur manchmal, wenn sie ihn unbemerkt beobachtete, pochte ihr Herz. Aber das konnte sie verstecken. Unterdrücken. Aaron war ihr Partner, und das war alles. Das Schrillen des Notrufs riss Isabella aus ihren Gedanken. Hastig griff sie nach dem Hörer und hob ab. Landeskriminalamt für Paranormale Fälle, was ist Ihr Notfall? fragte sie. Aufregung strömte durch ihre Adern. Ein Notfall war nichts, das sie jemandem wünschte. Aber er unterbrach die Routine einer langweiligen Nacht. Einen Moment herrschte Stille. Isabella hörte nicht einmal Atemzüge, nur das Rauschen der Leitung. Endlich, ein Atemzug, kaum hörbar. Dann ertönte eine leise, rauchige Stimme: Ich glaube, mein Kind wurde entführt. Die Aufregung in Isabellas Magen verwandelte sich in Entsetzen. Kindesentführung war eine schreckliche Anschuldigung. Eine noch viel schrecklichere Vorstellung. Sie wollte sich nicht ausmalen, was die Mutter am Telefon durchmachte. Wie verstört sie sein musste. Instinktiv setzte sich Isabella aufrechter hin. Da…
Titel
Das finstere Phylakterium
Untertitel
Horrorkabinett - Band 11
EAN
9783961273799
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Veröffentlichung
25.05.2024
Digitaler Kopierschutz
frei
Anzahl Seiten
96
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv