Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan gerät zum Offenbarungseid. Hier zeigen sich beispielhaft die Fehlleistungen und Strukturdefizite der deutschen Sicherheitspolitik - ihre Begründungsschwächen und die überzogenen Ansprüche, der geringe Mitteleinsatz und die kurzatmigen Mandate, die realitätsblinden Aufträge mit gravierenden Strategie- und Koordinationsmängeln, das Missverhältnis zwischen den militärischen und den zivilen Komponenten.
Das Versagen hat System. Den Übergang von »Verteidigung« zu »Sicherheit« hat die politische Klasse nicht bewältigt, denn sie lebt noch aus dem Fundus der Bonner Republik. Weder die politischen Strukturen noch das politische Personal sind auf die neuen Bedingungen globaler Sicherheitsvorsorge eingerichtet.
Auch die Militärelite hat die neuen politischen Lektionen noch nicht gelernt, sondern verharrt in professionalistischer Selbstbeschränkung. Beides zusammen begünstigt eine Vertiefung der Kluft zwischen der Sicherheitspolitik, dem Militär und einer Bürgergesellschaft, die sich aus militärischen Verpflichtungen weitgehend verabschiedet hat.
Klaus Naumann liefert in diesem Band eine Bestandsaufnahme der fehllaufenden Entwicklungen. Er gibt Anstöße zu einer Neujustierung der sicherheitspolitischen Strukturen und formuliert die neuen Anforderungen an die Sicherheitseliten.
"Dieses Buch ist so handlich, dass es mühelos in die Jackentasche eines jeden Abgeordneten passt. Und genau dorthin gehört es. Denn seinem Autor ist etwas gelungen, was im Bereich des politischen Buchs selten passiert: Klaus Naumann hat nicht nur ein Problem genauestens analysiert, sondern auch einen Fahrplan vorgelegt, wie dem Problem zu begegnen ist. [...] Wie produktiv es sein könnte, Naumanns Ideen zu verwirklichen, lässt allein die gegenwärtige Debatte erahnen, ob Deutschland in Afghanistan einen Krieg führt und ob deutsche Soldaten vom Gegner 'getötet' werden oder im Einsatz 'fallen'." Thomas Speckmann, Die Zeit "Dieses Buch ist keine kühle Bestandsaufnahme zu Militärpolitik und strategischem Denken in Deutschland, sondern ein Aufschrei... Wer nur einen kleinen Einblick in die Berliner Verhältnisse hat, wird Naumanns zentralem Vorwurf zustimmen: Der Bundestag, der soviel Wert darauf legt, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, kümmert sich mit Ausnahme weniger Abgeordneter nicht um sie." Herfried Münkler, Die Welt
Autorentext
Klaus Naumann, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich "Die Gesellschaft der Bundesrepublik" des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Erinnerungspolitik, Nachkriegszeit und Militärgeschichte der alten Bundesrepublik.
Zusammenfassung
Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan gerat zum Offenbarungseid. An ihm zeigen sich beispielhaft die Fehlleistungen und Strukturdefizite der deutschen Sicherheitspolitik - ihre Begrundungsschwachen und die uberzogenen Anspruche, der geringe Mitteleinsatz und die kurzatmigen Mandate, realitatsblinde Auftrage mit gravierenden Strategie- und Koordinationsmangeln sowie das Missverhaltnis zwischen militarischen und zivilen Komponenten. Klaus Naumann belsst es nicht bei einer Bestandsaufnahme der eklatanten Fehlentwicklungen, er benennt die neuen Anforderungen an die Sicherheitseliten und gibt Anste zu einer Neujustierung der sicherheitspolitischen Strukturen.
Inhalt
Inhalt
Einleitung - Das afghanische Menetekel
Primat der Politik - Die Strategiefähigkeit der politischen Klasse
Interessen als Kompass? - Einsatzkriterien als Entscheidungsersatz?
Die Multilateralismusfalle
Das Kontroll-Dilemma
Strategischer Dilettantismus
Strategie der Sicherheit - Sicherheit durch Strategie
Primat des Politischen - Die Elitefähigkeit des Militärs
Führungsschwächen im Einsatz
Eine neue Balance
Leiden am Erfolg (I) - Die zivil-militärische Tradition
Die politisch-militärische Selbstblockade
Militärische Elitensozialisation - Am Bedarf vorbei
Tradition als Ressource - Lehrmeister Atomkrieg
Was kommt nach der Funktionselite?
Primat der Staatsbürgerlichkeit - Das Problem der militärischen Obligation
Ein Gebot der Staatsklugheit
Leiden am Erfolg (II) - Was war der "wehrhafte Staatsbürger"?
Militärische Obligation und "erweiterte" Sicherheit
Eine neue Erzählung vom Staatsbürger
Nachbemerkung - Eine neue Kunst des Verbindens
Literaturverzeichnis