Konrad Kramar, geboren 1966 in Wien, studierte Pharmazie in seinem Geburtsort. Ab 1984 arbeitete er als freier Mitarbeiter unter anderem bei den Zeitungen Standard und Presse. Seit 1992 ist er Redakteur des Kurier im Ressort Kultur und Medien.
Vorwort
Gekrönte Häupter oder doch nur ganz normale Menschen?
Autorentext
Konrad Kramar, geboren 1966 in Wien, studierte Pharmazie in seinem Geburtsort. Ab 1984 arbeitete er als freier Mitarbeiter unter anderem bei den Zeitungen Standard und Presse. Seit 1992 ist er Redakteur des Kurier im Ressort Kultur und Medien.
Leseprobe
MAXIMILIAN I.
Ein Showstar und sein Heldenleben
Auf Rettung war nicht mehr zu hoffen, zu hoch hatte sich der wagemutige Jäger verstiegen, zu steil und glatt war der Fels. Schon hatte man das Allerheiligste aus dem Tabernakelschrein einer nahe gelegenen Kirche geholt, um Seiner Majestät sozusagen per Fernmeldung einen letzten christlichen Segen in die Martinswand bei Innsbruck hinaufzuschicken. Unten am Fuße des Berges hatte sich der gesamte Hofstaat Maximilians versammelt und starrte gebannt hinauf, wo der Kaiser unbewegt und scheinbar hilflos seinem Ende entgegensah.
Das kleine, unscheinbare Männchen, das sich über die Felszacken hantelte, blieb vorerst unbemerkt. Plötzlich aber streckte sich Maximilian von oben eine Hand entgegen. Er ergriff sie und halb kletternd, halb gezogen konnte er sich unter dem Jubel der Zuschauer aus seiner Lage befreien.
Heute noch, ein halbes Jahrtausend später, zeigt man in Innsbruck den Fremden gerne die Wand, in der sich der Habsburger bei der Gamsjagd verstiegen hatte. Bis heute widersprechen sich die Legenden, wer nun der wunderbare Erretter des Kaisers gewesen wäre. Oskar Zyps, ein tüchtiger Jäger aus der Gegend, ein unbekannter Zirler Bauernbub oder - und diese Version der Geschichte ließ Maximilian selbst eifrigst verbreiten - der Herrgott persönlich oder zumindest einer seiner Engel.
Als tollkühnes Abenteuer eines Naturburschen, mit einem Wunder als Draufgabe, so hat die Legende von der Martinswand den Kaiser um viele Jahrhunderte überlebt. Noch in der Romantik machte man Balladen aus der dramatischen Anekdote.
Doch sie ist, wie das ganze Leben des populären Habsburgers, eine gute Inszenierung. Die Martinswand bestieg des »Heiligen Römischen Reiches oberster Erzjägermeister«, wie er sich selbst gerne nannte, vor allem des Showeffekts wegen. Wenn man nämlich die malerischen Felsen mit dem Gamsspieß durchkletterte, konnten Herren und vor allem Damen des Hofes von den Fenstern des nahe gelegenen Schloss Martinsbühel zuschauen wie bei einem Tennismatch. Kaiserliche Kraxeleien erste Reihe fußfrei, sozusagen. Maximilian selbst wusste die Martinswand ganz gezielt für seine Zwecke einzusetzen. Hier, schrieb er in eines seiner Notizbücher, könne er »den Gembs vor so vielen schönen Frauen fällen ohne allen Grauen«. Maximilian war eben ein Showstar. Er pflegte sein Image, ja man kann behaupten, es wäre diesem Mann nichts wichtiger gewesen als Ruhm, Ehre und eine quasi unverderbliche Erinnerung als größter Herrscher der bekannten Welt.
»Gedechtnus« hieß das in der Sprache der anbrechenden Renaissance. Allein dieses »Gedechtnus« zählte für den Habsburger. »Wer sich im Leben kein Gedechtnus macht, der hat nach seinem Tod kein Gedechtnus, und demselben Menschen wird mit dem Glockenton vergessen«, diktierte er für seinen autobiografischen Ritterroman »Weißkunig«. Übrigens nur eines von zahlreichen Werken, die nichts anderem als der Selbstdarstellung des Kaisers dienten.
Für den einfachen Mann des 16. Jahrhunderts jedenfalls war Maximilian ein Held. Wo der rastlose Herrscher auch unterwegs war, überall schüttelte er Hände, herzte Kinder und mischte sich unters Volk, wie das heute noch allzu leutselige Bürgermeister gerne tun. Wobei er zwar inkognito auftrat, aber doch so, dass jeder wusste, wer da gerade den einfachen Bürgersmann mimte. Ihm voraus eilte ein ganzes Schatzkästchen von abenteuerlichen Geschichten und Legenden. In München hätte er einer Löwin mit Gewalt den Mund geöffnet und ihr die Zunge herausgezogen. Das Tier war angeblich so beeindruckt, dass es ihm die Hand abschleckte. Man erzählte sich, er habe eine wütende Bärin mit seiner Faust erwürgt und hätte beim Karneval in Münster ganz oben auf den Zinnen der Stadtmauer getanzt.
Maximilians Lebensbilanz ist die eines Tausendsassas, der so viele Dinge gleichzeitig tat, dass er fast nichts fertig stellte. Er hatte unglaubliche Pläne, träumte von Kreuzzügen, von ne