Nun befinden wir uns im Feld der Sprache und können uns entscheiden, ob wir diesen Sachverhalt aus der Bedürftigkeit des Mängelwesens oder aus der Fülle menschlicher Möglichkeiten erklären; aus jener Intellektualität, die einst ,eng lisch' hieß, oder aus der Angewiesenheit auf Sinnliches, wie sie Tieren zukommt. Ob wir uns der Bezeichnung bedürftig oder der Benennung fahig erklären, zu meist - und zumindest dort, wo nicht unmittelbar Gewalt droht - bewegen wir uns in einer Sphäre, die konstitutiv durch Sprache bestimmt und durch Sprache auch dort noch vermittelt ist, wo die Zeugnisse menschlicher Tatigkeit ihren Sinn und das Einverständnis der Verabredungen zu ihrer Ausführung nicht mehr er kennen lassen: Zeichen, deren Sinn verloren ist, nennen wir stumm; kennzeichnen sie mit einem Begriff, der nicht Negation, sondern Privation bedeutet: Sprach bedürftigkeit. Und gerade dort, wo der dargestellte Gegenstand klar erscheint, stellt sich die Frage nach dem Sinn, der die Konstruktion des Zeichens verlangte. Wenn das Zeichen einen Gegenstand repräsentiert, präsentiert es die Sprache zu gleich; wenn Formuliertes zum Gegenstand von Formulierung wird, ist nicht nur die Sache, sondern zugleich die Praxis ihrer Darstellung thematisiert. Mit jeder Wiederaufnahme wird der Modus ihres Vorverständnisses und damit ihre sprach liche Verfaßtheit dargestellt. Jede Wiederholung droht ein Stück mehr, das Dar gestellte durch Darstellung zu verdrängen. Gegen diese Gefahr schützte einst Ver gessen; im Zeitalter der Konservierung des Gedächrnisses in Schrift ist Vergessen rechtfertigungsbedürftig.

Autorentext

Lothar Schneider ist Lehrbeauftragter an der Universität Lodz/Polen.



Klappentext

Die Orientierung des Denkens am Modell der Schrift, insbesondere die Genese der neuzeitlichen Informationsgesellschaft, verändert mit der sozialen zugleich die innere Wirklichkeit der Menschen grundlegend. Am Ende dieser Entwicklung ist uns nur möglich, zu rekonstruieren, wie ihre Vordenker in Begriffe fassen, was im Zentrum der Rhetorik stand, aber dem eigenen systematischen Denken widerspricht: die situative Gebundenheit allen Erlebens und Verstehens. Gefragt wird, wie die einzelnen Autoren mit der Wirklichkeit umgehen, dabei treten philosophische und ästhetische, insbesondere literarische und semantische Techniken ins Blickfeld.



Inhalt
1 Kleine Legende des 18. Jahrhunderts: der Kaufmann.- 2 Zur Genealogie der theoretischen Klammer.- 3 Die Rhetorik als Paradigma sozialer Sprache. Zum Rhetorismus der Renaissance.- 4 Zur Pathetik der Vernunft (Descartes in praxe).- 5 Zur Theologie des Textes. Pascal und die Strategie der Vermittlung.- 6 Bemerkungen zum Fundament der deutschen sittlichen Kultur'.- 7 Statt eines Schlusses: Leibniz oder die Moral der Vernunft.- Anmerkungen.- 1 Kleine Legende des 18. Jahrhunderts: der Kaufmann.- 2 Zur Genealogie der theoretischen Klammer.- 3 Die Rhetorik als Paradigma sozialer Sprache. Zum Rhetorismus der Renaissance.- 4 Zur Pathetik der Vernunft (Descartes in praxe).- 5 Zur Theologie des Textes. Pascal und die Strategie der Vermittlung.- 6 Bemerkungen zum Fundament der deutschen sittlichen Kultur.- 7 Statt eines Schlusses: Leibniz oder die Moral der Vernunft.- A) Quellen.- B) Sekundärliteratur.
Titel
Reden zwischen Engel und Vieh
Untertitel
Zur rationalen Reformulierung der Rhetorik im Prozeß der Aufklärung
EAN
9783322970428
Format
E-Book (pdf)
Veröffentlichung
02.07.2013
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Anzahl Seiten
560
Auflage
1994
Lesemotiv