Mackenzi Lee liest, schreibt, verkauft Bücher und kann sehr schnell reden. Sie hat Geschichte und kreatives Schreiben studiert. Cavaliersreise ist ihr erstes Buch auf Deutsch und bei den Königskindern.
Autorentext
Mackenzi Lee liest, schreibt, verkauft Bücher und kann sehr schnell reden. Sie hat Geschichte und kreatives Schreiben studiert. Cavaliersreise ist ihr erstes Buch auf Deutsch und bei den Königskindern.
Leseprobe
17--
Eins
Am Tag des Aufbruchs zu unserer Cavaliersreise auf den Kontinent erwache ich neben Percy in meinem Bett. Im ersten Augenblick bin ich unsicher, ob wir beieinander oder miteinander geschlafen haben.
Percy trägt noch die Kleider vom gestrigen Abend, wiewohl weder im selben Zustand noch in derselben Anordnung wie zuvor, und die Laken mögen etwas zerwühlt sein, doch nichts deutet auf ein nächtliches Scharmützel hin. Daher scheint es, obgleich ich selbst nur einen Schuh und meine Weste trage - zudem mit der Knopfleiste hinten -, als hätten wir den Anstand gewahrt.
Das erleichtert mich in gewisser Weise, denn ich möchte nüchtern sein, wenn wir zum ersten Mal zusammen sind. Falls es dieses erste Mal je geben sollte. Was zurzeit immer weniger wahrscheinlich wird.
Percy wälzt sich grunzend auf die andere Seite, verfehlt mit einem Arm knapp meine Nase und schiebt seinen Kopf in meine Achselhöhle. Ohne aufzuwachen, zieht er fast die ganze Zudecke zu sich herüber. Sein Haar riecht nach Zigarrenrauch, und er hat einen faulen Atem, was ich ihm gewiss nicht verübeln darf. Dem Geschmack nach zu urteilen, der sich in meiner Kehle verbreitet - eine Mischung aus gepanschtem Gin und fremdartigem Parfüm -, dünste ich noch schlimmer.
Anderswo im Zimmer wird mit einem Ratsch ein Vorhang beiseitegezogen, und helles Tageslicht fällt mich an. Ich reiße die Hände vor das Gesicht. Percy erwacht mit einem heiseren Krächzen. Er versucht sich abzuwenden, stößt aber auf ein Hindernis, rollt trotzdem weiter und kommt auf meinem Bauch zu liegen. Meine Harnblase reagiert mit scharfen Protesten. Wir müssen außerordentlich viel getrunken haben, wenn es mich jetzt derart belastet. Dabei bin ich so stolz auf meine Gabe, mich besinnungslos zu betrinken und dennoch am nächsten Tag eine passable Figur abzugeben, vorausgesetzt, der Tag beginnt gegen frühen Abend.
Da wird mir klar, warum ich einerseits in solch kläglichem Zustand und andererseits noch betrunken bin: Es ist nicht meine übliche Zeit aufzustehen. Es ist früh am Vormittag, denn heute ist der Tag, an dem Percy und ich verreisen.
»Guten Morgen, Gentlemen«, sagt Sinclairs Stimme. Ich kann seinen Umriss vor dem Fenster ausmachen - er ist es, der das vermaledeite Licht hereingelassen hat. »Mylord«, fährt er fort und nickt mit dem Kopf zu mir herüber, »Eure Mutter hat mir aufgetragen, Euch zu wecken. Die Kutsche soll binnen einer Stunde fahren, und im Esszimmer warten Mr Powell und seine Gattin.«
Aus Percys Brust, unweit meines Nabels, dringt bei der Erwähnung seines Onkels und seiner Tante ein vage zustimmendes Geräusch, das keiner menschlichen Sprache zuzuordnen ist.
»Außerdem, Mylord, ist Euer Vater gestern Abend aus London zurückgekehrt«, sagt Sinclair zu mir. »Er wünscht Euch vor der Abfahrt zu sprechen.«
Weder Percy noch ich rühren uns von der Stelle. Nur der Schuh an meinem einen Fuß fällt mit einem hohlen Plonk auf den orientalischen Teppich vor dem Bett. »Vielleicht lasse ich die Herren besser erst einmal zu Sinnen kommen?«, schlägt Sinclair vor.
»Ja«, sagen wir wie aus einem Mund.
Sinclair geht, ich höre die Tür hinter ihm ins Schloss fallen. Vor dem Haus ist das Knirschen von Kutschrädern zu vernehmen, und die Knechte spannen unter viel Geschrei die Pferde an. Percy entfährt ein grausiges Stöhnen und ich muss unwillkürlich lachen.
»Was lachst du?« Er schlägt nach mir und trifft das Kissen.
»Du klingst wie ein Bär.«
»Und du riechst wie ein Schankhausboden.« Er lässt sich vom Bett hinuntergleiten, verfängt sich dabei im Laken und hängt schließlich kopfüber zu Boden, die Wange in den Teppich gedrückt. Sein Fuß bohrt sich mir in den Bauch, und zwar so tief unten, dass mir das Lachen prompt vergeht. »Nicht so stürmisch, mein Lieber!«
Der Drang, mich zu erleichtern, wird übermächtig, und ich greife, um mich auf