Sprechen wir über den Reichtum der Literaturen, die jenseits des Westens verortet werden. Die andere Seite der Geschichte: Könnte ein Löwe sprechen, würde er die Geschichte einer Löwenjagd anders erzählen als der Löwenjäger. Würde Freitag sich zu Wort melden, klänge seine Geschichte anders als diejenige von Robinson Crusoe. Aber sollte Freitag sich zu Wort melden, wer würde ihm zuhören? Schon seit Langem erheben Autorinnen und Autoren aus Afrika, der Karibik und aus Nordamerika ihre Stimmen und widersprechen dem Bild, das sich der Westen von diesen anderen Kulturen macht. Der vorliegende Band legt diese Korrekturen frei und verfolgt den Verlauf dieses noch immer überwiegend einseitigen literarischen Dialoges. So schildert der in Australien lebende südafrikanische Nobelpreisträger J. M. Coetzee in seinem Roman "Mr. Cruso, Mrs. Barton und Mr. Foe" Freitag als entmündigten Menschen ohne Zunge, veranschaulichen US-Autoren wie Richard Wright oder Ralph Ellison in ihren Büchern, was sie von der Welt getrennt hält, in der sie leben, oder analysieren der Südafrikaner Niq Mhlongo und die Simbabwerin NoViolet Bulawayo, wie sehr sich die jeweiligen Illusionen voneinander gegenseitig bedingen. Boubacar Boris Diop aus Senegal schreibt seit dem Völkermord in Ruanda nicht mehr auf Französisch, Gilbert Gatore aus Ruanda erfuhr mit seinem Roman über den Genozid weitgehend Ablehnung, weil er darin den Motiven der Täterpsyche nachspürt. Wie also müssen Autorinnen und Autoren aus Afrika schreiben, damit sie im Westen überhaupt wahrgenommen werden? Der Band erklärt diesen Selektionsprozess und beschreibt, wie die Lesegewohnheiten beeinflussen, wie und worüber geschrieben werden muss, um eine Chance auf Aufmerksamkeit zu haben. Das gilt für Chimamanda Ngozi Adichie aus Nigeria ebenso wie für ihren Landsmann Helon Habila, dessen Roman "Öl auf Wasser" besonders dann nachgefragt wurde, nachdem er als Krimi deklariert worden war. Auch die Bilderwelt der deutschen Kolonialpolitik wirkt noch immer nach, und entsprechende Stereotype bestehen fort. Dass die Befreiung davon eine mentale Dekolonisierung beiderseits erforderlich macht, geht aus dem Werk von Ngugi wa Thiong'o hervor, der dafür mit dem Friedenspreis der Stadt Osnabrück ausgezeichnet wurde. Sehr feinsinnig führen auch Autorinnen und Autoren wie Yvonne Vera und Christopher Mlalazi aus Simbabwe in ihren Romanen einen Blickwechsel herbei.
Autorentext
Manfred Loimeier lehrt als Professor an der Universität Heidelberg afrikanische Literaturen und arbeitet als Literaturkritiker, Moderator und Übersetzer für Zeitungen, Hörfunk, Literaturhäuser und Verlage. Er promovierte in Bayreuth über die Filme und Romane von Ousmane Sembène und Wole Soyinka, in Heidelberg habilitierte er über das literarische Werk von J. M. Coetzee.
Inhalt
Inhalt Vorwort 1 Facetten von Robinson Crusoe durchgespielt in den Werken weiterer Schriftsteller Derek Walcotts Weltbild Wechsel der Perspektive Wieder und wieder neugeschrieben Kleiner Exkurs in die Unterpfalz, die Kurpfalz Gegenwärtige Rezeptionen Michel Tournier Elizabeth Bishop J. M. Coetzee Patrick Chamoiseau Lutz Seiler Daniel Defoe als Kulturkritiker Verweise 2 Freitag und der Protest gegen den Rassismus, formuliert von Autorinnen und Autoren der Harlem-Renaissance Exkurs nach Barracoon Gesehen wird nur die Gewalt Leben als jemand anderes Exkurs 1: Ernüchternde Entfremdung Exkurs 2: Von der Sehnsucht nach einer Heimat in Afrika Wegen der Hautfarbe getrennt Verweise 3 Naming, Writing, Passing und der Prozess der Wortergreifung in Percival Everetts Roman "James" Verweise 4 Die Literaturen der Karibik: Modelle zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft Die Eroberung des Wortes Anspielung auf Charlotte Brontës Roman Das Motiv des Gestrandetseins Alles ist mit allem verbunden Wertschätzung des Lebens Vergessene Avantgarde Das Wesen der Antillität Lob den Übersetzungen Theorie der Kreolität Lob der Mehrsprachigkeit Verleugnetes Erbe Akzeptanz der Kreolität Begegnung der Kulturen Verweise 5 Deutschlands vergessene Jahrzehnte: Das Deutsche Reich als Kolonialmacht und die Folgen für Gegenwart und Zukunft Erster Schauplatz: Tansania Perspektiven der Erinnerung Zweiter Schauplatz: Berlin / Weimar Dritter Schauplatz: Namibia Vierter Schauplatz: Kamerun Deutsch als Literatursprache in Kamerun Verweise 6 Was macht Literatur aus Afrika zu Literatur aus Afrika? Der Buchmarkt in Frankreich und Deutschland Eingeschränkte Wahrnehmung Parallele Entwicklung Zäsuren Anfang der 1980er Jahre Engagierte Vermittler Zweite Welle in der 1990er Jahren Tückische Selektion Literaturpreise als Auswahlkriterien Sprachwahl und Übersetzungshürden Von Afrika lernen Verweise 7 Der internationale Literaturmarkt am Beispiel von Chimamanda Ngozi Adichie und Sefi Atta aus Nigeria Verweise 8 Drei Romane aus Nigeria als Beispiele für das literarische Kurzzeitgedächtnis Verweise 9 Der Völkermord in Ruanda als Abschied von Europa im Werk von Boubacar Boris Diop Was muss Literatur leisten? Wendepunkt im literarischen Werk Aufmerksamkeit für "Murambi" Vom Verschwinden des Autors Zur gesellschaftlichen Position von Intellektuellen Erwartungen des Publikums Zwang zum Widerspruch Vergiss Europa Verweise 10 Die Abkehr von einer westlichen Erwartungshaltung Gilbert Gatores Roman über den Völkermord in Ruanda Verweise 11 Zur Literatur Simbabwes der Nachkriegszeit am Beispiel des Romans "The Stone Virgins" von Yvonne Vera Höhenflug im Umfeld der Unabhängigkeit Verweise 12 Spürbare Angst: Christopher Mlalazis Roman "Wegrennen mit Mutter" Verweise 13 Niq Mhlongo und NoViolet Bulawayo kritisieren die Orientierung am Materialismus des Westens NoViolet Bulawayos Roman "Wir brauchen neue Namen" Niq Mhlongo's Roman "Way Back Home" Exil oder Rückbesinnung Verweise 14 There's no way out of here: J. M. Coetzees Hoffnung auf ein neues menschliches Zusammenleben Das Thema Reue Tradition der Gewalt Wahrheit und Bekenntnis Bekenntnis und Interesse Vergebung und Neuanfang Verweise Epilog In memoriam Ngugi wa Thiong'o zur Aktualität der Dekolonisierung des Denkens Verweise Quellennachwes
Autorentext
Manfred Loimeier lehrt als Professor an der Universität Heidelberg afrikanische Literaturen und arbeitet als Literaturkritiker, Moderator und Übersetzer für Zeitungen, Hörfunk, Literaturhäuser und Verlage. Er promovierte in Bayreuth über die Filme und Romane von Ousmane Sembène und Wole Soyinka, in Heidelberg habilitierte er über das literarische Werk von J. M. Coetzee.
Inhalt
Inhalt Vorwort 1 Facetten von Robinson Crusoe durchgespielt in den Werken weiterer Schriftsteller Derek Walcotts Weltbild Wechsel der Perspektive Wieder und wieder neugeschrieben Kleiner Exkurs in die Unterpfalz, die Kurpfalz Gegenwärtige Rezeptionen Michel Tournier Elizabeth Bishop J. M. Coetzee Patrick Chamoiseau Lutz Seiler Daniel Defoe als Kulturkritiker Verweise 2 Freitag und der Protest gegen den Rassismus, formuliert von Autorinnen und Autoren der Harlem-Renaissance Exkurs nach Barracoon Gesehen wird nur die Gewalt Leben als jemand anderes Exkurs 1: Ernüchternde Entfremdung Exkurs 2: Von der Sehnsucht nach einer Heimat in Afrika Wegen der Hautfarbe getrennt Verweise 3 Naming, Writing, Passing und der Prozess der Wortergreifung in Percival Everetts Roman "James" Verweise 4 Die Literaturen der Karibik: Modelle zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft Die Eroberung des Wortes Anspielung auf Charlotte Brontës Roman Das Motiv des Gestrandetseins Alles ist mit allem verbunden Wertschätzung des Lebens Vergessene Avantgarde Das Wesen der Antillität Lob den Übersetzungen Theorie der Kreolität Lob der Mehrsprachigkeit Verleugnetes Erbe Akzeptanz der Kreolität Begegnung der Kulturen Verweise 5 Deutschlands vergessene Jahrzehnte: Das Deutsche Reich als Kolonialmacht und die Folgen für Gegenwart und Zukunft Erster Schauplatz: Tansania Perspektiven der Erinnerung Zweiter Schauplatz: Berlin / Weimar Dritter Schauplatz: Namibia Vierter Schauplatz: Kamerun Deutsch als Literatursprache in Kamerun Verweise 6 Was macht Literatur aus Afrika zu Literatur aus Afrika? Der Buchmarkt in Frankreich und Deutschland Eingeschränkte Wahrnehmung Parallele Entwicklung Zäsuren Anfang der 1980er Jahre Engagierte Vermittler Zweite Welle in der 1990er Jahren Tückische Selektion Literaturpreise als Auswahlkriterien Sprachwahl und Übersetzungshürden Von Afrika lernen Verweise 7 Der internationale Literaturmarkt am Beispiel von Chimamanda Ngozi Adichie und Sefi Atta aus Nigeria Verweise 8 Drei Romane aus Nigeria als Beispiele für das literarische Kurzzeitgedächtnis Verweise 9 Der Völkermord in Ruanda als Abschied von Europa im Werk von Boubacar Boris Diop Was muss Literatur leisten? Wendepunkt im literarischen Werk Aufmerksamkeit für "Murambi" Vom Verschwinden des Autors Zur gesellschaftlichen Position von Intellektuellen Erwartungen des Publikums Zwang zum Widerspruch Vergiss Europa Verweise 10 Die Abkehr von einer westlichen Erwartungshaltung Gilbert Gatores Roman über den Völkermord in Ruanda Verweise 11 Zur Literatur Simbabwes der Nachkriegszeit am Beispiel des Romans "The Stone Virgins" von Yvonne Vera Höhenflug im Umfeld der Unabhängigkeit Verweise 12 Spürbare Angst: Christopher Mlalazis Roman "Wegrennen mit Mutter" Verweise 13 Niq Mhlongo und NoViolet Bulawayo kritisieren die Orientierung am Materialismus des Westens NoViolet Bulawayos Roman "Wir brauchen neue Namen" Niq Mhlongo's Roman "Way Back Home" Exil oder Rückbesinnung Verweise 14 There's no way out of here: J. M. Coetzees Hoffnung auf ein neues menschliches Zusammenleben Das Thema Reue Tradition der Gewalt Wahrheit und Bekenntnis Bekenntnis und Interesse Vergebung und Neuanfang Verweise Epilog In memoriam Ngugi wa Thiong'o zur Aktualität der Dekolonisierung des Denkens Verweise Quellennachwes
Titel
Die andere Seite der Geschichte
Untertitel
Der literarische Dialog zwischen Afrika, der Karibik und dem Westen
Autor
EAN
9783689301286
Format
E-Book (pdf)
Hersteller
Veröffentlichung
29.09.2025
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
1.13 MB
Anzahl Seiten
194
Lesemotiv
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