Polarisierender Skandalautor, Klassiker der Weltliteratur, weltberühmter Dramatiker, österreichisches Phänomen: All das und noch viel mehr war Thomas Bernhard, dessen umfassende Biografie nun vorliegt. Der Thomas Bernhard-Experte Manfred Mittermayer fasst Leben und Werk des Autors in eine große Erzählung, die von Bernhards 'Herkunftskomplex' - der Familie seines Großvaters Johannes Freumbichler- bis zu seinem frühen Tod nach jahrelanger Krankheit reicht. Differenziert zeichnet Mittermayer das vielschichtige öffentliche Erscheinungsbild, aber auch die privaten Lebensstationen nach und setzt die wesentlichen Prosawerke und Theaterstücke in Bezug zu einem Lebensweg, der untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte verbunden ist.
Manfred Mittermayer, geboren 1959, lebt in Oberndorf bei Salzburg. Studium der Germanistik und Anglistik, seit 1984 Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg, seit 2012 Leiter des Literaturarchivs Salzburg und Co-Leiter der Rauriser Literaturtage. Autor von Büchern, Aufsätzen und Gestalter von Ausstellungen über Thomas Bernhard, sowie Mitglied des Herausgeberteams der 22-bändigen Thomas Bernhard-Werkausgabe bei Suhrkamp. 2005-2012 Tätigkeit am Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, wo Mittermayer zur Biografie Bernhards forschte.
Autorentext
Zusammenfassung
Polarisierender Skandalautor, Klassiker der Weltliteratur, weltberuhmter Dramatiker, osterreichisches Phanomen: All das und noch viel mehr war Thomas Bernhard, dessen umfassende Biografie nun vorliegt. Der Thomas Bernhard-Experte Manfred Mittermayer fasst Leben und Werk des Autors in eine groe Erzahlung, die von Bernhards Herkunftskomplex"e; - der Familie seines Grovaters Johannes Freumbichler- bis zu seinem fruhen Tod nach jahrelanger Krankheit reicht. Differenziert zeichnet Mittermayer das vielschichtige offentliche Erscheinungsbild, aber auch die privaten Lebensstationen nach und setzt die wesentlichen Prosawerke und Theaterstucke in Bezug zu einem Lebensweg, der untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte verbunden ist.
Leseprobe
Ich glaube, er hat eine außerordentliche Intelligenz.
(Johannes Freumbichler)
"Mein Großvater entstammte einer Bauern-, Krämer- und Gastwirtefamilie", schreibt Thomas Bernhard in seinem autobiografischen Band Ein Kind (1982); "sein Vater hatte erst mit zwanzig Jahren mühselig angefangen zu schreiben und an seinen Vater aus der Festung Cattaro einen Brief geschrieben, von dem er behauptete, er sei von seiner Hand, was mein Großvater immer anzweifelte" (10/432). Damit weist Bernhard mit Nachdruck auf die ländliche Herkunft seines Großvaters Johannes Freumbichler - und damit auf seine eigene - hin. Gleichzeitig macht er deutlich, welcher kulturelle Sprung sich innerhalb der vier Generationen zwischen seinem Urgroßvater und ihm vollzogen hat: von der Alphabetisierung über den Erwerb der Autorschaft bis hin zur Etablierung im Kontext der Weltliteratur. Schon seinem Großvater sei, so Bernhard, das Ausmaß der zurückgelegten Entwicklung bewusst gewesen: "Schopenhauer, Nietzsche, ich wußte gar nicht, daß es so etwas gibt" , zitiert er Freumbichler in Ein Kind . "Mein Vater konnte nicht einmal rechtschreiben, meinte er oft voll Stolz. Und ich entwarf Romane, Riesenromane." (10/438)
Freumbichlers Vater tritt in Bernhards Werk bereits viel früher in Erscheinung. "Mein Urgroßvater war Schmalzhändler / und heute / kennt ihn noch jeder / zwischen Henndorf und Thalgau, / Seekirchen und Köstendorf", beginnt eines der einleitenden Gedichte des Lyrikbands Auf der Erde und in der Hölle (1957). "1881, im Frühjahr, / entschied er sich für das Leben", heißt es wenige Zeilen danach, "seine Frau, Maria, die mit dem schwarzen Band, / schenkte ihm weitere tausend Jahre." 1 Die Entscheidung "für das Leben" fällt mit dem Geburtsjahr von Bernhards Großvater zusammen: Am 22. Oktober 1881 wird Johannes Freumbichler in Henndorf am Wallersee, etwa 15 Kilometer nördlich von Salzburg, geboren. Sein Vater Joseph Freumbichler (1830-1909), der "Schmalzsepp", lebt dort als erfolgreicher Händler von Butter und Schmalz, der seine Produkte nicht nur nach Salzburg, sondern zeitweise auch auf den Wiener Naschmarkt liefert.
Er ist seinerseits der Sohn von Michael Friembichler (1808-1882) aus Steindorf bei Straßwalchen, der im Alter von 21 Jahren die um acht Jahre ältere Bauerntochter Anna Rutziger heiratet und sich 1852 durch Erwerb der beiden Heisinggüter Berg 21 und 22 in der Nähe von Henndorf ansiedelt. Der Name findet sich in den diversen Urkunden in unterschiedlichen Schreibweisen - "Freunbichler" (so heißt Bernhards Großvater im Taufbuch), "Freinbichler", "Freumbüchler" oder "Friembichler". Der Großvater selbst leitet seinen Familiennamen von mhd. "friema", d. i. "anschaffen", und "Büheler", d. i. "Bergler", ab, also "der auf dem Berge wohnende Anschaffer". 2 Da nach dem Erbrecht der Region nicht der älteste, sondern der jüngste Sohn den Hof erbt, muss Joseph, der Erstgeborene, das väterliche Gut verlassen; er hat einen jüngeren Bruder, der wie der Vater Michael heißt.
Thomas Bernhards Urgroßvater Joseph Freumbichler tritt 1850 in die k. k. Armee ein und dient bis 1858 u. a. als Kanonier in Dalmatien, wobei er vermutlich bis vor Cattaro (Kotor) gelangt. Drei Briefe sind von ihm überliefert; es ist davon auszugehen, dass er sie einem Kameraden diktiert hat. Sein Sohn Johannes verwendet die Erinnerungen des Vaters als Basis für seinen unveröffentlichten Roman Ljubica (= Die Perlenstickerin von Cattaro oder Das Wunder vom Orangenbaum); er schildert darin das Soldatenleben in Dalmatien recht idyllisch wie einen "Erholungsurlaub junger Salzburger Bauernburschen unter südlicher Sonne, gewürzt mit einer Liebesbekanntschaft". 3 1863 heiratet Joseph Freumbichler die um acht Jahre ältere Bauerntochter Katharina Haigerer - er wiederholt somit das Heiratsmuster seines Vaters und erwirb
Manfred Mittermayer, geboren 1959, lebt in Oberndorf bei Salzburg. Studium der Germanistik und Anglistik, seit 1984 Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg, seit 2012 Leiter des Literaturarchivs Salzburg und Co-Leiter der Rauriser Literaturtage. Autor von Büchern, Aufsätzen und Gestalter von Ausstellungen über Thomas Bernhard, sowie Mitglied des Herausgeberteams der 22-bändigen Thomas Bernhard-Werkausgabe bei Suhrkamp. 2005-2012 Tätigkeit am Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, wo Mittermayer zur Biografie Bernhards forschte.
Autorentext
Manfred Mittermayer, geboren 1959, lebt in Oberndorf bei Salzburg. Studium der Germanistik und Anglistik, seit 1984 Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg, seit 2012 Leiter des Literaturarchivs Salzburg und Co-Leiter der Rauriser Literaturtage. Autor von Büchern, Aufsätzen und Gestalter von Ausstellungen über Thomas Bernhard, sowie Mitglied des Herausgeberteams der 22-bändigen Thomas Bernhard-Werkausgabe bei Suhrkamp. 2005-2012 Tätigkeit am Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie, wo Mittermayer zur Biografie Bernhards forschte.
Zusammenfassung
Polarisierender Skandalautor, Klassiker der Weltliteratur, weltberuhmter Dramatiker, osterreichisches Phanomen: All das und noch viel mehr war Thomas Bernhard, dessen umfassende Biografie nun vorliegt. Der Thomas Bernhard-Experte Manfred Mittermayer fasst Leben und Werk des Autors in eine groe Erzahlung, die von Bernhards Herkunftskomplex"e; - der Familie seines Grovaters Johannes Freumbichler- bis zu seinem fruhen Tod nach jahrelanger Krankheit reicht. Differenziert zeichnet Mittermayer das vielschichtige offentliche Erscheinungsbild, aber auch die privaten Lebensstationen nach und setzt die wesentlichen Prosawerke und Theaterstucke in Bezug zu einem Lebensweg, der untrennbar mit der Nachkriegsgeschichte verbunden ist.
Leseprobe
Ich glaube, er hat eine außerordentliche Intelligenz.
(Johannes Freumbichler)
"Mein Großvater entstammte einer Bauern-, Krämer- und Gastwirtefamilie", schreibt Thomas Bernhard in seinem autobiografischen Band Ein Kind (1982); "sein Vater hatte erst mit zwanzig Jahren mühselig angefangen zu schreiben und an seinen Vater aus der Festung Cattaro einen Brief geschrieben, von dem er behauptete, er sei von seiner Hand, was mein Großvater immer anzweifelte" (10/432). Damit weist Bernhard mit Nachdruck auf die ländliche Herkunft seines Großvaters Johannes Freumbichler - und damit auf seine eigene - hin. Gleichzeitig macht er deutlich, welcher kulturelle Sprung sich innerhalb der vier Generationen zwischen seinem Urgroßvater und ihm vollzogen hat: von der Alphabetisierung über den Erwerb der Autorschaft bis hin zur Etablierung im Kontext der Weltliteratur. Schon seinem Großvater sei, so Bernhard, das Ausmaß der zurückgelegten Entwicklung bewusst gewesen: "Schopenhauer, Nietzsche, ich wußte gar nicht, daß es so etwas gibt" , zitiert er Freumbichler in Ein Kind . "Mein Vater konnte nicht einmal rechtschreiben, meinte er oft voll Stolz. Und ich entwarf Romane, Riesenromane." (10/438)
Freumbichlers Vater tritt in Bernhards Werk bereits viel früher in Erscheinung. "Mein Urgroßvater war Schmalzhändler / und heute / kennt ihn noch jeder / zwischen Henndorf und Thalgau, / Seekirchen und Köstendorf", beginnt eines der einleitenden Gedichte des Lyrikbands Auf der Erde und in der Hölle (1957). "1881, im Frühjahr, / entschied er sich für das Leben", heißt es wenige Zeilen danach, "seine Frau, Maria, die mit dem schwarzen Band, / schenkte ihm weitere tausend Jahre." 1 Die Entscheidung "für das Leben" fällt mit dem Geburtsjahr von Bernhards Großvater zusammen: Am 22. Oktober 1881 wird Johannes Freumbichler in Henndorf am Wallersee, etwa 15 Kilometer nördlich von Salzburg, geboren. Sein Vater Joseph Freumbichler (1830-1909), der "Schmalzsepp", lebt dort als erfolgreicher Händler von Butter und Schmalz, der seine Produkte nicht nur nach Salzburg, sondern zeitweise auch auf den Wiener Naschmarkt liefert.
Er ist seinerseits der Sohn von Michael Friembichler (1808-1882) aus Steindorf bei Straßwalchen, der im Alter von 21 Jahren die um acht Jahre ältere Bauerntochter Anna Rutziger heiratet und sich 1852 durch Erwerb der beiden Heisinggüter Berg 21 und 22 in der Nähe von Henndorf ansiedelt. Der Name findet sich in den diversen Urkunden in unterschiedlichen Schreibweisen - "Freunbichler" (so heißt Bernhards Großvater im Taufbuch), "Freinbichler", "Freumbüchler" oder "Friembichler". Der Großvater selbst leitet seinen Familiennamen von mhd. "friema", d. i. "anschaffen", und "Büheler", d. i. "Bergler", ab, also "der auf dem Berge wohnende Anschaffer". 2 Da nach dem Erbrecht der Region nicht der älteste, sondern der jüngste Sohn den Hof erbt, muss Joseph, der Erstgeborene, das väterliche Gut verlassen; er hat einen jüngeren Bruder, der wie der Vater Michael heißt.
Thomas Bernhards Urgroßvater Joseph Freumbichler tritt 1850 in die k. k. Armee ein und dient bis 1858 u. a. als Kanonier in Dalmatien, wobei er vermutlich bis vor Cattaro (Kotor) gelangt. Drei Briefe sind von ihm überliefert; es ist davon auszugehen, dass er sie einem Kameraden diktiert hat. Sein Sohn Johannes verwendet die Erinnerungen des Vaters als Basis für seinen unveröffentlichten Roman Ljubica (= Die Perlenstickerin von Cattaro oder Das Wunder vom Orangenbaum); er schildert darin das Soldatenleben in Dalmatien recht idyllisch wie einen "Erholungsurlaub junger Salzburger Bauernburschen unter südlicher Sonne, gewürzt mit einer Liebesbekanntschaft". 3 1863 heiratet Joseph Freumbichler die um acht Jahre ältere Bauerntochter Katharina Haigerer - er wiederholt somit das Heiratsmuster seines Vaters und erwirb
Titel
Thomas Bernhard
Untertitel
Eine Biografie
Autor
EAN
9783701745081
ISBN
978-3-7017-4508-1
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Genre
Veröffentlichung
29.09.2015
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
1.83 MB
Anzahl Seiten
456
Jahr
2015
Untertitel
Deutsch
Lesemotiv
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