Von der Physik der Töne zum Konzert der Neuronen Wenn wir etwas mögen, ist es Musik in unseren Ohren, wer den Ton angibt, spielt die erste Geige, und wem der Marsch geblasen wird, der pfeift auf dem letzten Loch. Die Verbindung von Neurobiologie, Medizin und Psychologie mit der Musik ist alt. Neu ist die Tatsache, dass sich Musik und Hirnforschung gegenseitig befruchten. Wer ein Instrument erlernt, verbringt tausende von Stunden damit und vollzieht immer wieder die gleichen oder sehr ähnliche Bewegungsabläufe. Lernen und Gehirn lassen sich also kaum besser studieren als im Bereich Musik. Für das Hören, Ausüben und Genießen von Musik ist die Kenntnis der neuronalen Maschinerie zwar nicht notwendig, der Musiker wird aber vieles besser verstehen, wenn ihm die physikalischen und psychologischen Grundlagen von Musik geläufig sind. Wir alle - und die meisten von uns, ohne viel darüber nachzudenken - gehen ständig und sogar bereits in der Zeit vor unserer Geburt mit Musik um. Dieses Buch soll einen Beitrag dazu leisten, diesen Umgang besser zu verstehen. KEYWORDS: Musik, Gehirn, Hörsinn, Musizieren, Singen, Gesang, Instrument, Gehör, Neurowissenschaften, Psychologie, Tanz, Musikalität

Manfred Spitzer, Prof. Dr. Dr., studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg, war Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg, Gastprofessor an der Harvard-Universität und am Institute for Cognitive and Decision Sciences in Oregon. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft, der Lernforschung und Psychiatrie. Seit 1997 ist er Ordinarius für Psychiatrie in Ulm. Spitzer ist Herausgeber der Zeitschrift 'Nervenheilkunde' und leitet das von ihm gegründete 'Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen' in Ulm. Er hat mehrere neurowissenschaftliche Bestseller verfasst und moderiert eine wöchentliche Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn.

Autorentext
Manfred Spitzer, Prof. Dr. Dr., geboren 1958, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie in Freiburg. Von 1990 bis 1997 war er als Oberarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg tätig. Zwei Gastprofessuren an der Harvard-Universität und ein weiterer Forschungsaufenthalt am Institute for Cognitive and Decision Sciences der Universität Oregon prägten seinen Forschungsschwerpunkt im Grenzbereich der kognitiven Neurowissenschaft und Psychiatrie. Seit 1997 hat er den neu eingerichteten Lehrstuhl für Psychiatrie der Universität Ulm inne und leitet die seit 1998 bestehende Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm. Seit 1999 ist er Herausgeber des psychiatrischen Anteils der Zeitschrift Nervenheilkunde; seit Frühjahr 2004 leitet er zudem das von ihm gegründete Transferzentrum für Neurowissenschaft und Lernen in Ulm und moderiert eine wöchentlich in BR-alpha ausgestrahlte Fernsehserie zum Thema Geist und Gehirn. Er ist Autor des Nr.-1-Bestsellers »Digitale Demenz« und zahlreiche seiner Buchveröffentlichungen wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Leseprobe
Vorwort zur ersten Auflage

Warum machen Menschen Musik? Was ist überhaupt Musik? Wie wirkt Musik auf uns und warum wirkt sie so? Was geschieht, wenn wir Musik hören, machen oder verstehen? Was ist Talent und was geschieht beim Üben? - In diesem Buch geht es um Fragen wie diese. Die Antworten werden im Kopf gesucht, das heißt da, wo Musik "eigentlich" stattfindet. Gewiss, auch ein Gemälde wird letztlich im Kopf gesehen, nachdem es mit dem Kopf (der den Pinsel lenkte) gemalt wurde; aber es hängt an der Wand, auch wenn keiner hinsieht. Musik hingegen ist nur da, wenn sie erlebt wird. Die Schwingungen in der Luft, die Rillen in der Schallplatte oder die Nullen und Einsen auf einer CD sind ebenso wenig schon Musik wie die im Schrank liegenden Noten. Musik ist zeitliche Gestalt und bedarf des Erlebens und des aktiven Hervorbringens solcher Gestalt. Selbst eine so einfache Melodie wie Hänschen klein entsteht erst dadurch, dass Töne gehört und als Musik erlebt werden.

Wie aber macht unser Gehirn, das Organ des Wahrnehmens, Erlebens, Handelns und Verstehens, in unserem Kopf Musik? - Von allen höheren geistigen Leistungen scheint sich Musik am wenigsten für neurowissenschaftliche Untersuchungen zu eignen. Das Musikhören stellt eine sehr persönliche Erfahrung dar, die oft nur schwer zu beschreiben ist. Der Hörer reagiert emotional auf die vom Komponisten erdachten und den Musikern ausgeführten Bewegungen der Luft. Diese Reaktionen sind stark abhängig von den jeweiligen Vorerfahrungen des Hörers, seinem Interesse, seiner (musikalischen) Erziehung, seiner Kultur und seiner Persönlichkeit. Das gleiche Musikstück kann den einen tief bewegen und den anderen völlig kalt lassen. Wie soll man in Anbetracht dieser Individualität und problematischen Kommunizierbarkeit von Musik zu wissenschaftlichen, d.h. allgemein gültigen Aussagen über Musik gelangen? Da Neurobiologie zu den Wissenschaften gehört, muss man also die Frage stellen, ob die hier angestrebte Naturwissenschaft der Musik überhaupt sinnvoll und durchführbar ist.

Musik kommt einerseits in allen Kulturen vor, ist jedoch andererseits nicht wie die Sprache praktisch lebensnotwendig, weswegen es auch eine deutlich größere Variationsbreite musikalischer Fähigkeiten im Vergleich zu sprachlichen Fähigkeiten gibt. Fast jeder hört Musik, das aktive Musizieren ist jedoch hierzulande eine hoch spezialisierte Aktivität, die von einer kleinen Minderheit aller Menschen mit großer Perfektion ausgeübt wird. Die Frage danach, wie unser Gehirn Musik hervorbringt oder wahrnimmt, scheint also zunächst wissenschaftlich recht hoffnungs- bzw. aussichtslos. Dieser Frage nachzugehen ist jedoch seit einigen Jahren möglich. Die Erforschung des Gehirns hat in den vergangenen etwa zehn Jahren einen beispiellosen Aufschwung genommen. Gerade weil Musik eine so besondere Fähigkeit ist, lassen sich durch das neurowissenschaftliche Studium dieser Fähigkeit wichtige Einsichten in die Funktionsweise unseres Gehirns gewinnen, die keineswegs nur für den Bereich der Musik gelten. Man kann also den Spieß gleichsam herumdrehen: Nicht nur die perzeptuellen oder sprachlichen Aspekte von Musik, sondern auch und gerade deren Individualität und Emotionalität machen neurobiologische Untersuchungen zur Musik überhaupt erst so richtig spannend!

Als Psychiater, Psychologe und Neurowissenschaftler habe ich die Entwicklung der Gehirnforschung beruflich mitverfolgt bzw. mitvertreten und habe - zu einem winzigen Teil - auch daran mitgewirkt. Als musikbegeisterter Nicht-Musikwissenschaftler habe ich zugleich die Ignoranz, die es mir erlaubt, über Musik zu schreiben ohne in - mir gar nicht bekannten - Detailproblemen zu versinken. So erklärt sich die Entstehung dieses Buchs aus einer zunehmend spannungsgeladenen Mischung von beruflichem Erkenntnisgewinn und privatem Enthusiasmus, und es bedurfte lediglich eines Zündfunkens, um diese Mischung zur Entladung (d.h. das Buch zur Entstehung)



Inhalt
AUS DEM INHALT I Musik hören - Vom Ohr zum Gehirn - Melodie und Harmonie - Zeitstruktur und Gedächtnis II Musik erleben - Musik vor und nach der Geburt - Platz für Töne - Rhythmus und Tanz - Absolutes und relatives Gehör III Musik machen - Singen - Instrumente spielen - Musizieren lernen - Gemeinsam musizieren IV Musik verstehen - Evolution - Emotion - Funktion - Gesundheit, Medizin und Therapie
Titel
Musik im Kopf
Untertitel
Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk
EAN
9783608169027
ISBN
978-3-608-16902-7
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Herausgeber
Veröffentlichung
01.01.2018
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Dateigrösse
9.19 MB
Anzahl Seiten
470
Jahr
2014
Untertitel
Deutsch
Features
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet
Auflage
1. Auflage
Lesemotiv