Das Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war es, ein auerschulisches Experimentierprojekt fr Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Schichten zu entwickeln. An Betreuungseinrichtungen der offenen Kinder- und Jugendhilfe in sozialen Brennpunkten sollten Lernende auf freiwilliger Basis an alltagsnahe und berufsorientierte Phnomene der unbelebten Natur herangefhrt werden. Mit Hilfe der experimentellen Auseinandersetzung sollte in positiver Lernatmosphre Interesse an naturwissenschaftlichen Inhalten sowie Freude am Experimentieren geweckt oder gesteigert werden. Als Ausgangslage dienten die ungleichen Bildungschancen, die in Deutschland so stark wie in keinem anderen Industriestaat der Welt ausgeprgt sind. Die soziale Herkunft bestimmt ber den Bildungsweg, Schulleistungen und Lebenschancen. Gerade Menschen mit Migrationshintergrund haben es hierzulande durch frhe Selektion schwer, qualifizierende Schulabschlsse zu erreichen. Auch auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt setzt sich die Benachteiligung fort. Unter diesen Vorzeichen ist es geradezu fatal, dass fr eine Vielzahl an Stellen – insbesondere im naturwissenschaftlich-technischen Bereich – die dringend bentigten Fachkrfte fehlen. Die im Bildungswesen bisher vernachlssigten Zielgruppen weisen ohne Zweifel das Potential auf, diesen Fachkrftemangel zu kompensieren. Die frhestmgliche und gezielte Frderung von MINT-Qualifikationen bietet demnach nicht nur fr den einzelnen Lernenden, sondern auch fr die Zukunftsfhigkeit Deutschlands Chancen. ber das Schulwesen gelingt es trotz vielerlei Bestrebungen bislang noch nicht, fr gerechte Bildungschancen zu sorgen. Daher wurde fr diesen Forschungsansatz als Arbeitsfeld bewusst der auerschulische Bereich gewhlt. Die OKJA wird entgegen gesetzlicher Verankerungen eines Bildungsauftrags, der auch „naturkundliche und technische Bildung“ umfasst, nur ansatzweise fr die Vermittlung von naturwissenschaftlicher Bildung genutzt. Jedoch verbergen sich gerade dort Mglichkeiten, ber niederschwellige Angebote Menschen aus sozial benachteiligten Schichten zu erreichen und diese fernab von schulischem Leistungsdruck an MINT-Themen heranzufhren, mit denen sie in dieser Form ansonsten nur wenig in Kontakt kommen. In mehreren Arbeitsschritten wurde die zwlfwchige Experimentierreihe mit dem Namen „Experimentier’ nach 4“ entwickelt und optimiert, die in verschiedenen Einrichtungen der OKJA durchgefhrt wurde. Im Vordergrund der bewusst offen gehaltenen empirischen Untersuchung standen drei Hypothesen, mit Hilfe derer untersucht werden sollte, (1) mit welcher Verbindlichkeit die Kinder und Jugendlichen das freiwillige Experimentierangebot ber einen lngeren Zeitraum wahrnehmen, (2) ob der affektive und kognitive Zugang zu Themen der unbelebten Natur durch auerschulische Experimentierprojekte im Rahmen der OKJA erleichtert werden kann, und (3) ob hierber bei den Lernenden eine erste Annherung an die Alltags- und Berufsrelevanz naturwissenschaftlicher Phnomene erreicht werden kann. Im Hinblick auf die Leitfragen konnten im Rahmen der Untersuchung einige Antworten gefunden werden. Drei Viertel der beteiligten Kinder und Jugendlichen nahmen das Experimentierangebot an mindestens der Hlfte der angebotenen Termine freiwillig wahr. ber die Anwesenheit hinaus konnte anhand weiterer Untersuchungsergebnisse festgestellt werden, dass die Lernenden das Angebot mit einer ausdauernden Verbindlichkeit annahmen. Sie beteiligten sich aktiv und berichteten auch auerhalb der Einrichtungen von den durchgefhrten Experimenten. Ebenso konnte aufgezeigt werden, dass grundlegende Prinzipien verinnerlicht wurden und Phnomene zum Teil auf andere Experimente bertragen werden konnten. Darber hinaus vernderte sich die Einstellung gegenber chemischen und physikalischen Inhalten und der Alltags- und Berufsrelevanz von naturwissenschaftlichen Themen. In Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer OWL konnte das freiwillige Engagement der Kinder und Jugendlichen in Form eines Zertifikats honoriert werden. Dieses kann zuknftigen Bewerbungen beigefgt werden und mglicherweise neben aufgebauten naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen sowie dem Ausbau von soft skills einen Beitrag zur Verbesserung der Bildungs- und Bewerbungschancen sozial Benachteiligter leisten. Auf Basis der Ergebnisse wurden Rahmenbedingungen formuliert, die Hinweise geben, unter welchen Umstnden offene Kinder- und Jugendeinrichtungen fr derartige Experimentierprojekte sinnvoll genutzt werden knnen. Die vorliegende Untersuchung stellt nur einen ersten Schritt in eine mglicherweise Erfolg versprechende Richtung dar. Auf dem Weg zu einer dauerhaften Etablierung im offenen Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mssen noch einige Weichen gestellt werden. In weiteren kleineren Interventionsstudien im Bereich der Familienbildungszentren wurde der Blick daher ber die Jugendlichen hinaus auch auf andere Personengruppen gelenkt. So wurden zum einen auch Mitarbeiter der OKJA in Fortbildungen an Themen der unbelebten Natur herangefhrt. Im Rahmen der „Eltern-Uni“ wurden zum anderen Eltern und Groeltern mit Migrationshintergrund eingeladen, sich experimentell mit alltagsnahen chemischen und physikalischen Phnomenen auseinanderzusetzen. Beide Wege sollten aufzeigen, dass das Experimentieren eine spannende und sinnvolle Freizeitbeschftigung fr Kinder und Jugendliche sein kann, die sich gut in den Familienalltag oder den Freizeitbereich integrieren lsst. Der weitere Ausbau dieser Anstze knnte aufbauenden Forschungsarbeiten eine viel versprechende Grundlage bieten. Zu den zentralen Fragen zhlen: Wie knnen Mitarbeiter der OKJA motiviert werden, selbststndig Experimentierangebote zu entwickeln und umzusetzen? Wie knnte es gelingen, bei Familienangehrigen die Freude am gemeinsamen Experimentieren mit ihren Kindern zu wecken und somit das Image der Chemie und der Physik zu verbessern? Es bieten sich aber auch noch weitere Ansatzpunkte fr anknpfende Forschungsprojekte. So knnte sich eine intensivere Betonung der Berufsperspektive lohnen. Ein Weg knnte die Kooperation mit klassischen berufsvorbereitenden Manahmen sein. Hier wrde es sich allerdings anbieten, den Schwerpunkt auf etwas ltere Jugendliche zu legen. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass zehn- bis 14-Jhrige nur diffuse Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft und den damit verbundenen notwendigen Kompetenzen besitzen und dass die Berufswahl in diesem Alter kaum Thema ist. Ein zustzlicher Ansatz knnte die Untersuchung des Gender-Aspektes sein. Knnen speziell heranwachsende Mdchen durch auerschulische Experimentierprojekte in geschlechtshomogenen Gruppen im MINT-Bereich gestrkt werden? Es liegt der Verdacht nahe, dass die auerschulische Auseinandersetzung mit Themen der unbelebten Natur auch einen Einfluss auf den schulischen Bereich hat. So haben einige Teilnehmer im Anschluss an die Experimentierreihe angegeben, nun mehr Freude an naturwissenschaftlichen Schulfchern zu haben. Es knnte interessant sein, zu untersuchen, ob sich die Begeisterung der Kinder fr naturwissenschaftliche Inhalte im auerschulischen Bereich auch mit den schulischen Leistungen deckt. Denkbar wre hier zum Beispiel eine Untersuchung mit zwei Vergleichsgruppen sowie Befragungen unterrichtender Fachlehrer. Dieses weite Untersuchungsspektrum verdeutlicht, dass das mit dieser Untersuchung betretene Forschungsfeld bei Weitem nicht ausgeschpft ist. Auf dem Weg in eine Zukunft mit mehr Bildungsgerechtigkeit und kompetentem Nachwuchs muss es Deutschland gelingen, formelle Bildungsinstitutionen enger mit auerschulischen Einrichtungen zu verzahnen. Auf der anderen Seite ist es notwendig, dass die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendhilfe ihr Potential nutzen und ihrem Bildungsauftrag auch im Hinblick auf die Vermittlung von MINT-Qualifikationen strker nachkommen. Die vorliegende Untersuchung konnte W…