Michael W. Weithmann, Dr. phil., geb. 1949, war Wissenschaftl. Bibliothekar und Dozent an der Universität Passau. Autor zahlreicher Publikationen zur europäischen, insbesondere süddeutschen Geschichte.
Die Bayerischen Alpen das sind die Gebirge zwischen Salzach und Lech, die Ammergauer Berge mit den Königsschlössern, der Wetterstein mit der Zugspitze, das zerklüftete Karwendel und die Berchtesgadener Alpen mit Watzmann und Königssee. Die Geschichte menschlicher Besiedlung der Bayerischen Alpen setzte ein mit den Rätern und Römern. Im 10. Jahrhundert umfasste Bayern den Ostalpenraum bis zur Adria. Später traten die Gegenspieler Salzburg, Tirol und das Haus Habsburg auf, was immer wieder zu Grenzverschiebungen führte, bis sich im 19. Jahrhundert die tirolisch-bayerische Grenze verfestigte. Holz, Salz, Erz und Milch bildeten die wirtschaftliche Basis, im 19. Jahrhundert hielt schließlich der Tourismus Einzug. Einerseits bemächtigten sich Romantik, Literatur, Musik und Malerei der Alpenthematik, andererseits wurden die Berge militarisiert und zur "Alpenfestung" erklärt. In großen Linien ordnet der Autor die Ereignis- und Kulturgeschichte der Bayerischen Alpen von den Anfängen bis in die Gegenwart in den europäischen Kontext ein.
Autorentext
Michael W. Weithmann,
Dr. phil., geb. 1949, war Wissenschaftl. Bibliothekar und Dozent an der Universität Passau. Autor zahlreicher Publikationen zur europäischen, insbesondere süddeutschen Geschichte.
Leseprobe
I. DIE BAYERISCHEN ALPEN: BEGRIFF, NATURRAUM, GRENZEN
Grenzen: Natürliche, räumliche, historische und politische
Gebirge einzugrenzen und zu gliedern ist ein problematisches Unternehmen. Moderne Staatsgrenzen sind wohl am ungeeignetsten, beruhen sie doch auf politischen Vorgängen und haben sich im Laufe der Zeiten geändert. Aber finden sich natürliche Grenzen? Bergkämme, Gipfellinien, Tallandschaften? Oder gibt uns die Geologie Hinweise auf verschiedene Gesteinsarten, die Ethnografie auf diverse Sprachen und Lebensstile, oder kennt gar die Biologie Grenzen innerhalb der Pflanzen- und Tierwelt? Alle diese Probleme spielen bei der Definition der "Bayerischen Alpen" eine Rolle.
Der Freistaat Bayern ist das einzige deutsche Bundesland, das an den Alpen Anteil hat. Mit Recht könnte man den gesamten Alpenbogen zwischen der baden-württembergischen Landesgrenze im Westen und den österreichischen Staatsgrenzen im Süden und Osten als die "Alpen Bayerns" bezeichnen. Staatsrechtlich gesehen mag das korrekt sein, aber es widerspricht dem historischen Begriff der "Bayerischen Alpen". Dieser bezieht sich nämlich dezidiert nur auf die Oberbayerischen Alpen, auf die Gebirgszüge zwischen den Flüssen Lech im Westen und der Salzburger Salzach im Osten.
Denn nun kommt die Geschichte ins Spiel. Die längste Zeit seiner Geschichte beschränkte sich das bayerische Herrschaftsgebiet auf das altbayerische Territorium, das sich in den heutigen Regierungsbezirken Oberpfalz, Niederbayern und Oberbayern widerspiegelt. Bayerisch-Schwaben und Franken sind erst Erwerbungen des 19. Jahrhunderts. Die Entwicklung dieser Landesteile ist ganz anders verlaufen als in Altbayern.
Bayerische Alpen, korrekt Baierische Alpen oder Baierisches Gebirge, tauchen aber schon viel früher, im Spätmittelalter auf und beziehen sich auf das damalige Herzogtum Bayern, das aber nicht Schwaben umfasst hatte. Die Allgäuer Alpen gehören also nicht zu den Bayerischen (sprich Oberbayerischen) Alpen. Eine Ungereimtheit fällt natürlich auf: Auch der Wetterstein und die Berchtesgadener Alpen kamen erst Anfang des 19. Jahrhunderts zu Bayern, zählen also genaugenommen nicht zum altbaierischen Kern. Aber trotzdem werden sie zu den Bayerischen Alpen gezählt.
1844 erschien in München das Werk "Topische Geographie von Bayern". Verfasser war der damalige Oberleutnant Friedrich Wilhelm Walther von Walderstötten (1805-1889). Seine topografische Zusammenfassung des Königreichs Bayern trug offiziellen Charakter, weshalb sie auch dem Thronfolger Maximilian, dem späteren König Max II., gewidmet war. Walther nannte die gesamten Alpen des Königreichs Bayern "Die Kalkalpen Südbayerns" und unterschied klar 1. die Allgäuer Alpen, 2. die Bayerischen Alpen im engeren Sinne und 3. die Salzburger Alpen, deren bayerischer Anteil.
Der Wiener Geograf August Böhm veröffentlichte 1887 eine Geschichte der "Eintheilung der Ost-Alpen" und rekurrierte darin auf die Dreiteilung der Bayerischen Alpen in die Allgäuer Alpen, die Altbayerischen Alpen (gemeint sind die Oberbayerischen Alpen) und die Salzburger Alpen. Unser Thema sind demnach die Bayerischen Alpen im engeren Sinne, d. h. die Oberbayerischen Alpen.
Die auf diese Weise zwischen Lech und Saalach eingegrenzten Bayerischen Alpen stoßen im Süden auf das österreichische Bundesland Tirol und im Osten auf das Bundesland Salzburg. Die gegenwärtigen Grenzlinien folgen dabei nicht den Tälern, sondern den Graten und Bergkämmen, welche die Berggipfel verbinden. Völkerrechtler nennen dies "orografische Grenzen". Wie angedeutet, sind diese modernen Staatsgrenzen das Ergebnis einer in unserem Raum fast 1000-jährigen politischen Entwicklung, der wir in diesem Buch nachgehen werden.
Folglich kann sich eine Geschichte der Bayerischen Alpen ni