"Liebt die Wahrheit, liebt den Frieden!" Mendelssohn entwickelt eine systematische Kritik religiöser und staatlicher Machtansprüche über das menschliche Gewissen. Seine Kernthese: Weder weltliche noch geistliche Autorität besitzt das Recht, in Fragen der inneren Überzeugung zwingend zu wirken. Wahre Religion entspringt der Vernunft und freien Einsicht, nicht äußerem Druck. Diese Ausgabe macht sein philosophisches Hauptwerk von 1783 für heutige Leser zugänglich, ohne den originalen Gedankengang oder die argumentative Präzision zu beeinträchtigen. Überlange Periodenstrukturen des 18. Jahrhunderts wurden in verständliche Sprache übertragen, historische Begriffe behutsam aktualisiert. Das Werk entstand als Antwort auf den Konversionsaufruf des Zürcher Theologen Lavater und entwickelt daraus eine grundsätzliche Theorie der Gewissensfreiheit. Mendelssohn argumentiert für die strikte Trennung von Handlung und Gesinnung: Während der Staat Handlungen regulieren darf, bleiben Gedanken und Überzeugungen der staatlichen wie kirchlichen Einflussnahme entzogen. Ein Schlüsseltext der deutschen Aufklärung, der sowohl für die Religionsphilosophie als auch für die politische Theorie der Toleranz von bleibender Bedeutung ist.
Autorentext
Moses Mendelssohn (1729-1786) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung und gilt als zentrale Figur der jüdischen Aufklärung (Haskala). Geboren in Dessau als Sohn eines Toraschreibers, zog er 1743 nach Berlin, wo er sich autodidaktisch bildete und zu einem der bedeutendsten Denker seiner Zeit wurde. Als enger Freund Lessings und Korrespondent Kants verteidigte er sowohl die Vernunft der Aufklärung als auch das Recht der Juden auf religiöse Eigenständigkeit. Sein Hauptwerk "Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum" (1783) argumentierte für Religionsfreiheit und die Trennung von Staat und Religion. Mendelssohn übersetzte die Tora ins Deutsche und setzte sich für eine Reform der jüdischen Erziehung ein. Er starb 1786 in Berlin.