Essay aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Thema: Globalisierung, pol. konomie, Note: 1,0, Europa-Universitt Viadrina Frankfurt (Oder) (Professur fr vergleichende europische Geschichte der Neuzeit), Veranstaltung: Strukturwandel des Politischen (1750-1840), Sprache: Deutsch, Abstract: Im Jahr 1801, noch whrend die revolutionren Ereignisse und die damit verbundenen Wirren des Krieges in der franzsischen Karibikkolonie Saint-Domingue andauerten, erlie General Toussaint Louverture, Fhrer der aufstndischen Sklavenarmeen und zu diesem Zeitpunkt der mchtigste Mann in der Kolonie, eine Verfassung fr Saint-Domingue. Im Mittelpunkt dieser Verfassung stand auf der einen Seite die Abschaffung der Sklaverei, auf der anderen eine wohl absichtlich vage gehaltene Souvernitt der Kolonie. Wirft man auf diese Manahme Louvertures einen etwas eingehenderen Blick, so erstaunt weniger die Tatsache, dass er die in langen Kriegsjahren erkmpfte Freiheit der ehemaligen Sklaven perpetuieren und einen autonomen Handlungsspielraum fr die Kolonie erwirken wollte, als vielmehr das Mittel, das er hierfr whlte, namentlich die Verfassung. Verwunderlich ist dies insofern, als dass Verfassung in ihrem Ursprung ein historisches Phnomen ist, das in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhunderts im europischen Raum als Element zur Schaffung politisch-sozialer Ordnung in Erscheinung tritt, quasi als Antwort auf die spezifischen Probleme einer Zeit an einem Ort. In ihrem historischen Kontext also lsst sich Verfassung als "Problemlsungsformel" (Blnkner), als Antwort auf die Frage nach der Mglichkeit politisch-sozialer Ordnung in einer Zeit verstehen, in der in Europa durch das Aufkommen neuer sozialer Krfte das alte Stndegefge transzendiert wurde. Die Entstehung und Ausdifferenzierung der "neustndischen Gesellschaft" seit Mitte des 18. Jahrhunderts war "vor allem Folge wachsender Kommerzialisierung und der sich intensivierenden Marktmechanismen des expandierenden kapitalistischen Weltsystems". In dieser "neustndischen Gesellschaft", deren Trgerschicht sich aus eben diesen neuen sozialen Krften, den gebildeten Stnden, zusammensetzte, entstand eine ffentlichkeit, in der der Ruf nach Freiheit und Gleichheit fr ihre Mitglieder, mithin nach politischer Partizipation laut wurde. In diesem Zusammenhang rckte Verfassung in den Mittelpunkt des politischen Denkens, entwickelte sich gar zum "Leitbegriff aller Leitbegriffe" dieser Zeit, da sie zum Kernpunkt der gedachten sozialen Integration der neustndischen Gesellschaft wurde. [...]