Reagan Farrow, die jüngste Tochter der Countrymusiklegende Luella Farrow, träumt davon, als Romanautorin Fuß zu fassen. Und tatsächlich scheint ein Verlagsvertrag bei Fog Harbor Books zum Greifen nah. Doch ihr Wunsch, unter Pseudonym zu veröffentlichen, statt vom Promi-Status ihrer Mutter zu profitieren, zerstört Reagans Traum in letzter Minute. Stattdessen wird sie gewarnt, dass ein Enthüllungsbuch über ihre Familie in Planung ist. Reagan beschließt, die Angelegenheit vor ihren beiden Schwestern und ihrer Mutter geheim zu halten. Ihr Verhältnis ist ohnehin schon angespannt und sie will zuerst herausfinden, wer hinter dem Ganzen steckt. Doch dann zwingt ihre Mutter sie alle zu einem gemeinsamen Roadtrip in ihrem alten Tourbus. Nicht gerade die idealen Voraussetzungen für das Wahren von Geheimnissen! Trotzdem scheint auf diesem Trip jeder welche zu haben. Selbst ihr Busfahrer Micah verfolgt offenbar ein ganz eigenes Ziel eines, das ihre beiden Mütter und eine alte Kiste mit Tagebüchern betrifft
Autorentext
Nicole Deese schreibt humor- und gefühlvolle zeitgenössische Romane und ist selbst eine Vielleserin. Oft trifft man sie lesend am Fenster mit Blick auf den wunderschönen Pazifischen Nordwesten an. Mit ihrem Mann, zwei Söhnen und einer Tochter lebt sie in einer Kleinstadt in Idaho. www.nicoledeese.com Instagram: nicoledeeseauthor Facebook: Nicole Deese, Author
Leseprobe
Draußen ertönt eine Hupe, gefolgt von Musik, und zwar nicht irgendwelcher, sondern dem Refrain eines Liedes, das wir alle auswendig kennen: My Darlin' Daughters Three der Song, den Mom für uns ihre drei geliebten Töchter geschrieben hat, als sie Mitte der 90er-Jahre gerade ihre Solokarriere begonnen hatte. Meine Schwester Adele zuckt zusammen und geht zur Haustür. »Was in aller Welt ist das?« »Klingt nicht wie der Eiswagen«, witzele ich, aber Adele hat keinen Sinn für meinen Humor. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich nicht einmal, wann sie überhaupt das letzte Mal gelacht hat. Die Stimme unserer Mutter erklingt und ihre Worte hören sich überlaut und verzerrt an, als würde sie durch ein Megafon rufen: »Meine Lieben, könnt ihr drei bitte mal vors Haus kommen? Ich habe eine Überraschung für euch!« Adele marschiert, ohne zu zögern, nach draußen und lässt mich allein mit Hattie zurück, die so aussieht, als könnte nur die Wiederkunft Christi sie wecken. Ich nähere mich der schlafenden Gestalt meiner zweiten Schwester auf dem Sofa und berühre sanft ihre Schulter. »Hey, Hattie. Mom will, dass wir rauskommen. Sie sagt, sie hat eine Überraschung für uns.« »Später«, murmelt Hattie. »Zu müde.« »Verstehe ich.« Ich unterdrücke selbst ein Gähnen. »Es tut mir so leid, was bei der Sorgerechtsanhörung passiert ist. Aber das wird schon.« Irgendwie. Der einzige Hinweis darauf, dass sie mich gehört hat, ist eine hochgezogene Augenbraue. Von der Auffahrt ist ein erneutes kurzes Hupen zu hören, also lasse ich Hattie auf der Couch liegen und trete durch die Haustür nach draußen. Weiter komme ich nicht. Adele ist zwei Stufen unter mir auf der Verandatreppe stehen geblieben und ich brauche nicht zu fragen, was los ist. Der alte goldene Tourbus mit seinen getönten Scheiben und einer leuchtend roten Schleife auf dem Dach ist nicht gerade unauffällig. Genauso wenig wie unsere Mutter, die in der offenen Wagentür steht und tatsächlich ein Megafon umklammert. »Jetzt steht da nicht mit offener Kinnlade rum!«, ruft sie. »Wo ist Hattie?« Adele dreht sich um und funkelt mich an, als wäre sie die befehlshabende Offizierin und ich ihre Rekrutin. »Die schläft«, sage ich zu dem gigantischen Goldbarren auf Rädern. Wir treten zögernd ein paar Schritte näher, als auf einmal eine ohrenbetäubende Sirene ertönt, die selbst Schnapsleichen wecken könnte, die nach einer durchzechten Nacht auf dem Broadway ihren Rausch ausschlafen. Obwohl ich mir die Ohren zuhalte, verstehe ich die nächste Megafonansage meiner Mutter klar und deutlich: »Harriet Josephine Farrow, Sie werden um Ihre Anwesenheit in der Auffahrt gebeten.« »Sie hat einen harten Tag hinter sich, Mom«, versuche ich es noch einmal. »Und genau deshalb habe ich beschlossen, meine ursprünglichen Pläne für unser Treffen heute Abend zu ändern. Harte Tage bleiben nur hart, wenn man sie lässt. Es hat keinen Sinn, über etwas nachzugrübeln, was man nicht mehr ändern kann. Ihr alle braucht eine ordentliche Portion gute Laune, und das hier ist genau das Richtige.« Wenige Augenblicke später taumelt Hattie durch die Tür. Ihre schwarze Jogginghose ist verdreht, sodass die Kordel im Bund nicht in der Mitte, sondern auf ihrem rechten Hüftknochen sitzt, der seit ihrer Scheidung vor ein paar Monaten noch prominenter hervortritt. Auf dem Weg über die Veranda bemüht sie sich vergeblich, das blonde Durcheinander auf ihrem Kopf zu bändigen, bevor sie den Versuch aufgibt. Als sie endlich hochguckt und den Bus sieht, bleibt auch sie wie angewurzelt stehen. Unsere Mutter posiert dort ganz die berühmte Countrymusiklegende, die sie ist mit ihrer bewundernswert schmalen Taille in den hoch geschnittenen Jeans, mit Strassgürtel und schwarzem Glitzertop, das den Schriftzug Drama Mom trägt. »Möchte eine von euch vielleicht raten, wer dieses Schmuckstück hinter mir ist und was er hier macht?« »Auf jeden Fall ist es nicht der Tourbus, den Raegan für deine Reise nach Washington nächsten Monat mieten sollte.« Adele sieht mich an. »Ich habe explizit um ein neues Modell gebeten, schwarz und mindestens einen Meter länger.« »Das habe ich auch bestellt! Gib mir eine Sekunde, dann rufe ich die Bestätigungsmail auf.« Während ich in meinem Smartphone nach der entsprechenden Nachricht suche, meint Mom fröhlich: »Mach dir keine Umstände, Liebes. Den Auftrag habe ich storniert.« »Du hast was?« Adele erstickt fast an den Worten. »Warum in aller Welt solltest du das tun?« »Weil ich nicht in einem Bus zu einem Festival fahren werde, wo mein musikalisches Vermächtnis gefeiert wird, der nichts mit meiner Geschichte zu tun hat.« Moms Lächeln wird breiter. »Und deshalb habe ich Eddie angeheuert, damit er Old Goldie aus seinem langen Schlaf erweckt und ihm ein längst überfälliges Facelifting verpasst. Ich liebe, wie das Gold in der Sonne glänzt ihr nicht auch? Eddie hat gesagt, es ist eine Metal-Flake-Lackierung. Es sieht noch besser aus als die ursprüngliche Version.« »Du meinst Old Goldie' wie wie der alte Tourbus, den du noch aus den 90er-Jahren hast?«, fragt Hattie, die allmählich zu sich zu kommen scheint. »Genau der. Innen ist er auch komplett renoviert. Alles ist hell und einladend und es wurden bequemere Möbel eingebaut. Aber das Beste ist die ganze nostalgische Dekoration Eddie und sein Team haben die ganzen Fotos für uns neu gerahmt. Ich kann es kaum erwarten, euch alles zu zeigen.« Sie strahlt uns an. »Das wird der beste Sommer, den wir jemals zusammen verbracht haben!« Kurz frage ich mich, ob ich als Einzige außen vor gelassen wurde, aber den offenen Mündern der anderen nach zu urteilen, hatten sie auch keine Ahnung. Wie immer übernimmt Adele die Führung, bevor jemand anders es tun kann. »Wovon redest du, Mom? Ich bin die Einzige, die mit dir zum Watershed fährt. Nur wir beide in einem gemieteten Bus mit viel Platz und einem Büro, von dem aus ich arbeiten kann. Und deine Band treffen wir dann vor Ort, weißt du noch?« Unsere Mutter sieht aus, als hätte sie ihr ganzes Leben auf diesen Augenblick gewartet. Als wäre die Tatsache, dass sie unzählige Male im Grand Ole Opry oder an Hunderten anderer Locations auf der ganzen Welt hinter den Kulissen darauf gewartet hat, dass ihr Auftritt angekündigt wird, nichts gegen das hier. »Ich habe einen neuen Plan gemacht.« Mom lässt den Blick über unsere Gesichter schweifen und erklärt uns nach einer Pause, in der ich einen imaginären Trommelwirbel höre: »Vor dem Festival will ich mit meinen drei Töchtern einen Roadtrip machen, der an einem meiner liebsten Orte endet. Nur wir vier plus ein Fahrer. In einer Woche geht es los!« Niemand wagt z…
Autorentext
Nicole Deese schreibt humor- und gefühlvolle zeitgenössische Romane und ist selbst eine Vielleserin. Oft trifft man sie lesend am Fenster mit Blick auf den wunderschönen Pazifischen Nordwesten an. Mit ihrem Mann, zwei Söhnen und einer Tochter lebt sie in einer Kleinstadt in Idaho. www.nicoledeese.com Instagram: nicoledeeseauthor Facebook: Nicole Deese, Author
Leseprobe
Draußen ertönt eine Hupe, gefolgt von Musik, und zwar nicht irgendwelcher, sondern dem Refrain eines Liedes, das wir alle auswendig kennen: My Darlin' Daughters Three der Song, den Mom für uns ihre drei geliebten Töchter geschrieben hat, als sie Mitte der 90er-Jahre gerade ihre Solokarriere begonnen hatte. Meine Schwester Adele zuckt zusammen und geht zur Haustür. »Was in aller Welt ist das?« »Klingt nicht wie der Eiswagen«, witzele ich, aber Adele hat keinen Sinn für meinen Humor. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich nicht einmal, wann sie überhaupt das letzte Mal gelacht hat. Die Stimme unserer Mutter erklingt und ihre Worte hören sich überlaut und verzerrt an, als würde sie durch ein Megafon rufen: »Meine Lieben, könnt ihr drei bitte mal vors Haus kommen? Ich habe eine Überraschung für euch!« Adele marschiert, ohne zu zögern, nach draußen und lässt mich allein mit Hattie zurück, die so aussieht, als könnte nur die Wiederkunft Christi sie wecken. Ich nähere mich der schlafenden Gestalt meiner zweiten Schwester auf dem Sofa und berühre sanft ihre Schulter. »Hey, Hattie. Mom will, dass wir rauskommen. Sie sagt, sie hat eine Überraschung für uns.« »Später«, murmelt Hattie. »Zu müde.« »Verstehe ich.« Ich unterdrücke selbst ein Gähnen. »Es tut mir so leid, was bei der Sorgerechtsanhörung passiert ist. Aber das wird schon.« Irgendwie. Der einzige Hinweis darauf, dass sie mich gehört hat, ist eine hochgezogene Augenbraue. Von der Auffahrt ist ein erneutes kurzes Hupen zu hören, also lasse ich Hattie auf der Couch liegen und trete durch die Haustür nach draußen. Weiter komme ich nicht. Adele ist zwei Stufen unter mir auf der Verandatreppe stehen geblieben und ich brauche nicht zu fragen, was los ist. Der alte goldene Tourbus mit seinen getönten Scheiben und einer leuchtend roten Schleife auf dem Dach ist nicht gerade unauffällig. Genauso wenig wie unsere Mutter, die in der offenen Wagentür steht und tatsächlich ein Megafon umklammert. »Jetzt steht da nicht mit offener Kinnlade rum!«, ruft sie. »Wo ist Hattie?« Adele dreht sich um und funkelt mich an, als wäre sie die befehlshabende Offizierin und ich ihre Rekrutin. »Die schläft«, sage ich zu dem gigantischen Goldbarren auf Rädern. Wir treten zögernd ein paar Schritte näher, als auf einmal eine ohrenbetäubende Sirene ertönt, die selbst Schnapsleichen wecken könnte, die nach einer durchzechten Nacht auf dem Broadway ihren Rausch ausschlafen. Obwohl ich mir die Ohren zuhalte, verstehe ich die nächste Megafonansage meiner Mutter klar und deutlich: »Harriet Josephine Farrow, Sie werden um Ihre Anwesenheit in der Auffahrt gebeten.« »Sie hat einen harten Tag hinter sich, Mom«, versuche ich es noch einmal. »Und genau deshalb habe ich beschlossen, meine ursprünglichen Pläne für unser Treffen heute Abend zu ändern. Harte Tage bleiben nur hart, wenn man sie lässt. Es hat keinen Sinn, über etwas nachzugrübeln, was man nicht mehr ändern kann. Ihr alle braucht eine ordentliche Portion gute Laune, und das hier ist genau das Richtige.« Wenige Augenblicke später taumelt Hattie durch die Tür. Ihre schwarze Jogginghose ist verdreht, sodass die Kordel im Bund nicht in der Mitte, sondern auf ihrem rechten Hüftknochen sitzt, der seit ihrer Scheidung vor ein paar Monaten noch prominenter hervortritt. Auf dem Weg über die Veranda bemüht sie sich vergeblich, das blonde Durcheinander auf ihrem Kopf zu bändigen, bevor sie den Versuch aufgibt. Als sie endlich hochguckt und den Bus sieht, bleibt auch sie wie angewurzelt stehen. Unsere Mutter posiert dort ganz die berühmte Countrymusiklegende, die sie ist mit ihrer bewundernswert schmalen Taille in den hoch geschnittenen Jeans, mit Strassgürtel und schwarzem Glitzertop, das den Schriftzug Drama Mom trägt. »Möchte eine von euch vielleicht raten, wer dieses Schmuckstück hinter mir ist und was er hier macht?« »Auf jeden Fall ist es nicht der Tourbus, den Raegan für deine Reise nach Washington nächsten Monat mieten sollte.« Adele sieht mich an. »Ich habe explizit um ein neues Modell gebeten, schwarz und mindestens einen Meter länger.« »Das habe ich auch bestellt! Gib mir eine Sekunde, dann rufe ich die Bestätigungsmail auf.« Während ich in meinem Smartphone nach der entsprechenden Nachricht suche, meint Mom fröhlich: »Mach dir keine Umstände, Liebes. Den Auftrag habe ich storniert.« »Du hast was?« Adele erstickt fast an den Worten. »Warum in aller Welt solltest du das tun?« »Weil ich nicht in einem Bus zu einem Festival fahren werde, wo mein musikalisches Vermächtnis gefeiert wird, der nichts mit meiner Geschichte zu tun hat.« Moms Lächeln wird breiter. »Und deshalb habe ich Eddie angeheuert, damit er Old Goldie aus seinem langen Schlaf erweckt und ihm ein längst überfälliges Facelifting verpasst. Ich liebe, wie das Gold in der Sonne glänzt ihr nicht auch? Eddie hat gesagt, es ist eine Metal-Flake-Lackierung. Es sieht noch besser aus als die ursprüngliche Version.« »Du meinst Old Goldie' wie wie der alte Tourbus, den du noch aus den 90er-Jahren hast?«, fragt Hattie, die allmählich zu sich zu kommen scheint. »Genau der. Innen ist er auch komplett renoviert. Alles ist hell und einladend und es wurden bequemere Möbel eingebaut. Aber das Beste ist die ganze nostalgische Dekoration Eddie und sein Team haben die ganzen Fotos für uns neu gerahmt. Ich kann es kaum erwarten, euch alles zu zeigen.« Sie strahlt uns an. »Das wird der beste Sommer, den wir jemals zusammen verbracht haben!« Kurz frage ich mich, ob ich als Einzige außen vor gelassen wurde, aber den offenen Mündern der anderen nach zu urteilen, hatten sie auch keine Ahnung. Wie immer übernimmt Adele die Führung, bevor jemand anders es tun kann. »Wovon redest du, Mom? Ich bin die Einzige, die mit dir zum Watershed fährt. Nur wir beide in einem gemieteten Bus mit viel Platz und einem Büro, von dem aus ich arbeiten kann. Und deine Band treffen wir dann vor Ort, weißt du noch?« Unsere Mutter sieht aus, als hätte sie ihr ganzes Leben auf diesen Augenblick gewartet. Als wäre die Tatsache, dass sie unzählige Male im Grand Ole Opry oder an Hunderten anderer Locations auf der ganzen Welt hinter den Kulissen darauf gewartet hat, dass ihr Auftritt angekündigt wird, nichts gegen das hier. »Ich habe einen neuen Plan gemacht.« Mom lässt den Blick über unsere Gesichter schweifen und erklärt uns nach einer Pause, in der ich einen imaginären Trommelwirbel höre: »Vor dem Festival will ich mit meinen drei Töchtern einen Roadtrip machen, der an einem meiner liebsten Orte endet. Nur wir vier plus ein Fahrer. In einer Woche geht es los!« Niemand wagt z…
Titel
Wo Worte zu Wegen werden
Autor
Übersetzer
EAN
9783963627255
Format
E-Book (epub)
Hersteller
Genre
Veröffentlichung
01.09.2025
Digitaler Kopierschutz
Wasserzeichen
Anzahl Seiten
480
Auflage
Auflage
Lesemotiv
Unerwartete Verzögerung
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