Seit mehr als einem Vierteljahrhundert wird in der Bundesrepublik Deutschland das Vollbeschäftigungsziel verfehlt. Aber die hohen Arbeitslosenzahlen sind nur eine und vielleicht nicht einmal die wichtigste Seite der Veränderung des Arbeitsmarktes in den vergangenen Jahrzehnten. Die andere, langfristig wahrscheinlich sogar bedeutendere Seite stellen die qualitative Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse und -biographien, unstetes Wirtschaftswachstum, veränderte Rollenverständnisse der Geschlechter und vieles mehr dar. Quantitative und qualitative Aspekte wirken zusammen und lassen langsam aber sicher das zur Vergangenheit werden, was sich treffend mit dem Begriff der ,traditionellen Vollbeschäftigung' bezeichnen lässt.
Trotz aller Veränderungen scheinen die Gewerkschaften aber unbeirrt am Ziel der Vollbeschäftigung festzuhalten. Keine andere politische Organisation bekennt sich so sehr und ausdauernd zum Vollbeschäftigungsziel wie die Gewerkschaften. Allerdings gibt es jenseits der konstanten Beschwörung des Vollbeschäftigungsziels Anlass zur Vermutung, dass die Gewerkschaften mittlerweile zumindest einige Zeichen der Zeit erkannt haben. Das ist an ihren neueren politischen Grundpositionen wie auch an den neueren politischen Strategien (vor allem die "Bündnisse für Arbeit") zu sehen. Ziel des Buches ist, sich empirisch mit der Frage zu beschäftigen, welche Positionen und Strategien die Gewerkschaften heute vertreten, wie konsistent sie sind und welche Umsetzungschancen ihre Vorschläge besitzen. Um das beurteilen zu können, muss zuvor geklärt werden, welche Veränderungen die traditionelle Vollbeschäftigungsgesellschaft erfahren hat und wie die Gewerkschaften davon betroffen sind.
Mächtig oder machtlos Die Gewerkschaften und die neue Arbeitswelt
Autorentext
Dr. Peter Bleses ist Diplom-Politologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Arbeitsrecht des juristischen Seminars der Universität Oldenburg.
Antje Vetterlein ist Diplom-Soziologin und promoviert am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz.
Klappentext
Die Bundesrepublik Deutschland war bis in die 70er Jahre hinein eine traditionelle Vollbeschäftigungsgesellschaft. Vor allem die Gewerkschaften verknüpften ihre politischen Strategien eng mit diesem Vollbeschäftigungsmodell. Sie sind daher stark von den Auflösungstendenzen der traditionellen Vollbeschäftigungsgesellschaft betroffen. Das Buch beschreibt zunächst die sozialen, ökonomischen und politischen Wandlungsprozesse und analysiert anschließend die Auswirkungen auf die Gewerkschaften ebenso wie deren Reaktionen. Die Gewerkschaften - so lässt sich zeigen - sind politikfähig. Weitere riskante Anpassungsstrategien sind jedoch notwendig, um den Wandel bestehen zu können.
Inhalt
1 Einführung: Gewerkschaften und die Vollbeschäftigung.- 2 Vollbeschäftigungspolitik: Wollen und Können.- 2.1 Interessen an Vollbeschäftigung.- 2.2 Möglichkeiten des Abbaus von Arbeitslosigkeit.- 3 Ohne Vollbeschäftigung: Arbeitswelt, Gesellschaft und Sozialpolitik.- 3.1 Entwicklung der Arbeitswelt.- 3.2 Sozialer Wandel der traditionellen Vollbeschäftigungsgesellschaft: Abschied von der Normalfamilie?.- 3.3 Veränderungen des deutschen Wohlfahrtsstaates.- 3.4 Und die Gewerkschaften?.- 4 Ein neuer Typ' von Vollbeschäftigung? Die Position der Gewerkschaften.- 4.1 Das soziale Leitbild in der DGB-Programmatik und gewerkschaftlichen Dokumenten.- 4.2 Interpretationen der sozialen Positionen.- 4.3 Diskussionen um soziale Positionen: der gewerkschaftliche, gewerkschaftsnahe und wissenschaftliche Diskurs.- 4.4 Resümee.- 5 Auf dem Weg zu Vollbeschäftigung? Das Bündnis für Arbeit.- 5.1 Die Geschichte des Bündnisses.- 5.2 Der Dritte Versuch.- 5.3 Das Bündnis für Arbeit als neokorporatistisches Arrangement.- 5.4 Arbeitszeitpolitik im Bündnis für Arbeit.- 5.5 Resümee.- 6 Politik ohne Vollbeschäftigung: Chancen, Risiken und Perspektiven gewerkschaftlicher Strategien.- 6.1 Zusammenfassung.- 6.2 Handlungschancen und Handlungsrisiken.- 6.3 Fazit.- Literatur.